Presseschau Asien

»Gegen die natürlich Ordnung«?

Zu einer Gerichtsentscheidung in Indien

Das Oberste Gericht Indiens hat diese Woche eine heftig umstrittene Entscheidung eines untergeordneten Gerichts für ungültig erklärt. Dieses hatte 2009 das Verbot von Homosexualität für ungültig erklärt, da es mit dem Verfassungsgrundsatz der Gleichheit nicht vereinbar sei. Nun bleibt nur noch die Möglichkeit, auf parlamentarischem Wege das diskriminierende und mit harten Strafen bewehrte Gesetz abzuschaffen. Das aber ist unwahrscheinlich. Denn die konservative Hindu-Partei BJP befindet sich augenblicklich im Aufwind und setzt dadurch auch die liberalere Kongresspartei unter Druck, die aktuell die Regierung stellt. Eine offene Debatte über das Thema versucht die Kongresspartei daher möglichst zu verhindern.

Al-Jazeera von innen

Wie ein kritischer Sender sich wandelt

Al Jazeera galt viele Jahre als das journalistische Aushängeschild der arabischen Welt: Kritisch, unabhängig, professionell. Aktham Suliman, ehemaliger Mitarbeiter des Senders, ist vor einiger Zeit dort ausgestiegen, denn er beklagt die zunehmende Instrumentalisierung für politische Zwecke. Das zeige sich insbesondere im Zusammenhang mit dem arabischen Frühling, der nicht zuletzt durch Medien wie Al Jazeera beeinflusst worden sei. Ein Interview als Akt der Selbstreflexion über Ethik im Journalismus und die schleichende Korrumpierung durch Geld, Ruhm und Korpsgeist.

Der lachende Dritte

Syrien, die Kurden und die Türkei

Die Fronten im syrischen Bürgerkrieg werden immer unübersichtlicher. Auf der einen Seite stehen die Rebellen aus FSA und islamistischen Milizen, auf der anderen das alte Regime. Eine Sonderrolle spielen jedoch die im Norden des Landes wohnenden Kurden. Sie orientieren sich eher auf ihre Verwandten in Irak und Türkei, im Inland versuchen sie eine schwierige Gratwanderung, die ihnen das Misstrauen beider Kontrahenten einbringt. Langfristig könnten die kurdischen Gebiete einen relativ autonomen Teil des Landes bilden, wobei sie dann eng mit der türkischen Regierung kooperieren würden. Das mag auf den ersten Blick überraschen, werden doch die Kurden in der Türkei noch immer z. T. militärisch unterdrückt. Diese Annäherung würde aber nur eine vergleichbare Entwicklung der irakischen Kurden nachahmen. Denn die hängen mittlerweile vor allem wirtschaftlich am Tropf Ankaras. Ist also am Ende die Türkei machtpolitisch ein Profiteur der Selbstzerfleischung Syriens?

Krieg gegen die Menschenrechte

Eine Reportage über den Drohnenkrieg der USA
Krieg gegen die Menschenrechte
Bild von Britisches Verteidigungsministerium

In abgelegenen Stammesgebieten von Pakistan und im Jemen, dort wo die Weltöffentlichkeit kaum hinschaut und wenig Zugang hat, führen die USA einen geheimen Drohnenkrieg, dem mindestens 3000 Menschen zum Opfer gefallen sind. Ein Film von John Kantara befragt Zeugen, Opfer, Anwälte und Fachleute für Menschenrechte nach den Hintergründen. Nur 2 Prozent der Getöteten sind demnach hohe Kader von Al Qaida oder anderer radikaler Organisationen. Ob diese im Einzelnen einen Krieg gegen die USA führen, steht nicht immer fest, denn sie werden ohne Gerichtsbeschluß getötet, ohne Möglichkeit, sich zu verteidigen – die Beweise sind nicht öffentlich. Die Raketenangriffe treffen zumeist Unbeteiligte, Bauern und ihre Kinder werden terrorisiert. Die Attacken aus dem blauen Himmel sind rechtlich nicht gedeckt, so das Urteil zahlreicher Juristen für Völkerrecht. Die Waffen sind auch weniger präzise als dargestellt und basieren zudem oft auf Aussagen von Denunzianten, die gegen Bares ungeliebte Nachbarn loswerden können. Doch neben dem direkten Terror gegen die Zivilbevölkerung wird diese durch die Allgegenwart des Todes und der weithin sichtbaren Drohnen traumatisiert. Weiterlesen … »

Demokratischer Frühling am Bosporus?

