Presseschau Beitrag
Im Auge des Terrors
Regine Igel untersucht in einer dreiteiligen Serie auf Telepolis die Verbindungen des internationalen Linksterrorismus zur Staatssicherheit der DDR. Diese Verbindung von Terror und Nachrichtendiensten sei seit Mitte der 90er Jahre in der Zeitgeschichtsschreibung in den Hintergrund getreten – zu delikat sei das Thema. Die Autorin geht Hinweisen der Zusammenarbeit deutscher, japanischer und arabischer Linksterroristen nach. Die Recherche in der Stasi-Unterlagenbehörde gestalte sich auch durch die geschickte Verdunklungsstrategie des Dienstes schwierig, zumal auch Stasi-intern Teile der eigenen Arbeit verschleiert wurden. Auch westliche Nachrichtendienste haben kein Interesse, daß ihre Praktiken durch die Akten sichtbar werden. Dazu gehört auch die äußerst umstrittene Rolle von Verena Becker und ihrer Schwester Annelie.
Dazu interviewt Marcus Klöckner, ebenfalls auf Telepolis, den Wissenschaftler Wolfgang Kraushaar, welcher jüngst ein Buch über die mögliche Verbindung Beckers zum Verfassungsschutz veröffentlichte. Vorsichtig bezeichnet er die Geheimdienste als »große Unbekannte in der Entstehung und Entwicklung des Terrorismus«, zeigt somit aber die Notwendigkeit auf, die Erforschung der Zeitgeschichte zu intensivieren. Er bezeichnet den ungeklärten Mordfall an Ulrich Schmücker, der für den Verfassungsschutz die linksradikale Szene bespitzelte, als Schandfleck der deutschen Justiz. Der Fall deute auf die dubiose Rolle des Berliner Verfassungsschutzes, der womöglich auch Becker geführt habe – die aber eben nicht für Sicherheitsorgane des Bundes gearbeitet haben soll.
Als überaus schwierig bewertet Kraushaar die Forschung aufgrund der internationalen Vernetzung des Terrorismus, ohne die es die RAF wohl kaum gegeben hätte. Ebenso komplex sei die Zuständigkeit der verschiedenen Sicherheitsorgane. Er kritisiert die Haltung von Medien und Justiz, die sich schon darauf geeinigt hätten, daß neue Erkenntnisse nicht zu erwarten seien – eine Kritik, die er mit Igel teilt.
In meinen Augen kam darin nicht nur – um es höflich zu formulieren – ein mangelndes Problembewusstsein zum Vorschein, sondern auch die pure Missachtung der Tatsache, dass der Justiz und dem Rechtsstaat insgesamt in dieser ganzen Angelegenheit eine neuerliche Chance geboten worden war.
Eher skeptisch sieht er dagegen die These, die RAF könne Teil einer »Strategie der Spannung« gewesen sein. Von Interesse ist dabei die Carlos-Verfilmung des französischen Regisseurs Olivier Assayas, welche vor allem die Verbindung des internationalen Linksterrorismus zu den östlichen Diensten betont. Der Film ist dabei aufgrund mangelnder historischer Fakten teils spekulativ. Die Kritiken zu dem Film sind durchaus gespalten. Rüdiger Suchsland macht dabei zwei widersprüchliche Beobachtungen: Einerseits, daß alle Akteure ihr eigenes Süppchen kochen, und somit eine einheitliche Bewertung des Phänomens aufgrund zahlreicher und widersprüchlicher Motive kaum möglich ist. Anderseits, daß Terrorismus ohne die Mittel von Staaten kaum denkbar ist.