Presseschau Afrika

Gespaltene Abspaltung

Im de facto unabhängigen Norden Malis eskaliert der Konflikt
Die Stadt Gao wurde mittlerweile von den Islamisten der AQIM eingenommen
Die Stadt Gao wurde mittlerweile von den Islamisten der AQIM eingenommen Bild von ju-yaovi

Im Norden Malis ist eine unabhängige Region entstanden, deren Status völlig ungeklärt ist. So wurde der Kampf der Tuareg um Unabhängigkeit durch heimkehrende Söldner aus Libyen und einer Waffenflut auf dem Schwarzmarkt erst befeuert. Daneben werden weite Regionen durch mehrere islamische Gruppen wie der Al-Qaida beherrscht. Diese Fraktionen bekämpfen sich zeitweise und ringen um die Macht in der dünn besiedelten Trockensavannen- und Wüstenregion. Bislang mangelte es an Reporten darüber. Olivier Joulie und Laurent Hamida sind zwei Wochen als eingebettete Journalisten gemeinsam mit Soldaten der »Nationalen Bewegung für die Befreiung des Azawad« (MNLA) durch die Region gereist und haben daraus einen Film für Arte gedreht. Ihr Blick, so bekennen sie im anschließenden Interview, ist durch diese Berichterstattung gefiltert. Doch ohne Schutz ist der Aufenthalt zu gefährlich. Die Abneigung der Tuareg-Kämpfer gegen die Islamisten der AQIM ist dabei ständig spürbar. Der Kampf für Unabhängigkeit wird mit Vertreibungen und Verbrechen der Malischen Armee begründet. Diese neue Freiheit wird jedoch durch die Kämpfe im Inneren in Frage gestellt.

Konflikt ohne klare Grenzen

Der Aufstand im Niger betrifft auch die benachbarten Staaten
Bamako 2005
Bamako 2005 Bild von Erwin Bolwidt

Die aufständischen Kämpfer im Norden Malis erklärten nach der Eroberung Timbuktus Anfang April ihre Unabhängigkeit. Diese Region grenzt an zahlreiche Staaten in der Sahara. Die Konfliktlinien in Mali sind unscharf, die Grenzen zu den Nachbarländern sind unüberwachbar, da sie über tausende Kilometer durch Wüstengebiete verlaufen. Über die Grenzen sind die Kämpfer im Norden eingesickert: Tuareg-Milizen aus Libyen und islamische Kämpfer aus Algerien. Die internationale Dimension stellt Philippe Leymarie in einer Analyse in der Le Monde diplomatique dar, für die auch eine anschauliche Grafik erstellt wurde. Die vom Militärputsch abgesetzte Regierung zeigte sich weder willens noch in der Lage, die Situation im Norden zu kontrollieren. Schmuggelrouten durch die Sahara ermöglichen die Finanzierung des Aufstandes, zumal die Tuareg in Mali, Niger, Algerien und Libyen ansässig sind. Eine Arte-Sendung der Reihe »Mit offenen Karten« von 2007 veranschaulicht am Beispiel des benachbarten Niger, wie ethnische Grenzen und Klimazonen Landesgrenzen überschreiten und die politische Situation in der Region prägen.

Am Rande der Weltöffentlichkeit

Ein Bildungsprojekt in Ostkongo sendet mit einer Radiostation für eine friedliche Entwicklung
Schöne Landschaft, schreckliche Verhältnisse: Kivu im Ostkongo
Schöne Landschaft, schreckliche Verhältnisse: Kivu im Ostkongo Bild von Julien Harneis

Nach wie vor schwelt im Osten des Kongo der Bürgerkrieg: Immer wieder kommt es zu Übergriffen, Scharmützeln, Morden und Vergewaltigungen. Die UNO-Truppen »sind ausschließlich damit beschäftigt, sich selbst zu schützen«. Dieses Bild zeichnet eine Reportage von Philipp Maußhardt in dem Autorenportal Magda. Doch neben der deprimierenden Lage kämpfen die Aktivisten der Bildungsorganisation Cereba für Frieden. Durch einen Radiosender erreichen sie eine Bevölkerung, in der die Analphabten in der Mehrheit sind, in einer Region, in der keine Zeitungen existieren. Mit einfachen Mitteln sendet Radio Ushikira über gewaltfreies Zusammenleben, drohende Gefahren und unterhält die Hörer: Ein Hoffnungsschimmer in einem endlos erscheinenden Konflikt, den die Welt vergessen hat.

