Presseschau Beitrag

Der politische Preis

Gegensätzliche Sichtweisen zum diesjährigen Friedensnobelpreis
Kundgebung in Hong Kong im Frühjahr <br/>Foto von jeanyim
Kundgebung in Hong Kong im Frühjahr Foto von jeanyim

Nachdem im vergangenen Jahr mit Barack Obama ein Präsident eines Landes mit dem Friedensnobelpreis geehrt wurde, das zugleich mehrere Kriege führt, geht der Preis dieses Jahr an den chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo, der für seine Charta 08 eine langjährige Haftstrafe wegen Aufrufs zum Umsturz absitzen muß. Über diese Wahl gibt es geteilte Meinungen: Für Martin Winter steht in der taz der Einsatz für Menschenrechte, Pressefreiheit und Demokratie im Vordergrund. Auch wenn es in der Opposition nicht nur Zustimmung für die Thesen des Preisträgers gebe, kritisieren selbst chinesische Offizielle hinter vorgehaltener Hand die Haftstrafe.

Dieser Sichtweise stellt Sebastian Carlens in der jungen Welt ein völlig anderes Bild entgegen, indem er den Inhalt der Charta 08 untersucht: Denn diese sieht ein Ende der Volksrepublik China vor, an deren Stelle eine föderale westliche Demokratie mit umfassender Privatisierung der Wirtschaft und Rücknahme der Landreformen steht. In diesem Sinne sei die Darstellung Liu Xiaobos als Menschenrechtler verkürzt. Carlens stellt das Programm in den Kontext der chinesischen Geschichte. So sei bereits der Versuch, China nach einem westlichen Modell zu organisieren, gescheitert. Zwar setzt sich der Autor kaum mit dem chinesischen Repressionsapparat auseinander und stellt in erster Linie die offizielle chinesische Sicht dar. Doch verdeutlicht er die Konsequenzen der Auffassungen des Nobelpreisträgers und macht die harschen Reaktionen Chinas verständlich.