Presseschau Südosteuropa

Tote Zeugen

Die Europäische Union scheitert am Aufbau eines Rechtsstaats im Kosovo
Zigarettenschmuggel im Kosovo
Zigarettenschmuggel im Kosovo Bild von blandm

Kaum jemand würde den Kosovo als funktionierenden Rechtstaat bezeichnen. Die organisierte Kriminalität ist nach der Ausrufung der Unabhängigkeit 2008 nach wie vor ein wichtiger Wirtschaftszweig. Dazu zählt der Schmuggel von Drogen und Zigaretten in die EU. Die regierende Demokratische Partei (PDK) des Premierministers Hashim Thaçi wird immer wieder in Verbindung mit kriminellen Geschäften gebracht. Daneben werden Politiker der Partei, die die politische Nachfolgeorganisation der Rebellenarmee UÇK ist, Kriegsverbrechen vorgeworfen. Doch der ehemalige Premier Ramush Haradinaj musste bei einem Kriegsverbrecherprozess in Den Haag freigesprochen werden, weil von zehn Zeugen nur noch einer lebte. Ein geheimes Papier des Bundesnachrichtendienst sah ihn zudem in Drogen- und Waffengeschäfte verwickelt.

Daher weist eine Reportage von Frontal21 auf die wichtige Rolle des Zeugenschutzprogrammes der Europäischen Rechtsstaatlichkeitsmission EULEX hin. Doch das Programm schützt und betreut seine Klienten nur mangelhaft. Ein Zeuge wurde in einem Park in Duisburg erhängt aufgefunden, nachdem er sich über das Programm beschwerte. Der ZDF-Bericht beklagt somit den mangelnden Willen der Schutzmächte, im Kosovo mit der Vergangenheit aufzuräumen und für rechtsstaatliche Verhältnisse zu sorgen.

Leben im Elend

Roma kommen aus Südosteuropa nach Deutschland – und landen in der Prostitution
Siedlung in Bulgarien
Siedlung in Bulgarien Bild von Michi

Roma haben in Südosteuropa einen schweren Stand – viele verloren nach Ende des Kommunismus ihre Arbeit und leben am gesellschaftlichen Rand. Daher kommen viele in der Hoffnung auf Arbeit in den Westen. Aber auch in Deutschland dürfen sie nur als Selbstständige arbeiten. Edeltraud Remmel und Esat Mogul zeigen in einer Dokumentation, wie viele Frauen daher in die Prostitution rutschen und auch in Deutschland – hier in Dortmund – in völligem Elend leben. Weder in Bulgarien noch in Deutschland bestehen ausreichende Ansätze, diese Minderheit zu integrieren und Perspektiven aufzuzeigen. Insofern sehen die Autoren darin ein europäisches Problem. In Bulgarien geraten die Roma in ihrer Siedlung gar unter Druck durch Anschläge von Rechtsradikalen.

Weiblicher Sextourismus

Wer ist hier das Opfer?
Weiblicher Sextourismus
Bild von robstephaustralia

Die Stories klingen sehr pauschal und strotzen nur so vor Klischees: Hier die ahnungslose Touristin, die an die romantische Liebe glaubt, dort der exotische Strandbeau, der sie gnadenlos ausnutzt. »Bezness«, eine arabisierte Variation von Business, hat sich für das Phänomen mittlerweile eingebürgert. Laut Bild der Frau betraf das allein in diesem Jahr 5.000 deutsche Urlauberinnen, vor allem in der Türkei, in Tunesien, Marokko oder Kenia. Grund genug für das Blatt, zwei Undercover-Journalistinnen vor Ort recherchieren zu lassen. Herausgekommen sind eindeutige Frontlinien, die Rede ist von »Liebes-Mafia« und »Gefühls-Gangstern«.

Die taz gibt sich da weit weniger aufgeregt. Für sie ist Bezness vor allem Ausdruck des Wohlstandsgefälles zwischen Nord und Süd. Vielleicht steckt hinter der vorgeblichen naiven Romantik aber auch ein uneingestandenes Kalkül: Einmal aus dem grauen Alltag ausbrechen, Erotik und Bauchkribbeln für zwei Wochen – wahrhaft all inclusive sozusagen. Oder welche Frau meint ernsthaft, ein zwanzig Jahre jüngerer Beachboy erkennt in ihr die große Liebe, jenseits aller kulturellen und ökonomischen Barrieren?

