Presseschau Vorderasien

Europa beginnt jetzt in Griechenland

Eine Dokumentation über Migration von der Türkei nach Griechenland
Europa beginnt jetzt in Griechenland
Bild von Cihan Arabul

Die Routen der illegalen Migration nach Europa haben sich in den vergangenen Jahren verändert. Liefen die Wanderungsströme lange Zeit über das Mittelmeer, versuchen die Flüchtlinge und Migranten aus Ghana, Ruanda oder Afghanistan nun über die Landgrenze von der Türkei nach Griechenland zu gelangen. Viele ertrinken bei der Durchquerung des Grenzflusses Evros. Andere bleiben unterwegs hängen und arbeiten als Schleuser oder versuchen sich anderweitig durchzuschlagen. Andreas Morell schildert in WDR die story die unterschiedlichen Perspektiven der Migranten, der Grenzschützer und der Bewohner der Grenzdörfer. Die Schwierigkeiten und das Elend werden sichtbar, zugleich aber auch, daß kein Grenzzaun die Wanderungsbewegung aufhalten kann.

Das Ende der atlantischen Dominanz

Kalter Krieger plädiert für Bündnis mit dem einstigen Gegner
Platz für neue Spieler
Platz für neue Spieler Bild von angelocesare

Die Epoche der transatlantischen Dominanz ist vorüber. Angefangen von den Kolonialmächten der Renaissance bis zur Supermacht USA waren diese tonangebend in der Weltpolitik. Das Erscheinen neuer Akteure beim Ringen um Macht und Einfluß, wie Indien oder China, verändert die Lage auf dem »großen Schachbrett«. Welchen Einfluß diese Verschiebung auf das Denken des Zbigniew Brzezinski ausübt, untersucht Hauke Ritz in den Blättern für deutsche und internationale Politik. Brzezinski erscheint hier als moderner Königsberater, der für mehrere Präsidenten als Sicherheitsberater die amerikanischen Linien des Kalten Krieges vorgab. Er sieht sich als Architekt der sowjetischen Invasion in Afghanistan – eine Falle, die zum Zusammenbruch des Imperiums beitrug und zugleich unzählige Menschen das Leben kostete. Forderte der Sicherheitsberater in den 90er Jahren noch eine Neuauflage der amerikanischen Dominanz und zerstritt sich darüber mit den Neokonservativen ob deren Invasionsstrategie, plädiert er nun für eine Abkehr von der Feindschaft zu Russland. Denn nur durch einen Ausgleich mit dem einstigen Gegner und einer Integration der Türkei in den Westen ließe sich dem wachsenden Einfluß aufstrebender Staaten begegnen. Die USA seien in einer vergleichbaren Situation wie die späte Sowjetunion: »Ein festgefahrenes und reformunfähiges politisches System.« Dies werde durch das Unwissen breiter Bevölkerungsschichten über Weltpolitik begünstigt. Die grundlegende Veränderung der geopolitischen Landkarte hat aber auch Einfluß auf kleinere Staaten, die sich in Zukunft weniger stark am Westen orientieren werden.

Perspektivlose Gewaltspirale

Der syrische Bürgerkrieg zeigt keine Friedensperspektive auf

Die Lage spitzt sich in Syrien seit Monaten dramatisch zu. So detonierten selbst in der Hauptstadt Damaskus Bomben, die von Unbekannten gelegt wurden. Auch der Hergang des jüngsten Massakers an der Zivilbevölkerung in dem Ort Houla, der nahe den Protesthochburgen Hama und Homs liegt, ist bislang ungeklärt. Dennoch haben mehrere europäische Staaten die syrischen Botschafter ausgewiesen. Im Gegensatz zu vorherigen Ereignissen, wie den Kämpfen in dem Stadtviertel Baba Amr, wird dieser Vorfall von der Beobachtermission der UNO geprüft, welche auf Basis einer Resolution Ende April entsandt wurde – doch bislang liegt kein Bericht vor. Russland warnt vor einer vorschnellen Beurteilung ohne eingehende Untersuchung und mahnt eine enge Zusammenarbeit der internationalen Gemeinschaft zur Befriedung des Konfliktes an. Weiterlesen … »

Gespaltene Sicht

Der Streit um das iranische Nuklearprogramm
Der Iran droht im Konfliktfall die Straße von Hornus zu blockieren
Der Iran droht im Konfliktfall die Straße von Hornus zu blockieren Bild von eutrophication&hypoxia

Plant der Iran eine Atombombe? Diese Frage ist heftig umstritten, bislang wurden lediglich Indizen, jedoch keine Belege für ein Atombombenprogramm angeführt. Gilles Cayatte zeigt den Kalten Krieg zwischen dem Westen und dem Iran um dessen Atomprogramm, dessen Anfänge in der Zeit vor der Islamischen Revolution liegen. In einer Art Katz-und-Mausspiel versucht die iranische Regierung, die strengen Sanktionen über Mittelländer zu umgehen. Dabei bleibt unklar, ob die eingeführten Teile für zivilie oder militärische Zwecke genutzt werden. Dem etwas reißerischen Titel »Die Bombe um jeden Preis« wird der Film nicht gerecht, denn es wird nicht ersichtlich, daß der Staat am Persischen Golf diese tatsächlich anstrebt. Interessant sind jedoch die Stimmen von Beobachtern und Beteiligten. So wird deutlich, daß der Westen eine iranische Bombe im Zweifel kaum verhindern kann, auch wenn dies durch Sanktionen und Anschläge auf Wissenschaftler versucht wird. Dabei erscheint eine Bedrohung des Atomwaffenstaates Israel keineswegs als gravierenste Auswirkung dieses Szenarios. Vielmehr besteht die Bedrohung im Wettrüsten in Vorderasien. Wenn der Iran die Bombe will, so könnten auch die Türkei, Saudi-Arabien und Ägypten dies anstreben. Beim konventionellen Militär ist diese Rüstungsspirale schon längst im Gange.

