Medium Süddeutsche Zeitung Magazin

Zwang zur Selbstoptimierung

Grenzenloses Wachstum als kulturelles Leitbild
"Das Wirtschaftswachstum bringt uns immer näher an die Funktionsgrenze des Systems."
"Das Wirtschaftswachstum bringt uns immer näher an die Funktionsgrenze des Systems." Bild von Zanthia

Als die Folgen der ausufernden Industriegesellschaft als Raubbau an Natur und Mensch in den 70er Jahren unübersehbar wurden, stellte sich erstmals einer breiten Öffentlichkeit die Frage nach den Grenzen des endlos scheinenden Wirtschaftswachstum. Trotz des erreichten Zenits der Ölförderung zählt Harald Welzer heute jedoch zu den eher wenigen Intellektuellen, welche dieses spezifische Fundament des Kapitalismus kritisieren.

Das fehlende Bewußtsein über die Grundlagen unseres modernen Lebens beruht auf der völligen Verinnerlichung und Affirmation des Wachstums – mit dieser Überlegung erweitert Welzer in zwei jüngst erschienenden Schriften in den Blättern und dem SZ-Magazin sein Forschungsgebiet von einer Wirtschafts- zu einer allgemeinen Gesellschaftskritik.  Diese leitet er aus der Entwicklungsgeschichte des Kapitalismus der vergangenen 200 Jahre ab. So gelingt eine Kulturkritik, die viele Eigenschaften des Selbst- und Weltbildes des modernen Menschen herausschält: Dem im ewigen Werden der Waren- und Selbstproduktion gefangenen Menschen der Leistungsgesellschaft. Weiterlesen … »

Auf den zweiten Blick

Die Folgen der Ölpest im Golf von Mexiko

Viel ist von der Ölpest im Golf von Mexiko nicht mehr zu hören: Laut US-Regierung und BP ist ein Großteil des Öls verdunstet, abgebrannt oder hat sich zersetzt. Doch liest man den Beitrag im Süddeutsche Zeitung Magazin von Michaela Haas, wirkt BP eher wie ein Kosmetikkonzern. So erscheinen viele Strände sauber, doch bereits wenige Zentimeter unter der Oberfläche finden sich Teerklumpen. Gravierender ist der Einsatz des giftigen Corexit, welches das Öl in kleinste Teile zerstäubt. Dadurch ist es nicht mehr sichtbar, kann jedoch über viele Jahre im Meer treiben. Die Chemikalie wurde nicht nur an der Oberfläche eingesetzt, sondern auch am Meeresgrund. Die Folgen für die Natur sind nicht absehbar, sicher aber ist, daß die Region noch Jahrzehnte mit den Langzeitschäden zu kämpfen hat.

Gegen die Wand

Ein Echo auf die Medienkampagne gegen Griechenland
Wer ist faul im Staate Griechenland? <br/>Foto von Klearchos Kapoutsis
Wer ist faul im Staate Griechenland? Foto von Klearchos Kapoutsis

Alexandros Stefanidis schrieb im Januar einen Beitrag im SZ-Magazin über  Griechenland, in dem er die hausgemachten Probleme erläuterte. Doch auf die Medienkampagne gegen das Land in Deutschland war er nicht gefasst. Angeführt von der Bild-Zeitung, aber auch von der seriösen Presse wie der FAZ getragen, wurden die Griechen als faule Schmarotzer diffamiert. Dabei wurde mit falschen Fakten gearbeitet. Stefanidis beschreibt nun das entsetzte Echo in Griechenland auf die Kampagne, wo sich viele an die deutsche Besatzung erinnert fühlen. Dabei sei die Auswirkung der Sparmaßnahmen nicht dargestellt worden: »Ein ganzes Land wird per Verordnung auf Hartz IV gesetzt.« Er zitiert den ehemaligen Chefredakteur der Bild am Sonntag, Michael Spreng:

In einer seit dem Kampf des Springer-Verlages gegen die Ostverträge beispiellosen Kampagne machte BILD Front gegen Bundesregierung und Parlament und versuchte, die Leser gegen die Griechen in einer Form aufzuwiegeln, die an Volksverhetzung grenzte.

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Dem Weg folgen

Was Trampelpfade über kollektive Intelligenz verraten
 <br/>Foto von chaosinjune
Foto von chaosinjune

Wege entstehen, wenn viele Menschen ihnen folgen. Christian Ankowitsch interviewt im SZ-Magazin den Physiker Dirk Helbing zur Metaphysik des Trampelpfades. Daran können sich selbst organisierende Systeme untersucht werden. Dabei spielt die Natur eine wichtige Rolle, da sie unbenutzte Wege vergessen läßt. Helbing vergleicht in seiner Forschung zu kollektiver Intelligenz die von selbst enstehenden Pfade mit den Strukturen der Kommunikation im Internet.

Ikonen und Falschmünzer

Wie das Netz rasend schnell Täuschungen verbreitet
Straßenkunst in Los Angeles <br/>Foto von Lord Jim
Straßenkunst in Los Angeles Foto von Lord Jim

Die Echtheit von Nachrichten läßt sich nicht immer überprüfen – und im Internet kursieren ungeprüfte Kopien von Bildern, Falschmeldungen oder Manipulationen noch schneller. Der niederländische Designer Daniel van der Velden hat ein Buch dazu veröffentlicht; Tobias Moorstedt interviewt ihn in der Süddeutschen Zeitung zu selbsternannten Staaten wie der Seeplattform Sealand mit eigenem Siegel und Briefmarken sowie Firmen, die es nur im Netz gibt. Eine Geschichte der massenhaft reproduzierten Falschmeldung ist auch die von Neda Soltani; aufgrund ihrer Ähnlickeit von Namen und Gesicht wurde sie für »die« Neda gehalten, welche durch ihren Tod bei den Protesten im Iran zur Ikone wurde.

Geld oder Leben

Die Sehnsucht nach einem besseren Leben in der marokkanischen Provinz
Guelmim  <br/>Foto von mhobl
Guelmim Foto von mhobl

Christoph Cadenbach hat sich für das Magazin der Süddeutschen Zeitung in dem marokkanischen Städtchen Guelmim umgesehen, um herauszufinden, warum so viele junge Menschen versuchen nach Europa zu gelangen. Er begegnet einem jungen Mann, der immer wieder versucht per Boot auf die Kanaren zu gelangen - selbst nachdem mehrere seiner Freunde bei dem Versuch ertranken.

Im Osten nichts Neues

Vier Reportagen aus Afghanistan sichten die Situation
Darulaman-Palast in Kabul <br/>Foto von von Carl Montgomery
Darulaman-Palast in Kabul Foto von von Carl Montgomery

Patrik Cockburn berichtete im Juni in der London Review of Books über Afghanistan [deutsch erschienen in der Le Monde Diplomatique]. Ethnische Segregierung, eine korrupte Regierung, Wegegeld für Banditen und Taliban, erdrückende Armut und perfide Sicherheitslage unterminieren die Glaubwürdigkeit des westlichen Bündnisses. Dietmar Herz erzählt in »Morgenland ohne Morgen« im SZ-Magazin, wie er sich verkleiden muß, um in das unweit von Kabul gelegene Gardez zu gelangen. Dort schotten sich die Ausländer ab, denen die lokale Bevölkerung feindselig gesinnt ist. Den kulturellen Widersprüchen zwischen West und Ost geht Jochen-Martin Gutsch im Spiegel nach, wo er über das Todesurteil für einen Studenten berichtet, der einen islamkritischen Text vervielfältigte – eine andere Sicht der Geschichte zeigt Marc Thörner auf.

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