Magazin Beitrag

Vom Saulus zum Paulus und zurück

Zu Gaddafis Tod
Bild aus der Vergangenheit
Bild aus der Vergangenheit Bild von 10b travelling

Noch sind die Meldungen über Gaddafis Tod nicht sicher bestätigt. Aber auch wenn das nicht zutreffen sollte, eines ist ohnehin klar: Eine Rückkehr an die Macht wird es sicher nicht geben. Grund genug also, eine Bilanz zu ziehen. Dabei soll es nicht nur um eine differenzierte Bewertung seiner Politik gehen, sondern auch um die widerspruchsvolle Beziehung zum Westen.

Yassin Musharbash nennt ihn „einen Diktator und zugleich seinen eigenen Hofnarr“. Das mag durchaus zutreffend sein. Immer wieder stellte Gaddafi in den vergangenen 42 Jahren seiner Herrschaft einen skurillen Hang zur Exzentrik unter Beweis. Eingekleidet in maßgeschneiderte Operettenuniformen Pariser Couturiers scheute er auch vor starken Worten und provokanten Posen nicht zurück. Es wäre aber sicher zu kurz gegriffen, wenn man in ihm nur den Despoten und Clown sehen wollte.

Ein widersprüchliches Bild

Schließlich hat er auch durchaus berechtigte Anliegen formuliert. Vor allem, wenn es gegen neokoloniale Ambitionen des Westens ging. Dabei beließ er es nicht bei Appellen. Anfangs setzte er auf eine panarabische Einigung, später hat er die Gründung der Afrikanischen Union maßgeblich angestoßen und auch finanziert. Das konnte er auch dank der sprudelnden Öleinnahmen tun, ebenso wie die Unterstützung zahlreicher Entwicklungsprojekte in anderen Ländern des Kontinents. Nicht ganz zu Unrecht genoß er lange Jahre eine enorme Popularität in Libyen und im Ausland. Der Lebensstandard seiner Landsleute gehörte jedenfalls zu den höchsten in Afrika. Dieser Beliebtheit tat es auch keinen Abbruch, dass er über viele Jahre militärisch im Tschad intervenierte; dieser Konflikt endete dann mit einer Niederlage Libyens.

Im Westen galt er geradezu als Paradebeispiel eines finsteren Despoten, der sein Volk knechtet und den internationalen Terrorismus unterstützt – man denke an die Anschläge auf die PanAm-Maschine über Lockerbie oder den Berliner Club „La Belle“. Wahrscheinlich hat er auch die IRA und die RAF gefördert. 1986 eskalierte die Lage, als die USA – völkerrechtswidrig – Libyen aus der Luft bombardierten. Vorausgegangen war eine längere und ebenfalls bewaffnete Auseinandersetzung um die Hoheitsrechte in küstennahen Gewässern vor Libyen.

Der Hintergrund dieser Konflikte war wohl auch, dass sich Libyen in den 70er Jahren immer mehr der Sowjetunion annäherte und die Erdölindustrie verstaatlichte. Offiziell hatten die sog. Volkskomitees und Volkskongresse die Schlüsselstellung im politischen System inne. Faktisch regierte aber auch nach seinem Rücktritt von allen Staatsämtern nur einer: „Revolutionsführer“ Muammar al-Gaddafi.

Die erste Wende

Nach dem 11. September 2001 kam dann die Wende: Gaddafi kam dem Westen weit entgegen. Vor allem wohl, um nicht selbst zum Ziel im „war on terror“ zu werden. In den folgenden Jahren florierten die Geschäfte prächtig, insbesondere Italien und Deutschland hofierten das Land wegen seiner Ölvorkommen: Der Oberst hatte sich vom Saulus zum Paulus entwickelt. Politiker aus Europa gaben sich in Tripolis förmlich die Klinke in die Hand, um ihre neue Freundschaft zu bekunden. Auch Gerhard Schröder saß in Gaddafis berühmtem Beduinenzelt.

Nun war seine Vergangenheit als Terrorpate offenbar kein Problem mehr. Genausowenig wie die Tatsache, dass er gegen inländische Kritiker weiter unerbittlich vorging. Wie viele Oppositionelle seinem Regime zum Opfer fielen, ist nicht bekannt. Mit Sicherheit geht die Zahl aber in die Tausende. Seine „Volksgerichtshöfe“ waren jedenfalls bekannt für ihre unfairen Prozesse, oft hatten Angeklagte weder Anwälte noch bekamen sie Einsicht in die Akten.

