Magazin Beitrag

Offenheit statt Hass

Bemerkungen zum 10. Jahrestag von 9/11

Vor einiger Zeit hatte ich ein überaus bezeichnendes Erlebnis. Ich diskutierte mit einem US-Amerikaner über Politik. Übrigens einer, der keineswegs dem Klischee vom ungebildeten Cowboy entsprach, der sein eigenes Land nicht auf der Weltkarte findet. Ganz im Gegenteil. Und, wie es wohl unvermeidlich war, kamen wir auch auf das Thema 11. September 2001 zu sprechen. Sofort war er wie ausgewechselt, gestikulierte wild und war offenbar völlig emotionalisiert. Trotz seiner grundsätzlich keineswegs unkritischen Haltung gegenüber den USA war hier offenbar ein Punkt erreicht, der einen nüchternen Austausch von Argumenten nicht mehr zuließ. Gewiss, nur ein kleines Detail – das aber doch viel aussagt über die Wirkung dieses Ereignisses.

Es ist viel geschrieben und gesagt worden über 9/11, gerade jetzt zum 10. Jahrestag. Da ist die Rede von einer Zeitenwende, von einem geradezu epochalen Geschehen. Aber was ist aus alldem zu lernen? Wohl vor allem eines: Erst die Reaktion, die Aufarbeitung durch Politik und Medien macht ein Ereignis für uns wirklich bedeutsam. Es liegt nahe, hier einen Vegleich zu den Anschlägen in Norwegen vor einigen Wochen zu ziehen. Auch dort war natürlich zunächst die Bestürzung groß angesichts der unfassbaren Brutalität der Tat, angesichts des Leidens und Sterbens so vieler Unschuldiger. Aber die Reaktion war eine ganz andere als seinerzeit in den USA. Nicht Rache und Vergeltung standen im Mittelpunkt. Schon kurz danach war klar, dass es nicht zu einer massiven Verschärfung von Sicherheitsmaßnahmen kommen würde. Von kriegerischen Interventionen im Ausland ganz zu schweigen. Man könnte auch sagen: Die Norweger ließen sich nicht von der Logik des Terrors in Geiselhaft nehmen. Statt dessen gedachte man auf stille Weise der Opfer, rief zu mehr Zusammenhalt auf.

Seit Samuel Huntingtons „Kampf der Kulturen“ wird immer wieder behauptet, der Westen stünde in einer quasi schicksalhaften Auseinandersetzung mit der islamischen Welt. Diese Sichtweise kam nicht erst durch 9/11 auf, erfuhr durch die Anschläge aber eine massive Aufwertung und Verbreitung. Das macht sie aber keineswegs plausibler. Es war ja nicht „der Islam“, der die Flugzeuge entführte, es war eine kleine Gruppe von Wirrköpfen. Paradoxerweise haben dann erst die Kriege des Westens in Afghanistan und Irak jenen Hass gegen den Westen in vielen Ländern hervorgerufen. Wenn überhaupt von einer Frontstellung gesprochen werden kann, war sie also erst eine indirekte Folge und nicht Auslöser des Terrors. Dass diese Kriege irgend etwas zum Guten verändert haben, dürfte mittlerweile kaum noch jemand behaupten wollen. Tausende, wahrscheinlich sogar Hunderttausende von Toten, zerstörte Städte und Infrastrukturen, anhaltende Gewalt: Weder Afghanistan noch Irak können als gelungenes „nation building“, als geglückte Demokratisierung von außen gelten. Aber das war ja auch bestenfalls eine nachgeschobene Begründung.

Neben diesen fatalen außenpolitischen Folgen kam es in den USA wie in Europa auch zu mehr als fragwürdigen inennpolitischen Konsequenzen. Wohlgemerkt, auch hier gilt, nicht die Anschläge selbst, erst die Reaktion der Politik hat das bewirkt. Verschärfte Sicherheitsgesetze, Restriktionen an den Grenzen, mehr Überwachung, Misstrauen gegenüber Fremden und anderes mehr. All das wäre unter anderen Umständen kaum durchsetzbar gewesen. Und man kann hinzufügen: es hat sich bis heute auch nicht als notwendig erwiesen. Denn jenseits aller Hysterie, aller aufgeregten Meldungen über angebliche oder tatsächliche „Terrorzellen“ ist die reale Gefahr extrem gering, Opfer eines Anschlags zu werden. Natürlich könnte man argumentieren, ohne diese Verschärfungen wäre es möglicherweise zu einem Anschlag gekommen. Aber das ist eben eine kontrafaktische Behauptung, die sich nicht verifizieren lässt. Was bleibt, ist ein diffuses Gefühl der Angst und Bedrohung, mit dem ganz konkrete und überaus fragwürdige Einschränkungen der Freiheit begründet wurden und werden.