Putsch und Rebellion

Chaotische Situation auf beiden Seiten des Bürgerkriegs in Mali
Timbuktu: In der Hand von Islamisten?
Timbuktu: In der Hand von Islamisten? Bild von Emilio Labrador

Seit Freitag existiert ein neuer Staat – dies sehen zumindest die Rebellen im eroberten Norden Malis so, indem sie diesen zum eigenständigen Staat Azawad ausriefen. Dabei ist wenig über die Rebellen bekannt, kein Staat beabsichtigt bislang die Anerkennung Azawads. Auf beiden Seiten des Konflikts herrscht Chaos: Während das Militär im Süden gegen die Regierung putschte, besteht im Norden eine merkwürdige Allianz aus Tuareg-Milizen der MNLA und Salafisten der Aqim. Bei den Tuareg soll es sich um aus Libyen geflohene Milizen handeln, die unter Gaddafi dienten und vertrieben wurden. Diese haben sich darauf mit salafistischen Gruppen, die in der Sahara operieren, auf einen gemeinsamen Aufstand geeinigt. Insofern hat dieser Konflikt eine internationale Dimension. Im Süden putschte das Militär im Zuge des Aufstandes gegen die Regierung. Nun wurde die Rückkehr zur Demokratie nach heftigem internationalen Druck vereinbart.

Dominic Johnson erinnert in der taz an die Geschichte der Spannung zwischen Norden und Süden, zurückgehend auf die Zeit der Befreiung vom französischen Kolonialismus. Thomas Scheen schreibt in der FAZ über die Salafisten der Aqim, die aus einer algerischen Gruppe hervorgingen. Demnach bestand bis Ende 2011 ein Duldungsabkommen mit der Regierung in Mali, die an den Erpressungen aus Entführungen mitverdiente. Die Gruppe finanzierte sich auch durch Schmuggel und Drogenhandel. Der Westen befürchtet durch einen neuen Staat einen Rückzugsraum für die Al Qaida. Über die reellen Verhältnisse in Mali herrscht jedoch bislang Unklarheit.

Libyen unter der Lupe

Eine Bestandsaufnahme
Die zerstörte Stadt Sirte im Januar 2012
Die zerstörte Stadt Sirte im Januar 2012 Bild von EU Humanitarian Aid and Civil Protection

Joachim Guilliard schildert in einem ausführlichen Bericht die aktuelle Lage in dem nordafrikanischen Land. Sein Urteil fällt drastisch aus, aus mehreren Gründen:

Die Entwicklung in Libyen nach der »Befreiung« ist hier schon lange kein Thema mehr, steht nun doch mit Syrien der nächste Kandidat für einen »Regime Change« im Zentrum des Interesses. Ein Blick auf das heutige Libyen würde dabei nur stören, zeigte dieser doch – wie zuvor schon in Afghanistan und Irak – keinen positiven Wandel, sondern nur Zerstörung, Chaos, Willkür und Gewalt sowie die offensichtlichen wirtschaftlichen Interessen hinter dem Krieg.

