Presseschau Beitrag

Alter und neuer Staat

In der Türkei beginnt die entscheidene Phase des Machtkampfs zwischen kemalistischen Eliten und Reformern
Schlüsselfigur: Der türkische Generalstabschef İlker Başbuğ mit dem britischen Außenminister 2007 <br/>Foto von Foreign Office, Flickr
Schlüsselfigur: Der türkische Generalstabschef İlker Başbuğ mit dem britischen Außenminister 2007 Foto von Foreign Office, Flickr

Das Militär ist seit der Gründung der Türkei ein Staat im Staat, welches bereits mehrere Male geputscht hat. Zugleich war das Land strategisches Bollwerk gegen den Ostblock. Im Zweifel hat sich in dieser Konstellation das undurchsichtige Netzwerk kemalistischer Eliten durchgesetzt. Die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan stellt diese Konstellation mit ihren umfassenden Reformen in Frage. Prompt wurden Putschpläne eines nationalistischen Netzwerkes in Armee und Nachrichtendiensten bekannt. Der Machtkampf zwischen den alten Eliten, repräsentiert durch die Partei CHE, und den Reformern kristallisiert sich nun anhand eines Urteils des konservativen Verfassungsgerichts heraus, welches Armeeangehörige der zivilen Gerichtsbarkeit entzieht.

Erdogan plant als Reaktion, diesen Punkt in einer Verfassungsnovelle einzubeziehen. Da dies der entscheidene Aspekt ist, an welchem die Rolle des Militärs als gegenüber der Politik unabhängigen Staatsorgans hängt, wird daran der Machtkampf über die Zukunft des Staates ausgetragen werden. Entscheidend wird die Stärke der Demokraten in der Armee sein. Es ist anzunehmen, dass die Ultranationalisten mit ihren gescheiterten und frühzeitigen Putschplänen den überwiegenden Teil ihres Pulvers verschossen haben und nicht mehr in der Lage sein werden, die Mehrheit der Generäle auf ihre Seite zu ziehen. Die Tatsache, dass die Verschwörung so schnell und umfassend an die Medien lanciert wurde,  deutet auf den wachsenden Einfluss der Demokraten auch im konservativen Staatsapparat hin.

Kommentare

Wer ist eigentlich Gareth Jenkins?

Der in diesem Interview der Welt als »Türkei Experte« vorgestellte Gareth Jenkins ist als Mitarbeiter des Silk Road Studies Programs nicht unbedingt der unvoreingenommenste Beobachter der derzeitigen Regierung Erdogans. Dieses Forschungsinstitut und Think Tank ist in einem Joint Venture mit der privaten John Hopkins Eliteuniversität, genauer der Paul H. Nitze School of Advanced International Studies, zusammengeschlossen. Hier wiederum finden sich  u.A. M. Albright, Z. Brzezinski oder P. Wolfowitz in trauter Runde vereint.

Es verwundert daher nicht, dass andere Pubklikationen so klingen: »For the United States, “U.S. involvement in the region [Central Asia] depends on the willingness of the host states to participate”, and should be tailored to the individual needs and desires of each state. Thus, U.S. military involvement in the region [Central Asia] is, and will continue to be, a symbiotic relationship designed to benefit all. […]« (aus: The New Nomads? The American Military Presence in Central Asia; Dan Burghard; Central Asia - Caucasus Institut, Silk Road Studies Program; S.18)

nachzulesen im Volltext hier:

http://www.silkroadstudies.org/new/docs/CEF/Quarterly/May_2007/Burghart.pdf

Website von Gareth Jenkins beim Silk Road Studies Program:

http://www.silkroadstudies.org/new/inside/staff/staff_web/jenkins.htm

Wikipedia zum Paul H. Nitze SAIS mit den oben genannten Vertretern und dem Verweis zum Silk Road Studies Program: Wikipedia

Peinlich für die Welt

Zumindest müßte die Zeitung einen Text zu ihrer »Quelle« angeben, die dessen politische Rolle beleuchtet. Es könnte sonst der Eindruck entstehen, die Zeitung spiele hier einen Stimmungsmacher.