Presseschau Beitrag

Marktglaube und Wirtschaftstheorie

Eine Reihe zu den Gründen der Krise

In der dreiteiligen Interviewreihe des Deutschlandfunk »Lehren aus der Hyperkrise« befragt Stefan Fuchs die Wirtschaftstheoretiker Heiner Flassbeck, Paul Jorison und Robert Skidelsky. Dadurch entsteht ein vielfältiges Bild der Erklärungen für die Finanzkrise.

Der Ökonom Heiner Flassbeck hat unter dem Finanzminister Lafontaine versucht, in Zusammenarbeit mit Frankreich eine europäische Wirtschaftspolitik zu entwickeln: Mit der Eurokrise wird ein solcher politischer Rahmen für den Währungsraum wieder gefordert. Flassbeck kritisiert den Glauben an die Objektivität der Marktpreise. Die Rohölpreise beispielsweise basierten maßgeblich auf Spekulation, wodurch eine sinnvolle Planung auch alternativer Energieträger kaum möglich ist, da diese auf langfristigen Energiepreisen beruht. Schlimmer noch sei die Spekulation auf Lebensmittelpreise, durch die direkt Hunger ausgelöst werden kann. Er greift die herrschenden Vorstellungen in der Volkswirtschaftslehre an:

Weder in der Wissenschaft noch der Makroökonomie werden diese Fragen kritisch diskutiert. Die These von der Effizienz der Märkte hat man als Dogma über die gesamte Wirtschaftswissenschaft gestellt. Jeder, der auch nur ein Fragezeichen dahinter machen würde, hätte nie eine Chance, einen Artikel in einer wissenschaftlichen Zeitschrift zu publizieren, weil der Glaube an die Markteffizienz geradezu die Voraussetzung ist, um überhaupt Wissenschaftler zu sein.

In einer weiteren Folge der Reihe wird der Anthropologe und Soziologe Paul Jorison befragt. Er kritisiert das Kreditsystem insgesamt, da dadurch eine indirekte Herrschaft ausgeübt wird. Der Ordoliberalismus habe seine Theorien durch ein »Trial and Error Verfahren« getestet  und »quasi ein Laborexperiment mit der Weltwirtschaft« angestellt. Dieses Experiment basiere auf einer strategischen Interessengemeinschaft zwischen Finanzwirtschaft und Management, welche durch Aktienoptionen für die Manager erreicht wurde:

Seit der Mitte der 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts aber gibt es einen Faktor, der zumindest bei den großen Unternehmen dieses Kräftespiel ganz grundlegend verändert hat. Damals wurde das System der »Stock Options« eingeführt. Die Beratungsfirma McKinsey stellte in diesen Jahren Überlegungen an, wie man den Antagonismus zwischen Unternehmern und Kapitaleignern ausschalten, wie man aus beiden Gruppen unmittelbar Verbündete machen könnte. Ergebnis: Man muss die Interessenlage von Managern und Investoren gleichschalten. Das gelingt, wenn man die Manager mit Optionen auf die Aktien des eigenen Unternehmens belohnt.

Die Deutschen haben laut Jorison ihren Philosophen Kant vergessen, weil sie nicht verstünden, das ein Prinzip universell gültig sein müsste: »Aber alle können nicht Exportweltmeister werden.«

Im dritten Teil bietet Robert Skidelsky einen keynesianischen Blick auf die Weltwirtschaftskrise im Allgemeinen und zeigt interessante Einblicke in die Probleme der europäischen Währungskrise im Besonderen. Er fordert wie Flassbeck eine europäische Makrowirtschaftssteuerung – die politischen Eliten seien sich der Probleme aber nicht ausreichend bewußt. Alle Interviewten zeigen Skepsis, daß sich die Politik gegen die mächtige Finanzwirtschaft durchsetzen könne.