Gerade hier zeigt sich auch, dass Medien und Politik Hand in Hand arbeiten: eine win-win-Situation zu Lasten der Bürger. Gerade im konservativen Spektrum werden solche Ängste immer wieder aufgegriffen und zur Profilierung genutzt. Dass viele Maßnahmen dabei schlicht Unsinn und ohne jede Wirkung sind, fällt da kaum auf. Denn gegen eine mögliche Bedrohung lässt sich schwer argumentieren. Und was Geheimdienste nun tatsächlich herausgefunden haben, was dagegen bloße Vermutung oder Übertreibung ist, kann niemand sicher sagen. Auf der anderen Seite lassen sich mit spektakulären Bildern oder Bedrohungsszenarien auch Auflage und Quote steigern. Wer wüsste das besser als die Macher der Bild? Ob es sich nun um Kinderschänder, U-Bahnschläger oder eben islamistische Terroristen handelt: gut ist, was Aufmerksamkeit bringt. Die fatalen Folgen eines solchermaßen vergifteten gesellschaftlichen Klimas interessieren da nicht weiter.

Der zehnte Jahrestag der Anschläge von New York und Washington kann ja vielleicht auch dazu führen, einer alten Debatte eine neue Richtung zu geben: Wie soll unsere Gesellschaft auf Gewalt reagieren? Wie soll sie mit den Herausforderungen der Freiheit von innen und außen umgehen? Norwegens Regierungschef Stoltenberg sagte: „Unsere Antwort wird mehr Offenheit und mehr Demokratie sein.“ Es wäre zu wünschen, dass sich diese Erkenntnis auch in Deutschland und anderswo im Westen durchsetzt.

Kommentare

Norwegen - 9/11

Der Vergleich Norwegen mit 9/11 ist wohl etwas mehr als gewagt.
Norwegen war ein lokales Ereignis, so schlimm es auch war. Der Attentäter ein lokaler Terrorist, wenn er das denn war. Die Anschlagstätte außer den Einheimischen kein Begriff, vermutlich nicht mal den meisten Norwegern. Es stand keine Terrororganisation dahinter, die in einem Land Rückzuggebiete (2001 Afghanistan) hatte. Gegen wen hätte sich also die Wut der Norweger richten sollen.
Auf der anderen Seite das World Trade Center. Eine Ikone der westlichen Finanzwelt, in der ganzen Welt ein Begriff. Die Attentäter, Mitglieder einer internationalen Terrororganisation, ausgebildet und finanziell unterstützt durch al-Quaida.
Selbst die Opferzahlen sind nicht zu vergleichen.

Norwegen ist, wenn überhaupt, vergleichbar mit dem Anschlag in Oklahome City, 1995.

 

Die talibanische Regierung

Die talibanische Regierung hat angeboten Bin Laden auszuliefern wenn denn die USA Beweise für die Verantwortlichkeit liefern würden. Die USA hat dies völlig ignoriert und niemals irgendwelche Belege geliefert - niemanden.
Bin Laden dagegen hat mehr als einmal seine Beteiligung an den Anschlägen verneint. Die Videos waren, sehr deutlich zu sehen, eine Fälschung.

Einige der Attentäter wurden, nachweislich, durch US-Geheimdienste in die USA eingeschleust, bzw. auch durch befreundete (zb. der saudische) Geheimdienste betreut.

 

Bild des Benutzers Axel Weipert

Aha

Sicherlich sind Ort und Opferzahlen andere. Und ja: Breivik war aller Wahrscheinlichkeit nach (auch wenn er selbst das übrigens anders dargestellt hat) ein Einzeltäter. Aber das erklärt dennoch nicht die völlig unterschiedliche Reaktion. Das liegt sicher auch an einer anderen politischen Kultur.  Man denke an den allgegenwärtigen Patriotismus, den Umgang mit Waffen, an die Emotionalisierung und Inszenierung von Politik. Und daran, dass die USA nun einmal erstens »die« Supermacht sind, also glauben, Stärke zeigen zu müssen; zweitens werden dort militärische Interventionen im Ausland auch vielfach als etwas geradezu selbstverständliches gesehen. Darüber hinaus haben sicher auch machtpolitische und ökonomische Interessen eine Rolle gespielt, im Irak noch mehr als in Afghanistan. An der Aufstockung der Rüstungs- und Sicherheitsausgaben haben sich dazu nicht wenige eine goldene Nase verdient. Aber noch einmal: die Reaktin war völlig überzogen, und sie hat ja die Probleme nicht gelöst. »Krieg gegen den Terror« kann auch gar nicht funktionieren, weil der Gegner eben mit Panzern und Kampfflugzeugen nicht getroffen wird.

Why we Fight

Ich habe selber nicht den geringsten Zweifel das 9/11 gewollt und zugelassenw wurde von den USI. Schauen Sie bitte die BBC Doku »Why We Fight« (youtube) an, dann sind keine Fragen mehr offen. America braucht Krieg um zu ueberleben. Was bleibt dem Land auch anderes ueberig nach dem Fall es eisernen Vorhangs? Es musste eine neues Feindbild her, und zwar schnell.
Ubriegens hat das FBI Schwarz auf Weiss erklaert das Bin Baden nicht mit den Anschlaegen zu tun hatte.