Presseschau Beitrag

Zeit zu Handeln

Ein Plädoyer für eine aktivere Politik der EU gegenüber Ungarn

Manchmal werden einschneidende politische Entwicklungen einfach verschlafen: Wurde bei der Wahl Victor Orbans durch die Zweidrittelmehrheit seiner Fidesz-Partei im vergangenen Jahr vor einer autoritären Entwicklung des Landes gewarnt, geriet das Thema bis zum neuen Mediengesetz im vergangenen Monat beinahe in Vergessenheit. Mag dies an der überschaubaren Zahl an Korrespondenten auf der Sprachinsel liegen oder aber, wie Jan-Werner Müller in der Zeit meint, an der Selbstbeschäftigung der Europäischen Union mit der Finanzkrise; die ungarische Regierung hat seit der Wahl eine hohe Schlagzahl hingelegt: Staatsbürgerschaft für ethnische Ungarn in den Nachbarstaaten, Beschneidung der Rechte des Verfassungsgerichts, und nun das neue Mediengesetz. Ganz offen und auch ganz legal strebt Orban eine autoritäre Staatsführung an.

Spricht Müller von der Idee der Revision der Staatsgrenzen von 1919 oder der Überwindung des Parteienhaders, so mag man sich an Ideen und Sprache der späten Weimarer Republik erinnert fühlen. Folgerichtig plädiert er für eine entschlossene Intervention der EU:

In Ungarn aber geht es nicht um Gesinnungen oder Intentionen: Die Regierung handelt seit Monaten und hat ihre politischen Karten auf den Tisch gelegt. Hier ist europäische Passivität nicht neutral oder folgenlos. Andere Länder in der Region beobachten sehr genau, wie die EU auf die Entwicklungen in Ungarn reagiert. Die Vorstellung, ein warnendes Wort beispielsweise des Ratspräsidenten Herman Van Rompuy oder der 26 anderen EU-Staaten würde erst recht zu nationalistischen Aufwallungen bei den Magyaren führen und Orbán zum Märtyrer machen, ist reine Spekulation: Es kann genauso gut zu Mäßigung beitragen in einem Land, das traditionell europafreundlich ist. In Österreich ist seinerzeit der befürchtete antieuropäische Rückstoß ausgeblieben.