Bodycount

Die Opfer des »Krieges gegen den Terror«
US-Soldat im Irak 2007
US-Soldat im Irak 2007 Bild von The U.S. Army

Im Jahr 2007 schätzten US-Amerikaner in einer Umfrage die Anzahl der Todesopfer des Irakkrieges auf unter 10.000. Und das trotz jahrelanger intensiver Berichterstattung über die Kampfhandlungen und deren Folgen auch für die Zivilbevölkerung. Die tatsächliche Zahl liegt nach fundierten Schätzungen bei etwa 1,5 Millionen. In Pakistan und Afghanistan sind es erheblich weniger. Natürlich kennt das exakte Ausmaß niemand, aber es gibt doch eine Reihe von Methoden, hier zumindest plausible Zahlen zu ermitteln. Häufig sind die in der Öffentlichkeit genannten allerdings deutlich zu niedrig angesetzt. Weil in Ländern mit zerstörter Infrastruktur kaum zuverlässige und umfassende Informationen zu bekommen sind, oder weil es politisch so gewollt ist.

Man mag es zynisch finden, sich dem Kriegsgeschehen über solche nackten Zahlen zu nähern. Aber sie zeigen doch eines sehr deutlich: Der Krieg gegen den Terror hat nicht Gewalt verhindert, sondern potenziert. Und das in einem Ausmaß, das schockiert. Gerade vor dem Hintergrund aktueller Interventionen wie in Libyen und Somalia oder eventuell bevorstehender wie in Syrien sollte das zu denken geben.

Doppeltes Spiel

Der Golfstaat Katar unterstützt Aufstände – aber nicht in der eigenen Region
Der Scheich und seine Tochter zu Gast in Damaskus (2008)
Der Scheich und seine Tochter zu Gast in Damaskus (2008) Bild von Ammar Abd Rabbo

Das Scheichtum Katar liegt auf einer Halbinsel im arabischen Golf. Erdgas und Erdöl haben das Land zu Reichtum geführt, mit dem der Monarch Hamad bin Chalifa Al-Thani große Politik betreibt. Denn er hat die Bedeutung der weichen Macht erkannt, also nicht den Einsatz militärischer Mittel, sondern der Medien und diplomatischer Beziehungen. In dieser Funktion sticht der Sender Al-Jazeera hervor, der einen linksliberalen englischen und einen islamisch orientierten arabischen Kanal betreibt. Der Sender galt während der Aufstände im arabischen Raum als sachlicher Beobachter des turbulenten Geschehens. Doch eine Reportage von Stephanie Doetzer im Deutschlandfunk läßt die politische Rolle als Propagandainstrument des Scheichs erkennnen. Denn dieser verfolgt ein doppeltes Spiel: In Libyen und Syrien unterstützt Katar revolutionäre Kräfte mit seiner Medienmacht – aber auch mit Waffen. Zugleich wird die Opposition in den Monarchien auf der arabischen Halbinsel unterdrückt, ohne daß Al-Jazeera entsprechend darüber berichtet.

Katar ist das Hauptquartier der amerikanischen Truppen in der Region, zugleich dürfen aber die Hamas und mittlerweile auch die Taliban Präsenz zeigen. Diese Gratwanderung führt zu Widerspruch in dem Land. Bereits vor zwei Monaten stellte Nora Müller in der Süddeutschen Zeitung dar, daß die Doppelstrategie ein Konzept des Golf-Kooperationsrates und somit aller Golf-Monarchien ist: »zu Hause Restauration, draußen (ein wenig) Revolution«.
 

In der Gewaltspirale

Eine Ende des syrischen Bürgerkriegs ist nicht absehbar
In der Gewaltspirale
Bild von quantestorie

Seit einem Jahr brodelt der innere Konflikt in Syrien: Die Auseinandersetzungen sind längst zu einem Bürgerkrieg angewachsen, doch zugleich tobt eine Propagandaschlacht. Eine klare Bewertung ist daher schwierig. Die Opposition teilt sich in den Syrischen Nationalrat in Istanbul, der von verschiedenen Staaten unterstützt wird, und dem Nationalen Koordinationskomitee für Demokratischen Wandel, der in Syrien einen Wandel im Dialog mit der Regierung anstrebt. Während die Mehrheit der deutschen Medien die Sichtweise vertritt, daß die massive Gewalt der syrischen Regierung gegen die Proteste mit allen Mitteln gestoppt werden soll, gibt es auch gegenläufige Stimmen. So betonte Karin Leukefeld im Interview die widerstrebenden Stimmen der syrischen Opposition; Jürgen Todenhöfer wies dagegen auf die breite Unterstützung der Regierung in Teilen der Bevölkerung neben deren Gegnern hin und fordert ein differenzierteres Bild. Sowohl Todenhöfer als auch Leukefeld stehen mit ihrer Sichtweise in der Kritik als Unterstützer der Assad-Regierung. Weiterlesen … »

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