Presseschau Beitrag
Schlechte Nachrichten
Die Krisenberichterstattung von deutschen und amerikanischen Medien steht zunehmend in der Kritik. Stefan Korinth wirft auf dem Blog Novo Argumente den deutschen Medien die Produktion von »Einheitsbrei« im Konflikt in und um die Ukraine vor. Es mangele an kontroversen Meinungen, letztlich setze sich ein Narrativ durch:
Ein despotischer Diktator lässt sein friedlich protestierendes Volk von brutalen Milizen niederknüppeln. Die Menschen, die sich »Europa« zuwenden wollen, sind gezwungen, sich selbst zu verteidigen. Der korrupte Herrscher lässt schließlich auf sein Volk schießen und flieht bei Nacht und Nebel, als die Menschen trotz vieler Todesopfer nicht weichen.
Die widersprüchlichen Facetten der Auseinandersetzung in Kiew werden dabei verschwiegen. An deren Stelle tritt ein Schema von Gut und Böse. Im konkreten Fall fehle ein ausreichendes Korrespondentennetz, insbesondere bei den öffentlich-rechtlichen Medien, um kenntnisreich die Hintergründe zu beleuchten. Die Journalisten sitzen in Moskau, und decken von dort den Raum der gesamten ehemaligen Sowjetunion ab. An den Schaltstellen der Osteuropa-Ressorts sitzen vor allem Journalisten mit transatlantischer Prägung:
Wenn eine gewisse Nähe zu den USA zentrale Voraussetzung für die spätere Tätigkeit als Osteuropa-Korrespondent ist, würde dies auch erklären, warum es bislang kaum Korrespondenten aus Ostdeutschland oder mit russlanddeutschem Wurzeln gibt.
Die Kritik an »gewohnten Deutungsmustern« – böses Russland, korrupter Diktator gegen gute und gerechte Demonstranten – wird auch von dem Politikwissenschaftler Simon Weiß geteilt, den das Medienmagazin Zapp interviewt. Die Sendung untermauert diese These durch eine kleine Presseschau deutscher Medienproduktionen. Die Interessen der EU sowie die Spaltung der Ukraine werden darin ebenso unterschlagen wie faschistische und antisemitische Tendenzen bei den Protestgruppen. Der Medienwissenschaftler Uwe Krüger begründet die Voreingenommenheit vieler Journalisten mit deren westlicher Sozialisation, die von einem Lagerdenken aus den Zeiten des Kalten Krieges geprägt sei. Eine schematische Dramaturgie sei schlicht billiger herzustellen als zeitintensive und teure Recherche.
Einen vergleichbaren Standpunkt nimmt der Wissenschaftler Stephen F. Cohen in der amerikanischen linksliberalen Zeitschrift The Nation ein. Denn die führenden Blätter in den Vereinigten Staaten halten dem Professor der New York University zufolge journalistische Mindestsstandards nicht ein. Weder werde zwischen Bericht und Analyse unterschieden, noch hinreichend kontroverse Expertenmeinungen eingeholt. Die Folge sei eine »Dämonsierung« des russischen Präsidenten, die nicht auf Fakten beruht.
Somit wird die Geschichte des gestörten Verhältnisses zwischen Russland und den USA unterschlagen, ausgehend von der provokativen Politik der USA in den 1990er Jahren und geprägt von der traumatischen Erinnerung vieler Russen an den wirtschaftlichen Niedergang in dieser Zeit. Die bewaffnete Opposition werde als friedlicher Protest verkauft und die tiefe Spaltung der Ukraine unterschlagen. Die NATO-Ostexpansion finde Cohen zufolge seine Fortsetzung in dem Programm für ein Raketenschild der USA und in der Einflußnahme durch die breite Unterstütung von NGOs in Georgien und der Ukraine.
Die Ereignisse in der Ukraine stellen einen ähnlich gelagerten Konflikt in Venezuela in den Schatten. Auch hier werden bewaffnete Regierungsgegner als Studentenproteste dargestellt. In einem offenen Brief an die ARD-Nachrichtenredaktion kritisiert das alternative Nachrichtenportal Amerika21 die öffentlich-rechtliche Darstellung des Konflikts. Denn es werde der Eindruck erweckt, die Polizei sei für die mittlerweile 21 Toten verantwortlich. Tatsächlich aber hätte die Polizei nur drei Menschen getötet, die Mehrzahl gehe auf Gewaltaktionen der bewaffnete Opposition zurück. Die ARD operiere mit falschen Zahlen, zudem haben Sicherheitskräfte auch Anhänger des Regierungslagers angegriffen und getötet. Mehere Mitglieder des Geheimdienstes SEBIN sind aufgrund des Vorwurfs der Tötung von Menschen beider Protestlager in Haft.
Auch das amerikanische Zentrum für Politik- und Wirtschaftsstudien CEPR wies auf die falsche Darstellung der New York Times hin, kein Fersehsender in dem südamerikansichen Land würde regierungskritische Stimmen ausstrahlen. Tatsächlich aber hätten aber mehrere Sender regierungskritische Beiträge in ihrem Programm. Solche Berichte unterstützen demnach die Opposition, die Venezuela als Diktatur hinstellen will. Die New York Times musste ihren Bericht nach einer Unterschriften-Kampagne korrigieren. Das CEPR wirft der führenden US-Zeitung vor, journalistische Standards nicht einzuhalten. So werde eine wirtschaftswissenschaftlich unhaltbare Statisik zur Inflation in Venezuela vom Cato-Institut unhinterfragt übernommen. Die Kalkulation wurde nicht in der Landeswährung vorgenommen, sondern in Dollar, so dass die Abwertung des venezuelanischen Bolívars zur Inflation hinzu gerechnet wird.