Presseschau Beitrag

In der Gewaltspirale

Eine Ende des syrischen Bürgerkriegs ist nicht absehbar
In der Gewaltspirale
Bild von quantestorie

Seit einem Jahr brodelt der innere Konflikt in Syrien: Die Auseinandersetzungen sind längst zu einem Bürgerkrieg angewachsen, doch zugleich tobt eine Propagandaschlacht. Eine klare Bewertung ist daher schwierig. Die Opposition teilt sich in den Syrischen Nationalrat in Istanbul, der von verschiedenen Staaten unterstützt wird, und dem Nationalen Koordinationskomitee für Demokratischen Wandel, der in Syrien einen Wandel im Dialog mit der Regierung anstrebt. Während die Mehrheit der deutschen Medien die Sichtweise vertritt, daß die massive Gewalt der syrischen Regierung gegen die Proteste mit allen Mitteln gestoppt werden soll, gibt es auch gegenläufige Stimmen. So betonte Karin Leukefeld im Interview die widerstrebenden Stimmen der syrischen Opposition; Jürgen Todenhöfer wies dagegen auf die breite Unterstützung der Regierung in Teilen der Bevölkerung neben deren Gegnern hin und fordert ein differenzierteres Bild. Sowohl Todenhöfer als auch Leukefeld stehen mit ihrer Sichtweise in der Kritik als Unterstützer der Assad-Regierung.

Neben den beiden genannten Oppositionsfraktionen kämpft die Freie Syrische Armee in dem Bürgerkrieg und steht dem Syrischen Nationalrat nahe. Doch neben den syrischen Fraktionen für und gegen die Regierung hat sich der Konflikt längst internationalisiert. So wird der Syrische Nationalrat laut diverser Quellen durch Gelder verschiedener Staaten unterstützt; Staaten der Arabischen Liga erwägen die militärische Aufrüstung der Opposition. Auch aus dem Irak sickern Kämpfer ein: So wollen sunnitische Stammesmilizen durch eine neue sunnitisch dominierte Regierung in Syrien den schiitischen und iranischen Einfluß im Irak zurückdrängen. Zugleich wird die irakische Al-Qaida für Anschläge in Syrien verantwortlich gemacht. Auf der anderen Seite soll die libanesische Hisbollah in den Bürgerkrieg eingegriffen haben. Zugleich droht dem Iran der Verlust seines bedeutendsten Verbündeten in der Region.

Während Karin Leukefeld Assad als tragische Figur und als gescheiterten Reformer bezeichnet, sieht Volker Perthes ihn in den Blättern »als Modernisierer, nicht als Reformer«: Er habe Wirtschaft und Staatsapparat erneuert, aber eine politische Öffnung verschleppt. Die Reformen nach Beginn des Aufstands seien halbherzig, zugleich habe die Niederschlagung der Aufstände die Regierung Legitimation gekostet und sie international in die Isolierung getrieben. Fakt ist, daß sich auf Seiten der Regierung und der Opposition die Hardliner durchsetzen, welche auf militärischen Sieg an Stelle von Verhandlungen und eine friedliche Transformation setzen. Die internationale Gemeinschaft steuert dem nicht gegen. Die internationale Dimension des Konflikts läßt eine lange und harte Auseinandersetzung befürchten.

Eine wirklich differenzierte Berichterstattung über den syrischen Konflikt ist in den deutschen Medien leider kaum zu finden: Die Grundlage dafür wäre ein Aufstellung aller Akteure, ihrer Interessen und Verbindungen. Die Vereinfachung auf das Schema des gewalttätigen Regimes gegen die demokratische Opposition unterschlägt die Vielschichtigkeit dieses Regionalkonfliktes. Die syrische Regierung hat immer wieder die gewalttätigen Angriffe auf die Sicherheitskräfte betont: Ob Kräfte innerhalb der Opposition bereits in der Anfangsphase der Proteste tatsächlich auf militärischen Kampf setzten, ist nie ausreichend überprüft worden; dennoch delegitimiert dies keineswegs den Protest als Ganzes. Es besteht kein Zweifel, daß die syrische Regierung zur Niederschlagung des Aufstandes unverhältnismäßige Gewalt einsetzte. In welcher Form die Opposition dies ebenso tat, bleibt unklar. Der Report der arabischen Liga aus dem Januar 2012 ergab jedoch, daß mittlerweile keine Nachrichtensperre mehr besteht, denn zahlreiche Journalisten befinden sich in dem Land.

