Medium Blätter für deutsche und internationale Politik

In Lulas Schatten

Zur Wahl in Brasilien
Die Kandidatin Dilma Rousseff beim Karneval <br/>Bild von Fotos da Bahia
Die Kandidatin Dilma Rousseff beim Karneval Bild von Fotos da Bahia

Im größten Land Lateinamerikas führten die Präsidentschaftswahlen anders als erwartet nicht zum sofortigen Sieg der Kandidatin der Arbeiterpartei, Dilma Roussef. Doch in der Stichwahl Ende des Monats wird sie wohl gewinnen. Das liegt vor allem an ihrem populären Vorgänger und Fürsprecher Lula da Silva.

Dieser hat die letzten acht Jahre durchaus erfolgreich regiert; einerseits wurden Sozialprogramme zugunsten der zahlreichen Armen eingeführt, andererseits boomt die Wirtschaft und die horrenden Auslandsschulden konnten abgebaut werden.

Noch immer gibt es jedoch — besonders im Nordosten des Landes — großes Elend. Frauen, Afrobrasilianer und Indigene partizipieren nur ungenügend an Wohlstand, Bildung und Macht. Auch die Landverteilung ist nach wie vor äußerst ungerecht.

Kokapflanze vergiftet Staat

Der Drogenkrieg in Mexiko und die Rolle des Staates
Armee im Einsatz gegen Drogenhändler in Chihuahua 2008 <br/>Foto von Iker Merodio
Armee im Einsatz gegen Drogenhändler in Chihuahua 2008 Foto von Iker Merodio

In Mexiko tobt ein Drogenkrieg. Seitdem der Präsident Felipe Calderón 2006 an die Macht kam und im Kampf gegen die Drogenkartelle die Polizei durch das Militär ersetzte, schnellte die Zahl der Toten in die Höhe: Über 20.000 Opfer sind seitdem zu beklagen. Das Militär geht dabei auch gegen die Zivilbevölkerung vor und wird des Mordes, der Vergewaltigung und anderer Übergriffe beschuldigt. Doch wie der US-Radiosender NPR herausfand, geht die Regierung selektiv gegen die Kartelle vor – gegen eines wie Sinaloa gar nicht. Spitzen der Regierungspartei werden mit diesem Kartell in Verbindung gebracht. Dabei entgleitet dem Staat im Drogenkrieg mit den Kartellen und zwischen diesen die Kontrolle über einzelne Bundesstaaten. Gleichzeitig tragen die Gewinne einen großen Teil zur Wirtschaftsleistung bei. Die wachsende Bedeutung Mexikos als Kokainerzeuger steht im Zusammenhang mit einer weltweiten Veränderung des Drogenmarktes.

Stiefel im Dreck

Wie der Kampf gegen Korruption in Italien scheiterte
Silvio Berlusconi und sein Lehrmeister Bettino Craxi <br/>Foto von Hytok
Silvio Berlusconi und sein Lehrmeister Bettino Craxi Foto von Hytok

Mit dem Zusammenbruch des Parteiensystems in Italien zu Beginn der 90er Jahre gab es Hoffnungen auf einen Neuanfang: Unter dem Motto Mani Pulite (Saubere Hände) bekämpften Richter und Staatsanwälte Korruption und Filz. Doch dieser Versuch kann mittlerweile als gescheitert angesehen werden. Nicht zuletzt dank der Regierung Silvio Berlusconis, die mit zahlreichen Gesetzen die Justiz bekämpft, indem vormalige Straftaten legalisiert wurden. Diese Gesetzesänderungen wurden auch von der linken Regierung nicht zurückgenommen.

Auch wenn wenig Hoffnung auf Reformen besteht, sehen einige das Ende des aktuellen politischen Systems kommen, ähnlich wie vor 20 Jahren. Doch auch Berlusconi kam nicht aus der Wüste, sondern knüpfte an politische Lehrmeister wie Bettino Craxi an.

Tiefgreifender Wandel

Zwei Analysen zum inneren Konflikt Thailands

Vorerst scheinen die Proteste in Thailand nach der blutigen Niederschlagung durch das Militär verstummt. Zwei Beiträge analysieren die Hintergründe der widersprüchlichen politischen Konstellation. Wolfram Schaffar sieht in Thaksin Shinawatra keinesfalls einen Reformer. Ursprünglich sei die Bewegung gegen dessen Absetzung »nur eine Handvoll Intellektuelle und Demokratieaktivisten« gewesen. Erst das selbstgerechte Verhalten der Eliten habe daraus eine breite Bewegung geschaffen. Thaksin habe entgegen der Wahrnehmung als Sozialreformer eher eine Politik der neoliberalen Umstrukturierungen vertreten.

