Presseschau Beitrag

Falscher Fokus

Der syrische Präsident wurde von den Unruhen überrascht
Al-Assad-Herrschaft am Ende? Ausgebranntes Auto in Banyas im April <br/>Foto von syriana2011
Al-Assad-Herrschaft am Ende? Ausgebranntes Auto in Banyas im April Foto von syriana2011

Der syrische Präsident Bashaar Al-Assad setzt die Politik seines Vaters Hafiz fort, meint Patrick Seale in der aktuellen Le Monde diplomatique. Dazu gehört die Fixierung auf die außenpolitische Rolle des Staates, eine komplexe Konstellation aus Gegnern und Allianzen in der Region. Seine Herrschaftsclique habe damit gerechnet, daß diese eigenständige Politik Syrien vor inneren Unruhen bewahre. Diese Einschätzung zeige sich nun als »großer Irrtum«. Zwar haben viele Protestler durchaus gehofft, daß Bashaar ein Katalysator des Wandels werden kann, doch in der Machtclique um die Assad-Familie seien substantielle Zugeständnisse an die Protestbewegung nicht durchzusetzen.

Umfassende innenpolitische Reformen, wie sie aktuell nötig wären, erfordern deshalb auch und vor allem eine Abkehr vom Primat der Außenpolitik. Die war für die Al-Assad-Dynastie seit Jahrzehnten von zentraler Bedeutung und hat, was vor allem für den Konflikt mit Israel gilt, seine Energien fast vollständig absorbiert. Syrien musste sich über Jahrzehnte in einem feindlichen regionalen Umfeld behaupten.

Doch der Autor zweifelt daran, daß die Staatsmacht noch umsteuern und ihr politisches Überleben sichern kann. Kristin Helberg sieht im Deutschlandfunk den Erfolg der syrischen Protestbewegung eher skeptisch, da sie bislang nicht die Integration der Mittelschicht erreichen konnte. Erst die gewalttätige Reaktion des Regimes habe die Bewegung radikalisiert und verbreitert. Sie analysiert die »Arbeitsteilung« innerhalb der Führung zwischen Gesprächsangeboten und krasser Repression, die ihr jedoch die Glaubwürdigkeit nehme:

Bashar Al Assad sei gar nicht in der Lage, das politische System grundlegend zu reformieren, meint Qurabis Kollege Haitham Manna in Paris. Denn der syrische Präsident sei hundertprozentig abhängig von den beiden Hauptstützen seiner Macht: dem Militär und den Geheimdiensten. Diese Struktur habe Bashar im Jahr 2000 von seinem Vater Hafiz Al Assad geerbt, erklärt der Sprecher der Arabischen Kommission für Menschenrechte.