Presseschau Deutschland

Geschichte wiederholt sich nicht?

Rechtsradikale und die deutsche Justiz
Geschichte wiederholt sich nicht?
Bild von D Petzold Photography

Heute ist er leider nur noch Historikern ein Begriff: Emil Julius Gumbel. Dabei war er einmal einer der meistgehassten Männer Deutschlands. In einer Zeit nämlich, als rechte Täter ihr Unwesen trieben gegen alles, was ihnen zu demokratisch, links oder jüdisch erschien. Akribisch trug der gelernte Statistiker umfangreiches Material zusammen über die Behandlung politisch motivierter Morde in den Anfangsjahren der Weimarer Republik durch die Justiz. Das Ergebnis: 354 Mörder von rechts gab es, davon wurden 326 nie bestraft; bei 22 entsprechenden Tätern von links nur vier. Und auch das Strafmaß fiel in beiden Kategorien völlig unterschiedlich aus. Die Auflistung blieb freilich ohne greifbares Ergebnis, Gumbel wurde ignoriert, angefeindet und sogar tätlich angegriffen. Während seine Gegner im Nationalsozialismus und danach eifrig Karriere machten, blieb er weitgehend im gesellschaftlichen Abseits.

Imperialer Habitus

Eine neue Strategie für Deutschland in der Welt
Imperialer Habitus
Bild von stevecadman

Vor wenigen Tagen beschloss das Bundeskabinett eine Neuausrichtung bzw. Ergänzung der deutschen Außenpolitik. Neben den traditionellen Verbündeten in EU und NATO sollen verstärkt politisch und ökonomisch wichtige Schwellenländer in allen Erdteilen zur Zusammenarbeit gewonnen werden. Dazu gehören beispielsweise Indien, Brasilien und Südafrika, möglicherweise auch Mexiko und Indonesien. Das erklärte Ziel der Bemühungen ist es, Deutschlands Macht und Einfluss weltweit zu stärken:

Durch diese Partnerschaften wollen wir den Spielraum, die Reichweite und das Wirkungsvermögen unserer gemeinsamen, globalen Gestaltungskraft in einer multipolaren Welt erhalten und ausbauen.

Die Kooperationen sollen sich auf eine breite Palette von Bereichen erstrecken. Es geht etwa um den Aufbau von Netzwerken in Kultur und Wissenschaft, um die lokalen Eliten an Deutschland zu binden. Aber auch militärische und polizeiliche Projekte werden angedacht, beispielsweise die Entsendung von Militärberatern oder Waffenlieferungen. Die Strategie als Ganze ist dabei durchaus langfristig angelegt und soll offenbar Deutschland unabhängiger von den USA machen, zugleich auch nationale Alleingänge ohne die bisherigen Partner ermöglichen.

Die brave Generation

Ergebnis einer Langzeitstudie
Die brave Generation
Bild von Dean McCoy

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung lässt in regelmäßigen Abständen Jugendliche nach ihrem Drogenkonsum befragen. Der aktuellen Studie zufolge zeichnet sich vor allem für die Generation der Teenager ein neuer Trend ab:

Zusammenfassend zeichnen sich seit 2001 bzw. 2004 bei den 12 bis 17-jährigen Jugendlichen substanzübergreifend, d.h. für Alkohol, Tabak und Cannabis, Konsumrückgänge ab. Bei den jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 25 Jahren fällt die Bilanz uneinheitlich aus.

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Gedankliche Dissonanz

Türkische Nationalisten in Deutschland

Rechtsradikalismus ist immer auch Ausdruck einer Gesellschaft, der es nicht gelingt, ausreichend integrativ zu wirken. Sei es nun sozial oder kulturell. Insofern mag es gar nicht so sehr erstaunen, dass in den letzten Jahren rechtsradikale Denkweisen auch unter türkischstämmigen Mitbürgern zunehmen, besonders bei Jugendlichen. Die nationalistische MHP bedient dabei ihre Klientel mit eher schlichten, emotionalen Botschaften.