Charlotte Wiedemann geht in der Le Monde diplomatique auf das »Trugbild« Thailands im Westen ein. Im Widerspruch zu dem Bild eines harmonischen Landes der Touristenprospekte habe sich eine traditionell hierarchische  Gesellschaft erhalten, in der Minderheiten nicht geachtet werden. Doch ein langsamer, tiefgreifender Wandel verändere das Land. Die Landbevölkerung befreie sich aus ihrer Unmündigkeit und weiche auch nicht mehr vor offener Konfrontation zurück.

Einer muss anfangen

Eine Steuer gegen die Spekulation

Der Bremer Ökonom Rudolf Hickel plädiert für die Einführung einer alle Finanzprodukte umfassenden Finanztransaktionssteuer. Sie soll die »relative Entkoppelung der Finanzmärkte von der Produktionswirtschaft« wenigstens teilweise rückgängig machen. So könnten falsche Preisbildungen durch irrationale Spekulation verhindert und die Krisenanfälligkeit des gesamten Wirtschaftssystems verringert werden.

Das häufig vorgebrachte Argument, eine solche Steuer ließe sich nur im internationalen Rahmen einführen, kann den Autor nicht überzeugen. Tatsächlich existiert mit der britischen »stamp duty« bereits eine nationale Steuer auf Finanzgeschäfte. Und mit einer begrenzten Einführung könne politischer Druck auf andere Länder ausgeübt werden. Weiterlesen … »

Legitimation und Legalität

Eine kleine Geschichte der Berliner Häuserkämpfe
Mainzer Straße 1990 <br/>Foto von Renate Hildebrandt
Mainzer Straße 1990 Foto von Renate Hildebrandt

Die westberliner Hausbesetzer der 80er Jahre sind ein Mythos, der in den 90er Jahren im Osten eine Neuauflage erfuhr. Durch die Besetzungen wurde das Ende der Flächensanierung durch Abriß ganzer Straßenzüge eingeläutet und neue Anstöße in der Stadtplanung gegeben. Dabei wurde ein Kampf um öffentliche Legitimation zwischen Besetzern und Stadtverwaltung ausgetragen, meinen Andrej Holm und Armin Kuhn in ihrer kleinen Geschichte der Berliner Häuserkämpfe. Die Besetzer erreichten öffentliche Unterstützung durch die Nutzung des Leerstands bei gleichzeitiger Wohnungsnot, während der Senat an einem Korruptionsskandal zerbrach. Die Stadt unter Vogel und später Weizsäcker antwortete mit einer Befriedungsstrategie, die Besetzungen legalisiert oder räumt; dadurch wurde die soziale Bewegung erfolgreich in zwei Lager gespalten.

Falsche Zahlen

Durch gezielte Fehlinformation wird Stimmung gegen Hartz-IV-Empfänger gemacht
"Anstrengungsloser Wohlstand"? <br/>Foto von Robert Lender
"Anstrengungsloser Wohlstand"? Foto von Robert Lender

Ausgelöst durch die provozierenden Äußerungen des deutschen Außenministers Guido Westerwelle über angeblich in Massen schmarotzende Hartz-IV-Empfänger wurde die Sozialstaatsdebatte wiederbelebt. Die Argumente, die benutzt werden, um den Eindruck zu erwecken, die Transferleistungen seien zu hoch, sind dabei mitunter ungenau, unrepräsentativ oder gelogen. Das zu entlarven versuchte Martin Staiger in den Blättern bereits 2008 und zeigte, wie die Bildzeitung die einer vierköpfigen Familie zustehenden Hartz-IV-Bezüge um 22% höher angab als gesetzlich tatsächlich festgelegt. Auch die Quote der Missbrauchsfälle von Hartz IV wurde um ein Vielfaches höher dargestellt (15%) als aufgrund von Untersuchungen anzunehmen ist (2 bis 5%). Aber auch anderswo werden Regelungen, die nur eine Minderheit der Hartz-IV-Empfänger betreffen, bemängelt, um eine Kürzung der Bezüge für alle Hartz-IV-Empfänger zu rechtfertigen. Weiterlesen … »

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