Eine lange Geschichte

Schulden als Hebel der Umverteilung
Oligarchie oder Demokratie?
Oligarchie oder Demokratie? Bild von CmdrCord

Der Ökonom Michael Hudson beschreibt die Geschichte der Staatsschulden seit ihren Anfängen bei den Sumerern über die Antike und Frühe Neuzeit bis heute. Immer wieder stösst er dabei auf Konflikte zwischen Gläubigern und der breiten Masse der Bevölkerung. Der Staat nimmt dabei je nach Machtverteilung eine bestimmte Rolle ein. Mal dient er einer kleinen Oligarchie als Mittel zur Eintreibung ihrer Gelder, mal verfügt er einen allgemeinen Schuldenerlass zugunsten der Vielen. Heute wäre es seine Aufgabe, entweder letzteres durchzuführen oder zumindest über eine angemessene Besteuerung einen Teil der Vermögen wieder der Allgemeinheit zuzuführen.

Es gehört seit der Antike zu den geschichtlichen Konstanten, dass die Interessen von Gläubigern in Widerspruch zu denen der Demokratie wie auch des Königtums gerieten, die in der Lage gewesen wären, der finanziellen Eroberung der Gesellschaft und einer nahezu autonomen Dynamik Grenzen zu setzen, welche den ökonomischen Überschuss in zinstragende Schuldtitel verwandelte.

Aus Fehlern lernen?

Ein Vergleich zwischen 1931 und 2011
Aus Fehlern lernen?
Bild von Images_of_Money

Fabian Lindner weist auf einige bemerkenswerte Parallelen der aktuellen Situation mit der Weltwirtschaftskrise hin. Nur die Rollen sind anders verteilt. Hier das im Ausland überschuldete, von Sparprogrammen drangsalierte Griechenland, dort der uneinsichtige Gläubiger Deutschland, der weder genug Geld zur Verfügung stellt, noch den Griechen eine Erwirtschaftung der notwendigen Erlöse ermöglicht. 1931 war Deutschland dieser Schuldner und die USA sorgten mit ihrer fatalen Politik für eine Verschärfung der Krise. Das Resultat war nicht nur großes Elend und Massenarbeitslosigkeit, sondern auch der kometenhafte Aufstieg der vermeintlichen Heilsbringer von rechts.

Man mag über manche Details streiten, etwa darüber, ob die Deflationspolitik des Reichskanzlers Brüning damals tatsächlich alternativlos war. Ein historischer Vergleich bietet sich dennoch an – und sensibilisiert für die möglicherweise katastrophalen Folgen, wenn die aktuelle politische Linie der Bundesregierung beibehalten wird. Ein Umdenken scheint unausweichlich.

Insolvenzverschleppung?

Banken profitieren von griechischen Hilfspaketen

Seit zwei Jahren müht sich die Politik um eine Rettung Griechenlands vor der Staatspleite. Die Banken – vorneweg Josef Ackermann – warnten immer wieder vor den gewaltigen Risiken, wenn Hilfen ausbleiben sollten. Eine Kettenreaktion von unabsehbaren Ausmaßen sei die Folge.

Gleichzeitig profitieren eben diese Banken aber selbst von den staatlichen Hilfen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil sie in der Zwischenzeit etliche Schrottanleihen an die Steuerzahler weiterreichen konnten. Und das, obwohl sie sich ausdrücklich und freiwillig zum Gegenteil verpflichteten.

Neo-Osmanen?

Die Außenpolitik der Türkei

In der jüngsten Vergangenheit hat sich die Türkei immer wieder durch diplomatische Offensiven hervorgetan. Sei es durch scharfe Kritik an Israel, durch die Einflussnahme auf den arabischen Frühling – oder durch Ansprüche auf die Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer. Murat Çakr sieht dahinter Verschiebungen im Dreieck Ankara-Tel Aviv-Washington.

So wolle sich die Türkei als neue Regionalmacht etablieren; eine Konfrontation mit dem langjährigen Verbündeten Israel diene dabei der Imagepflege in den arabischen Staaten. Andererseits manövriere sich die Regierung Netanjahu durch ihre harte Linie gegenüber den Palästinensern zunehmend ins Abseits.

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