Wie kann man Kurden und anderen Minderheiten in der Türkei kulturelle Selbstbestimmungs- und politische Partizipationsrechte verweigern wollen und diese gleichzeitig für einen selbst in Deutschland einklagen? Wie kann man sich gegen pauschale Verdächtigungen verwahren, wie die, dass alle Muslime Islamisten seien, und gleichzeitig alle Kurden zu Terroristen erklären?

Im Jobwunderland

Verfrühtes jubeln?
Im Jobwunderland

Kanzlerin Merkel ist sich mit ihren Ministern einig: In Deutschland findet gerade ein Jobwunder statt, die Lage ist rosig. Doch was versteckt sich hinter den Erfolgsmeldungen vom Arbeitsmarkt? Panorama stellt drei Menschen vor, die den Zahlen ein Gesicht geben. Eine Wissenschaftlerin, die sich von Befristung zu Befristung hangelt, ein scheinselbstständiger Bauarbeiter und ein Feinmechaniker in der Leiharbeit. Sie arbeiten unter unterschiedlichen Bedingungen, aber doch alle prekär. Eine langfristige Lebensplanung ist so nicht möglich. Ja, mehr noch: Krankheiten werden aus Angst vor Kündigung nicht behandelt, die Familie leidet mit. Dass die Bezahlung meist eher gering ist, versteht sich fast von selbst. Über acht Millionen untypische Beschäftigungen gibt es hierzulande, davon fast eine Million Leiharbeiter. Und die Tendenz steigt, denn rund 75 Prozent aller neuen Stellen werden in diesen Bereichen geschaffen.

Wenn die Vergangenheit auf der Stelle tritt

Ein Bericht zum Prozess gegen Verena Becker

Manuela Pfohl hat für den Stern den Prozess gegen Verena Becker am Stuttgarter Landgericht besucht. Herausgekommen ist ein jovialer und unterhaltsamer Bericht. Bei der Verhandlung erkennt die Autorin dagegen kaum Fortschritte. Das liegt auch an dem Mauern der Behörden, das Bundesinnenministerium blockiert auch heute noch die Freigabe der alten Akten. Die Zeugen sind dagegen weniger hilfreich:

Die damals Involvierten widersprechen sich. Manche erinnern sich nicht mehr. Eine Zeugin will partout nicht aussagen, ein anderer kann nicht, weil er inzwischen dement ist und ein dritter fällt ebenfalls aus, weil er bereits verstorben ist. Detailfragen werden gestellt, akribisch seziert und schließlich beantwortet, ohne dass für einen Außenstehenden ersichtlich wäre, wozu das Ganze führt.

Die Welt hat sich seit Prozessbeginn weiter gedreht, das öffentliche Interesse an dem Fall nimmt ab. Einmal mehr scheitert die Aufarbeitung der Vergangenheit der Bundesrepublik. Der Initiator des Prozesses, Michael Buback, protokolliert dennoch fleißig das Geschehen.

Stadtviertel im Visier

Massenhafte Datenspeicherung von Mobilfunk in Berlin
Stadtviertel im Visier
Bild von Alessandra Cimatti

Nachdem die sächsische Polizei in Dresden bei einer Gegendemonstration gegen einen Naziaufmarsch im Februar 2011 sämtliche Mobilfunkdaten eines Stadtviertels durch eine sog. »Funkzellenabfrage« gespeichert hat, ist nun auch in Berlin ein solcher Fall bekannt geworden. Im Bezirk Friedrichshain wurden auf Anfrage der Staatsanwaltschaft und auf richterliche Anordnung hin seit 2009 die Daten von mindestens 13 Funkzellen ausgewertet. Ziel der Fahndung waren die in Berlin grassierenden Autobrandstiftungen. Andre Meister zeigt auf Netzpolitik den Umfang der Fahndung auf und stellt die Frage nach der Verhältnismäßigkeit. Denn die massenhafte Speicherung von Daten werde mit Terrorismus und schweren Straftaten begründet. Dies öffnet jedoch ein weites Fenster je nach Definition. Das Ausmaß der Datenerfassung bleibt bislang ungeklärt. Weiterlesen … »

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