Magazin Beitrag

Griechen am Pranger

Wer zahlt am Ende wirklich?

In den letzten Tagen schlugen Berichte hohe Wellen, nach denen Griechenland aus der gemeinsamen europäischen Währung austreten könnte. Das geschieht vor dem Hintergrund einer explodierenden Staatsschuld und einer anhaltenden Rezession in Hellas. 2009 lag das Defizit bei ca. 15 und im vergangenen Jahr bei gut 10 Prozent. Ein Hilfspaket von 110 Mrd. Euro im letzten Jahr hat die Lage nicht stabilisieren können – genausowenig wie drastische Sparmaßnahmen und wie vorraussichtlich auch die geplanten Privatisierungen mit einem Volumen von etwa 50 Mrd. Euro.

Nun haben sich die Finanzminister ausgewählter Länder – nämlich die wirtschaftlich besonders stabilen um Deutschland, Frankreich und die Niederlande – bei einem reichlich ominösen Treffen in Luxemburg über ein gemeinsames Vorgehen in dem Fall abgestimmt. Vor allem Deutschland ist offenbar daran interessiert, Griechenland im Euroraum zu halten. Der mutmaßliche Grund: Deutsche Privat- und Staatsbanken sind mit umfangreichen Krediten engagiert. Und die wären bei einer Umstellung auf die Drachme und einer unweigerlich folgenden Abwertung massiv gefährdet.

Man kann es drehen, wie man will: Irgendwer muss am Ende die Zeche der griechischen Krise bezahlen. Das sind heute schon die Griechen selbst, indem ihr Staat die Sparschrauben heftig angezogen hat. Ob das ein Ausweg ist, darf stark bezweifelt werden, schließlich wurde die ohnehin schwächelnde Konjunktur komplett abgewürgt, um über fünf Prozent ging das BIP letztes Jahr zurück. Auch die anstehenden Erlöse der Privatisierungen sind kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, werden aber langfristig die Handlungsfähigkeit des Staates deutlich einschränken.

Dass die EZB und der IWF dem Land mit kräftigen Finanzspritzen unter die Arme griffen, ist zunächst einmal positiv zu bewerten. Nur war erstens da das ganze Ausmaß der Krise noch nicht abzusehen und die Rettungsaktion deshalb nicht ausreichend. Zudem war sie an harte Bedingungen geknüpft, die aus dem überlebten Arsenal neoliberaler Ansätze stammen – eben sparen und privatisieren.

Nun ist die Frage zu stellen, ob nicht auch die Gläubiger ihren Teil beitragen sollten. Der Weg dafür ist klar: Eine Umschuldung, an deren Ende nicht nur eine Laufzeitverlängerung der Kredite bei gesenktem Zinssatz stehen sollte, sondern auch die Verringerung der Gesamtlast. Das beträfe dann nämlich nicht nur den europäischen Steuerzahler, sondern auch private Anleger. Ob sich das politisch durchsetzen lässt, bleibt natürlich abzuwarten. Jedenfalls weist der Luxemburger Klüngel vom Freitag nicht gerade in diese Richtung. Und das scheint besonders bedenklich zu sein: Hier geht es keineswegs mehr um ein abgestimmtes Vorgehen aller Euroländer, sondern offenbar nur noch darum, wie die Starken den Schwachen ihren Willen aufzwingen können. Falls es noch eines Beweises bedurft hätte, dass die Sonntagsreden über ein gemeinsames Europa wenig mit den knallharten Interessen der Beteiligten zu tun haben: Voilà!

Und davon mal abgesehen: Wir wollen bei der ganzen Aufregung nicht vergessen, dass Deutschland bisher der größte Profiteur des Euros war und wohl auch in Zukunft bleiben wird. So stiegen die Exporte in andere Länder der Währungsunion zwischen 1999 und 2007 um durchschnittlich 7,5 Prozent jährlich und damit deutlich stärker als im Jahrzehnt zuvor. Auch das Saldo aus Verkäufen und Importen entwickelte sich zu einem immer satteren Überschuss.

Die nachgerade hysterische Hetze des Boulevards gegen »faule Griechen«, die uns über Nettozahlungen an den EU-Haushalt und jetzt auch noch die Rettungsmaßnahmen das schwer verdiente Geld aus der Tasche ziehen, entbehrt also nüchtern betrachtet jeder Grundlage. Denn erstens kauften sie jahrelang brav unsere Waren – übrigens auch selbst in der Krise noch deutsche Militär-Uboote. Die hochmodernen Brennstoffzellen-Boote kosten nicht nur mehrere Milliarden; auf deutschen Druck hin weitete die griechische Marine den Auftrag sogar aus. Anscheinend als Gegenleistung für das Rettungspaket 2010. Zweitens könnten im günstigsten Fall sogar die aktuellen Hilfen durchaus Profit abwerfen: Denn diese Kredite bezahlt Griechenland mit 5 Prozent Zins, der deutsche Finanzminister muss aber für seine Anleihen nur etwa 2 Prozent hinlegen. Freilich funktioniert dieses Geschäft nur unter der Voraussetzung, dass irgendwann das Geld auch zurückgezahlt werden kann.