Kommentare

unberechtigte Kritik an Leukefeld & Todenhöfer

»Sowohl Todenhöfer als auch Leukefeld stehen mit ihrer Sichtweise in der Kritik als Unterstützer der Assad-Regierung.«

Was soll denn immer diese banale suggestive Meinungsmache?!

Ich würde es anders formulieren:
Sowohl Todenhöfer als auch Leukefeld stehen mit ihrer Sichtweise nicht in der Kritik als ‘Basher’ der Assad-Regierung.

Abwägen

Ich habe die Kritik an ihrer Position lediglich wiedergegeben, sie mir nicht zu eigen gemacht. Die Leser können sich in dieser Sache selbst ein Bild der Positionen machen. Wenn Todenhöfer mit Assad spricht oder Leukefeld bei der Deutsch-Syrischen Gesellschaft einen Vortrag hält, kann kaum der Rückschluß gezogen werden, sie würden Propaganda für die syrische Regierung betreiben. Bislang beruhen die Vorwürfe an den beiden Autoren auf keinem ausreichenden sachlichen Fundament.

Anderersherum schreibt Ines Pohl in der taz:

Es soll [in Bab al-Amr] kein Stein auf dem anderen bleiben, die Ausrottung der oppositionellen Bevölkerung ist das Ziel.

Wer von Ausrottung, also einem Genozid, spricht, sollte solche Aussagen belegen können. Ansonsten ist dies grottenschlechter Journalismus: Daß die Assad-Regierung Menschenrechtsverletzungen zu verantworten hat, daran kann kaum ein Zweifel bestehen. Ein Genozid (Ausrottung) ist jedoch eine völlig anderer Liga. Zugleich begehen laut dem Bericht der Arabischen Liga auch die Freischärler der Freien Syrischen Armee Menschenrechtsverletzungen.

In diesem Sinne betreiben viele deutschen Medien eine einseitige Berichterstattung, die sich häufig auf die Propaganda der Opposition stützt, die von unabhängiger Seite nicht überprüft worden ist. Auch in Libyen werden gezielt Falschinformationen in die Welt gesetzt. In einem Bürgerkrieg muß jeder Journalismus vor vorschnellen Schlüssen und Propaganda aller Beteiligten auf der Hut sein.

Daß also gerade Autoren wie Frau Pohl von Propaganda sprechen, wirkt in diesem Sinne peinlich.

zur friedens-fernen Intention der syrischen Opposition

die mitunter von Aussen gesteuerte syrische Opposition arbeitet - wie auch die lybische ‘Opposition’ ihrerzeit - mit militanten Abtrünnigen des Assad-Regimes & Rebellen (Terroristen) zusammen und will keine freie Demokratie für Syrien. Teile der Opposition scheinen eher an einer Flugverbots-Zone über Syrien interessiert zu sein, damit die westlichen NATO-Streitkräfte Frei-Zeichen für breitgestreute Bombenteppiche auf Syrien haben - 1:1 wie in Lybien! Es würde neben alAssads Truppen wieder zehntausende zivile Bürger treffen und tausende syrische Zivil-Opfer fordern.

Obendrein würde das Land in ein jahrelang andauerndes Chaos gestürzt und die Öl-Förderung wie sonstige Industrie wohl zum Erliegen kommen - siehe Bürgerkrieg in Lybien..

Das ist lange bekannt, wird leider nur selten differenziert beleuchtet in westlichen Medien..