Als dann die Volksaufstände in Tunesien, Ägypten und anderswo im Nahen Osten ausbrachen, war Gaddafis Ende noch keineswegs absehbar. Anders als in den Nachbarländern ging Gaddafis Armee aber sofort und mit großer Härte gegen die Demonstrationen vor. Es zeigte sich bald, dass sich vor allem im Osten des Landes ein gewaltiges Konfliktpotenzial angesammelt hatte. Das lag zum Teil auch daran, dass der Diktator die westlichen Stämme bei seiner Postenvergabe und wirtschaftlichen Projekten meist bevorzugt hatte. Binnen kurzem hatte das Militär die Kontrolle über viele Städte verloren; es war aber absehbar, dass die Rebellen alleine nicht stark genug waren, um das Regime zu stürzen.

In dieser Situation drängten vor allem Frankreich und Großbritannien auf eine Intervention der NATO zugunsten des Aufstandes. Die USA und einige andere schlossen sich an, andere – wie Deutschland, aber auch Rußland und China – sprachen sich dagegen aus. Westerwelles Haltung war den ganzen Konflikt über alles andere als souverän: Zwar war er gegen eine deutsche Beteiligung, hieß den Angriff dennoch gut – und, nach dem Sieg der Rebellen reklamierte er einen guten Teil des Erfolges für sich. Das war bestenfalls peinlich; mindestens genauso fragwürdig war freilich, dass unter der Hand, ohne Wissen und Mandat des Bundestags deutsche Soldaten an der Operation beteiligt waren.

Abgang und Ausblick

Aber zurück zu Gaddafi. Auch in diesem letzten Kampf ist er sich treu geblieben. In ausfälligster Weise beschimpfte er die Rebellen als „Ratten“, die man jagen und vernichten müsse. Statt Zugeständnisse zu machen, Reformen einzuleiten oder gar die Macht zu teilen, wollte er den bedingungslosen Sieg. Hätte der Westen nicht eingegriffen, wäre es wahrscheinlich auch dazu gekommen. Der kompromisslose Einsatz der Armee kostete den „Oberst“ also letztlich nicht die Macht und auch das Leben. Und nicht nur das: Schätzungen zufolge starben während der monatelangen Kämpfe etwa 30.000 Menschen. Von den Zerstörungen in den Städten und der kaputten Infrastruktur ganz zu schweigen. Hinzu kommt, dass die neuen Machthaber mit einer schweren Hypothek belastet sind: Der Westen wird sich, aller Freiheitsrhetorik zum Trotz, seine Hilfe teuer bezahlen lassen.

Die Jahrzehnte von Gaddafis despotischer Herrschaft haben auch politisch ein Vakuum hinterlassen, das nur langsam gefüllt werden kann. Nicht von ungefähr sind viele Köpfe des Übergangsrates und der Rebellenarmee ehemalige Mitstreiter von ihm. Daneben spielen auch Exilanten und nicht zuletzt auch Islamisten eine Rolle. Wer sich am Ende durchsetzt, und mit welchem Programm, ist noch weitgehend unklar. Die Aussichten für eine wirklich umfassende Demokratisierung sind jedenfalls alles andere als günstig. Der Schatten des toten Führers wird noch lange auf dem Land lasten.

Kommentare

Auf die Propaganda reingefallen

Die Luftangriffe auf »Demonstrationen« hat es nie gegeben.
Lockerbie wurde nicht von Libyen beauftragt.
Hast Du irgendwelche Belege für die Anschuldigungen gegen Gadaffi?

Naja, nen bisschen recherchieren, und dann nochmal versuchen.

Bild des Benutzers Axel Weipert

So, so

Nun, zunächst mal hat ein schottisches Gericht das so festgestellt, auch wenn das kein endgültiges Urteil bleiben muss. Außerdem hat der libysche Staat - noch unter Gaddafi - weit über 2 Mrd Dollar an Entschädigungen für die Familien der Opfer angeboten. Warum? Nur aus politischem Kalkül?

Von »Luftangriffen auf Demonstranten« habe ich übrigens überhaupt nichts geschrieben. Dass gegen die Demonstranten mit Waffengewalt vorgegangen wurde, bestreitet auch eigentlich niemand. Ob das als Rechtfertigung für einen großangelegten NATO-Einsatz mit dem offenkundigen Ziel eines Regimesturzes ausreicht, bleibt dahingestellt.

schau mal

http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/international/verschwoerung_gegen_einen_libyer_1.572509.html

und es gibt auch noch die Aufdeckung von gekauften Zeugenaussagen.

wenn ich zeit hab werd ich mal mehr links aufzeigen.

lg

p.s. und es war mehr das Ergebnis einer Erpressung als politisches Kalkül