Magazin Beitrag

Die Gegenwart der Vergangenheit

Ein spektakulärer Prozess in Spanien
Kundgebung für Baltasar Garzón und gegen Straflosigkeit <br/>Foto von Christian González García
Kundgebung für Baltasar Garzón und gegen Straflosigkeit Foto von Christian González García

Der wohl bekannteste Richter Spaniens steht nun selbst vor Gericht: Baltasar Garzón wird vorgeworfen, er habe bei seinen Ermittlungen zu Verbrechen des Franco-Regimes seine Kompetenzen überschritten und das Recht gebeugt. Besonders pikant dabei ist, dass als Nebenkläger eine Nachfolgeorganisation der Falange Española auftritt; also jener faschistischen Partei, die vor allem während des Spanischen Bürgerkriegs 1936-39 für zahlreiche Ermordungen und Entführungen verantwortlich war.

Garzón selbst gilt als nicht unumstritten. So hat er sich praktisch in allen politischen Lagern Feinde geschaffen: Der konservativen PP wies er jüngst Korruption nach, Anfang der 90er brachte er den Innenminister der heute wieder regierenden PSOE zu Fall. Und gegen die ETA hat er sogar unter Anwendung unzulässiger Praktiken ermittelt.

Darüber hinaus inszenierte er medienwirksam die - erfolglosen - Anklagen und Vorladungen gegen Osama bin Laden, Augusto Pinochet und die Regierung George W. Bushs. So wurde ihm gelegentlich vorgeworfen, er handle eher aus Ruhmsucht und Geltungsdrang denn aus rechtlicher Notwendigkeit.

Aber auch der Oberste Gerichtshof kann aufgrund seines teils fragwürdigen, teils ungeschickten Umgangs mit dem Fall nur wenig zu einer sachlichen Auseinandersetzung beitragen. So gilt einer der Richter, Adolfo Prego, als Sympathisant der Rechten.

Aber die Kernfrage ist eine andere: Wie soll die spanische Gesellschaft heute mit ihrer Geschichte umgehen? Die »Transición« als Übergangsphase nach dem Tod des »Caudillos« Francisco Franco setzte lange Zeit an die Stelle der Aufarbeitung den Pakt des Schweigens, u.a. durch das Amnestiegesetz von 1977. Damit wollen sich die Opferverbände aber nicht mehr abfinden, und so organisieren sie auch jetzt Solidaritätskundgebungen für Garzón.

Vielleicht ist dieser Anlass also durchaus geeignet, das nachzuholen, was vor über dreißig Jahren nicht möglich, zumindest aber nicht erwünscht war: Die klare öffentliche Auseinandersetzung mit der jahrzehntelangen Diktatur und ihren Folgen.