Presseschau Beitrag

Falsche Zahlen

Durch gezielte Fehlinformation wird Stimmung gegen Hartz-IV-Empfänger gemacht
"Anstrengungsloser Wohlstand"? <br/>Foto von Robert Lender
"Anstrengungsloser Wohlstand"? Foto von Robert Lender

Ausgelöst durch die provozierenden Äußerungen des deutschen Außenministers Guido Westerwelle über angeblich in Massen schmarotzende Hartz-IV-Empfänger wurde die Sozialstaatsdebatte wiederbelebt. Die Argumente, die benutzt werden, um den Eindruck zu erwecken, die Transferleistungen seien zu hoch, sind dabei mitunter ungenau, unrepräsentativ oder gelogen. Das zu entlarven versuchte Martin Staiger in den Blättern bereits 2008 und zeigte, wie die Bildzeitung die einer vierköpfigen Familie zustehenden Hartz-IV-Bezüge um 22% höher angab als gesetzlich tatsächlich festgelegt. Auch die Quote der Missbrauchsfälle von Hartz IV wurde um ein Vielfaches höher dargestellt (15%) als aufgrund von Untersuchungen anzunehmen ist (2 bis 5%). Aber auch anderswo werden Regelungen, die nur eine Minderheit der Hartz-IV-Empfänger betreffen, bemängelt, um eine Kürzung der Bezüge für alle Hartz-IV-Empfänger zu rechtfertigen.

Etwa das viel zitierte, unrepräsentative Beispiel des alleinerziehenden Elternteils mit zwei Kindern. Denn die durchschnittliche Kinderzahl liegt in Deutschland seit fast zwanzig Jahren unter 1,4. Das heißt, dass es mehr Eltern gibt – egal ob zusammen oder getrennt lebend –, die kinderlos sind oder ein Kind jünger als 20 Jahre haben, als es Eltern gibt, die zwei oder mehr Kinder in diesem Alter haben. Eltern mit zwei Kindern im noch zu versorgenden Alter sind also die Minderheit und es ist anzunehmen, dass das auch für Langzeiterwerbslose gilt.1 Noch weniger allgemeingültige Beispiele führt z.B. die Neue Zürcher Zeitung an.

Bereits heute hat ein Hartz-IV-Bezüger mit drei Kindern (inkl. Wohnungs- und Heizungsgeld) netto fast gleich viel zu Verfügung wie ein vollangestellter Familienvorstand

Nur ungefähr 16 von 100 Frauen haben 3 oder mehr Kinder.2 Hier wird gezielt eine Atmosphäre der Wut auf Arbeitslosengeld-II-Empfänger erzeugt und kann schließlich dazu führen, dass die Grundsicherung für Erwerbslose pauschal gekürzt wird – mit Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung dank gezielter Fehlinformation.

  • 1. Zur Kinderzahl von ALG-II-Empfängern fehlen belastbare, öffentlich zugängliche Erhebungen.
  • 2. Laut Statistischem Bundesamt haben von den ca. 80% der Frauen, die Mütter sind, ca. 20% drei oder mehr Kinder.