Als Belege führt er zahlreiche durch internationale NGOs dokumentierte Menschenrechtsverletzungen an, zu denen auch Ermordungen und Folter zählen. Der Übergangsrat besitzt offenbar weder den Willen noch die Fähigkeiten, dem willkürlichen Treiben der Milizen ein Ende zu bereiten. Der Wiederaufbau des zerstörten Landes geht nur sehr schleppend voran, selbst dort, wo ausländische Konzerne ein vitales Interesse vertreten, etwa in der Ölindustrie. Ursachen dafür sind die angespannte Sicherheitslage, die unsichere politische Zukunft und bürokratische Hürden. Hinzu kommen noch Rivalitäten zwischen den einzelnen Regionen - besonders die ölreiche Ostprovinz um Bengasi verlangt mehr Autonomie. Ob der Krieg bzw. der Eingriff der NATO tatsächlich zu deren erfolgreichsten Einsätzen zählt, wie das Generalsekretär Rasmussen behauptete, bleibt noch immer zweifelhaft.

Imperialer Habitus

Eine neue Strategie für Deutschland in der Welt
Imperialer Habitus
Bild von stevecadman

Vor wenigen Tagen beschloss das Bundeskabinett eine Neuausrichtung bzw. Ergänzung der deutschen Außenpolitik. Neben den traditionellen Verbündeten in EU und NATO sollen verstärkt politisch und ökonomisch wichtige Schwellenländer in allen Erdteilen zur Zusammenarbeit gewonnen werden. Dazu gehören beispielsweise Indien, Brasilien und Südafrika, möglicherweise auch Mexiko und Indonesien. Das erklärte Ziel der Bemühungen ist es, Deutschlands Macht und Einfluss weltweit zu stärken:

Durch diese Partnerschaften wollen wir den Spielraum, die Reichweite und das Wirkungsvermögen unserer gemeinsamen, globalen Gestaltungskraft in einer multipolaren Welt erhalten und ausbauen.

Die Kooperationen sollen sich auf eine breite Palette von Bereichen erstrecken. Es geht etwa um den Aufbau von Netzwerken in Kultur und Wissenschaft, um die lokalen Eliten an Deutschland zu binden. Aber auch militärische und polizeiliche Projekte werden angedacht, beispielsweise die Entsendung von Militärberatern oder Waffenlieferungen. Die Strategie als Ganze ist dabei durchaus langfristig angelegt und soll offenbar Deutschland unabhängiger von den USA machen, zugleich auch nationale Alleingänge ohne die bisherigen Partner ermöglichen.

Ein trockener Konflikt

Die Ursachen der Eskalation in Mali sind nebulös
Tuareg in Mali
Tuareg in Mali Bild von BBC World Service

Der westafrikanische Staat Mali grenzt an sechs Staaten und erstreckt sich von Algerien im Norden bis an die Elfenbeinküste im Süden. Während die Hauptstadt im Süden am legendären Niger-Fluß in der Feuchtsavanne liegt, geht im Norden Trockensavanne in Wüste über. Dementsprechend lebt die Bevölkerung im Süden überwiegen seßhaft und im Norden nomadisch.

So vielfältig die Lebensweisen in dem Land sind, die sich ähnlich wie in den benachbarten Staaten an der Vegetation orientieren, so unterschiedlich ist die Darstellung des schwelenden Konflikts: So sollen Tuareg, die als Söldner für Gaddafi aus Libyen zurückkehrten, zunächst in Konflikt mit Al-Qaida-Gruppen und darauf mit der Regierung gekommen sein. Die Tuareg-Rebellengruppe MNLA bezichtigt die Regierung des Genozids. Diese wiederum beschuldigt dagegen die Befreiungsbewegung für Azawad (MNLA) und die maghrebinische Al-Qaida (AQME) eines gezielten Massakers an Regierungssoldaten. Was nun genau geschehen ist, wird man aus dem unwegsamen Land, in dem eine Nachricht schon mal Wochen braucht, kaum erfahren. Klar ist nur: Die Konflikteskalation nähert sich einem Bürgerkrieg, das benachbarte Burkina Faso soll vermitteln. Die Region ist nicht nur von zahlreichen inneren Konflikten, sondern auch von starker Dürre betroffen. Ob der Klimawandel den Konflikt anheizt ist unklar; Aufstände der Tuareg gab es bereits in vergangenen Jahrzehnten.

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