Aber noch einmal: Selbst wenn das nicht der Fall sein sollte, sind die wirtschaftlichen Vorteile des Euros für die hiesige Ökonomie kaum zu überschätzen. Letztlich ist genau dieses Ungleichgewicht in punkto Wettbewerbsfähigkeit eine der zentralen Ursachen der momentanen Krise im Süden Europas. Eine dauerhafte Stabilisierung dieser Länder ist deshalb nur denkbar, wenn hier eine für alle Seiten akzeptable Lösung gefunden wird. Erforderlich wäre also zunächst einmal, die deutsche Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre zu überdenken: Ist es wirklich der Weisheit letzter Schluss, ausschließlich auf den Export zu vertrauen, gleichzeitig die Löhne real stagnieren zu lassen und so den Binnenmarkt mattzusetzen? Langfristig können andere nämlich unsere Waren nur bezahlen, wenn auch sie verkaufen. Genau diese im Grunde simple Tatsache wurde aber sträflich vernachlässigt. Die Zeche ist jetzt zu zahlen. Fragt sich nur, von wem.

Kommentare

Was für eine dürftige Pseudoanalyse...

Hier finden Sie eine deutlich bessere Darstellung der Gesamtthematik: http://www.nein-zur-transferunion-fuer-stabiles-geld.de/wp-content/uploads/2011/03/UK.pdf

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Widerspruch

Nun ja, dieser Text enthält eine ganz und gar inakzeptable Lobeshymne auf so fragwürdige Autoren wie von Mises und, vor allem, von Hayek (siehe zu ihnen auch die kritische Darstellung in dieser Publikation: http://www.dasdossier.de/magazin/wirtschaft/oekonomische-theorie/kritik-des-establishments). O-Ton des Textes zu Hayeks Schriften: »Sie entsprechen in Ihrer Qualität und Bedeutung zwar vielleicht nicht ganz der Allgemeinen Relativitätstheorie Einsteins (wobei natürlich klar ist, dass man so verschiedene Bereiche nicht wirklich vergleichen kann), aber in etwa doch.« Das allein sollte eigentlich schon genügen, um den Duktus und das Niveau einschätzen zu können. Aber wirklich absurd sind Vorschläge wie die Wiedereinführung des Goldstandards und ähnliches. Mal ganz abgesehen davon, dass die in meinem Artikel angeführten Vorteile der Währungsunion für Deutschland – nämlich die massive Erleichterung der Exporte – nicht thematisiert werden und so eine unzulässige Verkürzung der komplexen Problematik stattfindet. Den Euro als Instrument der Enteignung der nordeuropäischen Länder darzustellen, ist jedenfalls blanker Unsinn.

Widerspruch zu Ihrem Widerspruch

a) Noch NIEMAND hat von Mises oder von Hayek im Kern widerlegt. NIEMAND. Sie auch nicht.
b) Ich schlage gerade NICHT die Wiedereinführung des Goldstandard vor, sondern in Kap. 8.6 einen »Bürger-Euro«, der sich gegenüber dem jetzigen Euro durch andere Regularien auszeichnet, die nicht mehr die Politiker, Banken und Kreditnehmer bevorzugt, sondern die der zugunsten der Bürger ausgerichtet sind.
c) Die Vorteile des Euro werden sehr wohl thematisiert in Kap. 14.2; allerdings fällt dabei auf, dass anscheinend NIEMAND, auch Sie nicht, konkrete Zahlen nennen können oder wollen. Das Finanzministerium hat ebenfalls keine Zahlen parat, ich habe dort vor wenigen Tagen angefragt.
d) Ich stelle den Euro nicht als »Instrument der Enteignung der nordeuropäischen Länder« dar, sondern ich weise darauf hin, dass die Regularien von praktisch allen Papiergeldwährungen in der Praxis zur Inflationssteuer führen, die im Falle des Euro insbes. die Einwohner Deutschlands schädigen. Wenn Sie dagegen argumentieren wollen, dann müssen Sie erst einmal nachweisen, dass es den Effekt der Inflationssteuer / Cantilloneffekt nicht gibt. Sollten Sie das schaffen, ist Ihnen mindestens ein Nobelpreis sicher.
Der EFSF/ESM etc. dagegen wird in der Praxis sehr wohl wie eine teilweise Enteignung Österreichs, Deutschlands etc. wirken, siehe die gerade aktuelle Entwicklung.
Alle Enteignungsvarianten etc. werden in meinem Dokument detailliert beschrieben und auch die Mechanismen, die auf politischer Eben dazu quasi zwangsläufig führen.

