Magazin Beitrag

Wer Europa regiert…

…entscheidet sich nicht nur durch Wahlen

Angesichts der anstehenden Wahlen zum Europaparlament häufen sich mal wieder mehr oder weniger kritische Stimmen, die eine Stärkung dieser Volksvertretung innerhalb der EU fordern. Diese - zweifellos wünschenswerte - Demokratisierung ist unmittelbar verknüpft mit der Frage, wer in Brüssel denn an den Schalthebeln der Macht sitzt, wenn das nicht der Bürger ist.

Die beiden Mitarbeiterinnen von Sarah Wagenknecht (Die Linke), Ruth Firmenich und Lydia Krüger, versuchen in der Jungen Welt, hier etwas mehr Klarheit zu schaffen - mit einem erschreckenden Resultat. Es sind die großen Lobbyorganisationen aus Industrie und Finanzwirtschaft, welche nahezu alle wichtigen Entscheidungen der letzten 25 Jahre mitgeprägt haben. Die Schaffung eines Binnenmarktes für Waren aller Art, der Euro oder die Liberalisierung von Finanztransaktionen gehen u.a. auf die Initiativen des »European Roundtable of Industrialists« oder des »European Financial Services Round Table« zurück. Insgesamt sollen geschätzte 15.000 Lobbyisten in Brüssel tätig sein und offerieren ihre »Beratung« selbst höchsten Stellen wie etwa Kommissionspräsident José Barroso. Neben Informationsbroschüren und der Mitarbeit in Gremien kann das auch konkrete Gesetzesvorschläge oder Tipps zur richtigen Abstimmung beinhalten. Dass dabei auch gelegentlich die Grenzen der Legalität überschritten werden, beweisen zahlreiche Korruptionsfälle in der Vergangenheit; Höhepunkt dabei war sicherlich der Rücktritt der gesamten EU-Kommission im März 1999.

Die beiden Autorinnen schlagen als Konsequenz eine verbesserte Transparenz mittels eines offiziellen Lobbyregisters, Übergangsfristen für Wechsler zwischen Lobbies und Behörden und das Verbot von Parteispenden durch Wirtschaftsunternehmen vor. Diese Maßnahmen wären sicherlich ein kleiner Fortschritt. Aber sie gehen am eigentlichen Problem vorbei. Lobby funktioniert eben gerade auch durch inoffizielle, persönliche Kontakte und Netzwerke. Und ist damit prinzipiell kaum kontrollierbar.