Magazin Beitrag

Wechsel ohne Wandel

Zur Parlamentswahl in Japan

Japan steht mit der heutigen Parlamentswahl vor einem geradezu epochalen Wechsel: erstmals seit über 50 Jahren könnte die bisher regierende LDP dauerhaft abgelöst werden. Doch bedeutet das auch wirklich eine neue Politik?

Nach Jahrzehnten stetiger Aufwärtsentwicklung stagniert die japanische Wirtschaft nun schon seit etwa 20 Jahren. Gerade im neuen Jahrtausend hat das zu einer massiven Verschlechterung der sozialen Situation geführt. Erstmals gibt es eine nennenswerte Arbeitslosigkeit, Frauen sind nach wie vor deutlich benachteiligt, und die exzessive Ausdehnung von Überstunden steigert die Arbeitsbelastung, schreibt die Frankfurter Rundschau. Die - wenig erfolgreichen - staatlichen Konjunkturprogramme seit Anfang der Neunziger haben Japan zum mit Abstand verschuldetsten Industrieland gemacht: Die Gesamtschulden betragen etwa 182% des BIP (zum Vergleich: in Deutschland liegt die entsprechende Zahl bei 63%).

Gleichzeitig befindet sich die Regierungspartei LDP in einer Dauerkrise: nicht nur die altbekannte Korruption und Klientelpolitik etwa des berühmt-berüchtigten ehemaligen Wirtschaftsministeriums MITI, sondern auch die undemokratischen parteiinternen Politdynastien führten in den letzten Jahren zu einem wachsenden Verdruss der Wähler, wie beispielsweise in der ZEIT nachzulesen ist. Seit dem Abgang von Premier Koizumi 2006 folgte eine instabile Regierung der nächsten. Da verwundert es auch nicht, dass die »quasi-Staatspartei« LDP in den letzten Jahren von einstmals fünf auf mittlerweile nur noch eine Million Mitglieder geschrumpft ist.

Alter Wein in neuen Schläuchen

Mutmaßlicher Nachfolger als Regierungspartei ist die 1998 gegründete DPJ und liegt laut Prognosen bei etwa 40% der Stimmen. Sie punktet vor allem mit einem deutlich sozialeren Programm, u.a. einer Erhöhung des Kindergeldes und der Einführung einer Mindestrente.  Außerdem fordert sie eine Akzentverschiebung in der Außenpolitik: Mehr Distanz zu den USA, ein Ende der unpopulären militärischen Einsätze im Ausland und statt dessen eine regionale Integration nach dem Vorbild der EU. Allerdings bleiben doch erhebliche Zweifel, ob das alles auch umgesetzt werden wird, meint die junge Welt. Denn in vielem ist die DPJ nicht nur schwammig, sondern auch ausgesprochen widersprüchlich. Beispielsweise existiert noch immer keine klare Linie bezüglich des militärischen Engagements in Afghanistan. Und das ist gerade in Japan ein heikles Thema, sind die - in der Verfassung gar nicht vorgesehenen - Truppen des Landes doch schon ihrem Namen nach offiziell »Selbstverteidigungsstreitkräfte«. Die DPJ ist nicht nur eine heterogene Partei, sondern auch alles andere als wirklich neu. Dagegen sprechen z.B. die zahlreichen personellen Verknüpfungen mit dem Establishment. Selbst Spitzenkandidat Hatoyama Yokio ist ehemaliges LDP-Mitglied und zugleich Enkel des Ex-Premiers Hatoyama Ichiro. Dennoch glaubt der Freitag, ein Wechsel nach der Wahl würde zumindest den massiven Klientelismus zurückdrängen und die Etablierung eines Zwei-Parteien-Systems ermöglichen. Grund zur Skepsis bleibt aber allemal.