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nächste Runde

Gleich mal vorab: Ich freue mich natürlich, wenn es hier zu Diskussionen kommt. Das kann nur förderlich sein. Insofern werde ich mich mal bemühen, sachlich zu argumentieren.

Zu Ihrem Punkt a): Eine eindeutige Widerlegung dürfte hier sowieso schwierig sein – das gilt aber wohl für viele ökonomischen Theorien. Ich habe auch noch keine endgültige Widerlegung von Marx gesehen, beispielsweise. Interessanter ist meines Erachtens nach die Frage, wessen Interessen die jeweiligen Konzepte dienen. Und gerade im Hinblick auf den Neoliberalismus, dessen Vordenker von Hayek ja sicherlich ist, kann man schon sehr eindeutig sagen: es sind nur sehr wenige, die da profitieren. Sehen Sie sich doch die Folgen einer konsequent danach ausgerichteten Politik an. Reagonomics, Thatcher, Pinochet, aber auch Deutschland spätestens seit den 90ern. Stagnierende oder sinkende Reallöhne auf der einen, exorbitante Vermögenszuwächse auf der anderen Seite; zunehmend prekäre (d.h. unregulierte) Arbeitsverhältnisse, Abbau des Sozialstaates usw.

zu b) Entschuldigung, das war wohl ein Fehler meinerseits, auch wenn Sie dem Goldstandard doch sehr positiv gegenüberstehen. Zu Ihrem »Bürger-Euro«: De facto sehe ich das als eine graduell gesteigerte Variante der alten Bundesbankpolitik. Darüber gibt es ja nun eine lange Debatte, ebenso über Ihre (verschärfte) Schuldenbremse. Ich kann hier dazu keine ausführlichen Bemerkungen machen. Nur so viel: Ich finde es prinzipiell fragwürdig, wenn man Entscheidungen von solcher Tragweite wie die Währungspolitik den gewählten Volksvertretern vorenthält und stattdessen demokratisch nicht legitimierten Zentralbankern überträgt. Zur Schuldenbremse: Sie schränkt den Handlungsspielraum der Politik drastisch ein, was vor allem in Krisen dramatische Folgen haben kann. Gerade in Griechenland sieht man ja, wie mit einem übermäßigen Sparen die Konjunktur völlig zum Erliegen kommt. Bei ausfallender privater Nachfrage ist eine Stimulierung durch den Staat unverzichtbar - und langfristig, wenn die Konjunktur dann schneller anspringt, auch kostengünstiger. Natürlich steckt der Teufel im Detail; es kommt immer darauf an, wie investiert wird.

c) Nun, indirekt gibt es sehr wohl Zahlen zur Wirkung des Euros, ich habe sie ja in meinem Artikel unter Berufung auf Spiegel Online genannt: Die Exporte in Euroländer haben sich nach dessen Einführung außerordentlich gut entwickelt. Konkret: Sie stiegen im Durchschnitt jährlich von 1990 bis 1998 um gut 3%, von 1999 bis 2003 um 6,5%, von 2003 bis 2007 um über 9%. Das ist eindeutig, möchte ich meinen.

d) Dass die aktuellen Maßnahmen des Rettungsschirms usw. Geld kosten, bestreitet niemand. Und dass Deutschland hier (weil es die größte und momentan prosperierendste Volkswirtschaft im Euroraum ist) am meisten bezahlen muss, ist auch klar. Dennoch bin ich der Meinung, dass die Vorteile die Nachteile noch immer übertreffen. Zumal diese Krise nicht ewig dauern wird. Und es soll ja nicht vergessen werden, dass die EU potenziell ja noch andere als rein wirtschaftliche Effekte haben könnte oder schon hat. Da stellt sich also die (politische, nicht ökonomische) Frage, ob man die europäische Einigung leichtfertig aufs Spiel setzen sollte.