Zur Lage in der Türkei

Ausgegangen sind die Proteste am zentralen Taksim-Platz in Istanbul. Befeuert durch das überaus harte Vorgehen der Polizei gegen ein Protestcamp breiteten sich die Demonstrationen binnen kurzem auf zahlreiche weitere Städte der Türkei aus. Offenbar geht es den Menschen dort um mehr als nur ein paar Parkschützer, es ist nicht nur ein S21-Protest à la turquoise.

Gerrit Wustmann sieht in den aktuellen Auseinandersetzungen den möglichen Beginn einer starken Zivilgesellschaft. Und damit einen Demokratisierungsschub für ein Land, das bislang zwar mit guten Wirtschaftsdaten aufwarten konnte, nicht aber mit einer wirklich umfassenden Selbstbestimmung:

Fehlende Mitspracherechte und Meinungsfreiheit, tiefe Eingriffe in das Alltagsleben der Menschen und weitreichende politische Entscheidungen, die über die Köpfe der Bevölkerung hinweg gefällt werden, haben in den letzten Jahren den Unmut der Menschen anwachsen lassen. Die türkische Demokratie beschränkt sich weitestgehend darauf, dass man am Wahltag ein Kreuzchen machen darf. In kaum einem Land sitzen so viele Journalisten im Gefängnis wie in der Türkei, kritische Medien gibt es fast nicht, Schriftsteller und Intellektuelle, die sich kritisch äußern, werden regelmäßig vor Gericht gezerrt.

Türkische Märchenstunde

Deutsche Bundesregierung schickt Truppen aufgrund von Propaganda
Kriegsnebel
Kriegsnebel Bild von Hovic

Als »Nebel des Krieges« wird der Schleier aus Lügen bezeichnet, der jeden Krieg umgibt wie Pulverdampf die Kanonen. Durch das Internet sind wir nicht zwangsläufig besser informiert, die Desinformation erreicht uns aber schneller. Steven Geyer und Frank Nordhausen hinterfragen in der Frankfurter Rundschau zwei Propagandalügen des Syrienkrieges. Aufgrund des vorgeblichen Abschußes eines türkischen Flugzeuges entsandte die Bundesregierung Patriot-Raketen in die Türkei. Doch nicht nur blieb umstritten, ob der Absturz auf syrischem Hoheitsgebiet begann. Vielmehr konnten »keine Spuren von Raketenbeschuss am Wrack des veralteten F4-Phantom-Jets« nachgewiesen werden. Auch beim jüngsten Attentat im türkischen Reyhanli nahe der syrischen Grenze stellen sich Fragen: So soll der türkische Geheimdienst MIT Warnungen ignoriert haben. Wie dem auch sei: Die deutschen Medien geben in der Mehrzahl ein schlechtes Bild im syrischen Bürgerkrieg ab, indem sie die Hintergründe ausblenden und sich vor den Karren einer Kriegspartei oder den Interessen der Regionalmächte spannen lassen.

Kein Abklingen

Der Atomunfall in Fukushima ist längst noch nicht im Griff
Die improvisierte Stromversorgung im AKW Fukushima I fiel bereits mehrfach aus
Die improvisierte Stromversorgung im AKW Fukushima I fiel bereits mehrfach aus Bild von Tepco

Über zwei Jahre ist seit Beginn der simultanen Katastrophen in Japan vergangen. Während die Trümmer der Tsnunamiwelle abgeräumt wurden, nahm die Kernschmelze ihren Lauf. Niemand weiß, wo im Containment sich die geschmolzenen Kerne befinden und in welchem Zustand sie sind. Zwar scheint die Kühlung zu funktionieren, doch der Kreislauf ist improvisiert und voller Lecks. Die größte Sorge gilt dem Abklingbecken des vierten Reaktorblocks, in dem unversiegelt verbrauchte Brennelemente lagern. Mehrmals fiel die Kühlung bereits aus, nach etwa sieben Tagen ohne Kühlung droht die Katastrophe. Das gleiche Szenario gilt für den befürchteten Einsturz des Beckens bei einem erneuten Beben – der Betreiber versuchte dieses zu stabilisieren. Die bereits freigesetze Strahlung bedroht die Bevölkerung, insbesondere bei vielen Kindern wurden Veränderungen an den Schilddrüsen sowie eine erhöhte Anzahl an Fehlgeburten in der Präfektur Fukushima festgestellt. Somit kann keine Rede davon sein, dass der Betreiber die Situation im Griff hat. Mißtrauen entsteht auch aus angeblich immer wieder ausfallenden Meßgeräten. Neben den bereits eingetretenen Folgen für Mensch und Umwelt ist auch ein umfassendere Katastrophe nicht ausgeschlossen.

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