Antwort auf "nächste Runde"

Zu a): Das Thema ist natürlich von fast epischer Breite. Trotzdem gilt folgendes: Von Mises und von Hayek sind von NIEMANDEN im Kern widerlegt worden. Anhänger von Keynes (Deficit Spendung), Befürworter der quasi unbeschränkten Geldschöpfung aus dem Nichts etc. dagegen sehr wohl. Kurz: Eigentlich JEDE ANDERE Analyse/Konzeption. Aber ich gebe zu, dazu müsste man min. 100 Seiten Text aufwenden, um diese Thematik wirklich zu erläutern.
Zum Thema Liberalismus etc. müßte man ebenfalls X Seiten Text aufwenden; verwechseln Sie bitte NIEMALS das, was Reagon & Co. getan haben, mit dem was von Mises und von Hayek gefordert haben. Insbes. im Bereich Geldpolitik hat eigentlich keine einzige Regierung und die von Ihnen genannten schon gar nicht, auch nur 1% dessen umgesetzt, was die gefordert haben.
Zu b) Die Volksvertreter sollen sich ja gerade VOLLSTÄNDIG aus der Geldpolitik heraushalten. Die Geldpolitik soll eben gerade darin bestehen, ausschließlich eine maximal stabile Währung bereitszustellen. Es soll vor allem KEINE Wirtschaftspolitik über die Geldpolitik stattfinden, da alle diese jämmerlichen Versuche fundamental fehltgeschlagen sind und es sehr gute theoretische Gründe dafür gibt.
Zu c) Der Anteil der Ausfuhren in die Euro-Länder ist seit 2000 zurückgegangen (2000: 44%, 2009: 41%).
Zu d) Ich und zunehmend mehr andere Leute sind der Auffassung, dass es keinen Grund für irgendwelche Zahlungen gibt, die Verursacher sollen gefälligst Ihre vorsätzlich verursachten Probleme selbst lösen.
Und was die EU/Europa als politische Idee etc. angeht, so könnnen Sie mir glauben, dass ich als irischer Staatsbürger, der in Deutschland lebt, sehr wohl ein Interesse daran habe, dass hier nicht kaputtgemacht wird. Gerade deshalb will ich ja verhindern, dass die jetzige Katastrophenpolitik fortgesetzt wird; denn sie wird unweigerlich zu Radikalisierungen führen, wenn die Leute hierzulande in 2-3 Jahre spätetens merken, wie sie ausgebeutet werden.
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P.S.: Das CAPTCHA ist zu extrem eingestellt, man braucht immer mehrere Versuche, bis das

kleine grüne männchen

uner uns leben kleine grüne männchen, die aus dem all gekommen sind. Sie können nicht wiederlegen, dass es die nicht gibt. NIEMAND kann das. also habe ich recht: unter uns leben kleine grüne männchen!!

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zwei Punkte

Also noch mal zu den Wi­der­le­gun­gen. Von Mises' Lehre, ins­be­son­de­re die rein de­duk­ti­ve Me­tho­de, wird mei­nes Wis­sens nach prak­tisch über­haupt nicht mehr in­ner­halb der Öko­no­mie ver­tre­ten. Und, davon mal ab­ge­se­hen, hat ihn selbst sein eins­ti­ger Schü­ler von Hayek kri­ti­siert. Siehe auch hier: http:// ​www.​faz.​net/​s/​Rub2E8C985607B44756884B7A1383CD205C/​ Doc~EB83C9C1F55EE4417B­B1A0F­BE101F­C450~ATpl~Ecom­mon~Scontent.​html

Zum Pro­blem­kreis In­fla­ti­on: na­tür­lich ist In­fla­ti­on ge­ne­rell schäd­lich, aus einer Viel­zahl von Grün­den. Der Can­til­lon-Ef­fekt ist einer davon. Dem wi­der­spre­che ich auch kei­nes­wegs. Nur: Wirt­schafts­po­li­tik steht grund­sätz­lich vor dem Di­lem­ma, nicht alle wün­schens­wer­ten Ziele zu­gleich er­rei­chen zu kön­nen. Ergo müs­sen Prio­ri­tä­ten ge­setzt wer­den. Das ist dann aber eben keine rein wis­sen­schaft­li­che, son­dern vor allem eine po­li­ti­sche Frage. Man könn­te es auch in einem kon­kre­ten Fall so for­mu­lie­ren: Scha­det es dem durch­schnitt­li­chen Ar­beit­neh­mer mehr, wenn er durch In­fla­ti­on Kauf­kraft ver­liert, oder wenn er wegen einer re­strik­ti­ven Haus­halts­po­li­tik des Staa­tes ar­beits­los wird re­spek­ti­ve wegen zu­rück­hal­ten­der Lohn­po­li­tik der Un­ter­neh­men we­ni­ger ver­dient? Das ist jetzt na­tür­lich nur ein kon­kre­tes Bei­spiel, aber sol­che Di­lem­ma­ta fin­den sich in gro­ßer Zahl.

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Nachtrag

Die Inflation ist nach Einführung des Euros übrigens zurückgegangen. Ganz im Gegensatz zu der verbreiteten Wahrnehmung als »Teuro«. Siehe hier: http://www.derwesten.de/waz/montagsoekonom/Der-Euro-ist-stabiler-als-die-D-Mark-id4249983.html und hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Teuro