Das Internet hat ohne Zweifel zu einem dramatischen Wandel im Leseverhalten der politischen Interessierten geführt. Ein ganz neues Instrument der Informations- und Meinungsvermittlung, die Blogosphäre, ist entstanden. Sie tritt dabei nicht zuletzt auch in Konkurrenz zu den »professionellen« Journalisten, die bisher praktisch ein Monopol in diesem Bereich innehatten. Es stellt sich nun die Frage: Warum lesen Menschen Blogs? Was bekommen sie hier, das sie in herkömmlichen Medien vermissen? Wir, die Redaktion von das Dossier, freuen uns, unseren Lesern hier die Zusammenfassung einer Studie präsentieren zu können, die eben diese Fragen untersucht hat.
Der folgende Text stammt von Sola Hülsewig. Wir danken ihr für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung.
Im Rahmen meiner Studienarbeit am Institut für Journalistik an der TU Dortmund habe ich in einer nicht-repräsentativen Studie Leser ausgewählter Blogs mit dem Themenschwerpunkt Politik zu ihrer Einstellung gegenüber professionellem Journalismus befragt. Die Betreiber der Blogs NachDenkSeiten, Le Bohémien und Publikative.org hatten im November 2011 auf die Umfrage hingewiesen. Nach Ablauf des Erhebungszeitraums von acht Tagen standen für die Auswertung 1260 voll ausgefüllte Fragebögen zur Verfügung. Hier nun eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse.
Für die Untersuchung wurde zunächst folgende Hypothese aufgestellt: Die befragten Blogleser sind in der Mehrheit mit dem professionellen Journalismus unzufrieden. Diese Hypothese wurde nach Auswertung des Datensatzes weitestgehend bestätigt. Die Sichtweise der Befragten auf den professionellen Journalismus übertraf in ihrer Negativität sogar die Ergebnisse anderer, vorangegangener Studien zum selben Thema. So ergab die Untersuchung, dass der professionelle Journalismus bei den Befragten einen massiven Vertrauensverlust hinnehmen musste. Die große Mehrheit der Befragten (85%) fühlte sich durch den professionellen Journalismus nicht bzw. eher nicht ausreichend informiert. Sie waren der Ansicht, wichtige Themen würden ausgelassen oder nicht in ausreichendem Maße behandelt.
Die Kritikpunkte waren unter anderem, dass professionelle Journalisten nicht ausreichend mit den Themen vertraut seien, über die sie berichteten. Weder ein besonders hohes intellektuelles Niveau, noch ein breiteres Meinungsspektrum zu bedienen als Blogs, waren Attribute, die die Befragten dem professionellen Journalismus attestierten. Darüberhinaus warfen sie den traditionellen Massenmedien mehrheitlich vor, in der Berichterstattung nicht unabhängig von politischen oder wirtschaftlichen Interessen zu sein und teilweise sogar bewusst Stimmung für die Interessen von Machteliten zu schüren.
An die Hypothese anschließend wurde die Forschungsfrage 1 gestellt: In welchem Maße vertrauen die Leser den Informationen, die sie aus den von ihnen regelmäßig konsumierten Blogs beziehen? Verallgemeinernd kann hier festgestellt werden, dass die Blogleser die von ihnen regelmäßig verfolgten Blogs als wesentlich glaubwürdiger einschätzten als den Profijournalismus. So hielten nur 3% den etablierten Journalismus für glaubwürdiger. Gleichzeitig räumten sie jedoch auch die Existenz von unglaubwürdigen Blogs ein. Im Allgemeinen hoben die Befragten die Blogger in fast allen Aspekten positiv hervor, die sie bei den professionellen Journalisten bemängelten. So attestierten sie den Bloggern größere thematische Kompetenzen, Unabhängigkeit und Interaktion mit den Lesern. Außerdem waren sie der Ansicht, Blogs behandelten wichtige Themen, die der Journalismus auslasse oder falsch darstelle.
Forschungsfrage 2 lautete: Hat sich die Einstellung gegenüber Produkten des professionellen Journalismus und ihr Konsum bei den Befragten (nach eigenen Angaben) verändert seit sie Blogs lesen? Auch diese Frage lässt sich verallgemeinernd bejahen. Über die Hälfte der Befragten gab an, den professionellen Journalismus weniger zu schätzen, seit sie Blogs für sich entdeckt haben. Dies schlug sich auch in ihrem Medienkonsum nieder: 66% nutzen nach eigener Aussage weniger konventionelle Medienprodukte, als vor ihrer Bloglektüre. 12% der Blogleser – 144 Befragte – haben ein Zeitungs- oder Zeitschriftenabonnement abbestellt, seit sie Blogs lesen.
Aufgrund der Charakteristiken einer Ad-hoc-Stichprobe können die gewonnenen Daten als nicht-repräsentativ angesehen werden, weder für die Grundgesamtheiten der Leser deutscher politischer Blogs – noch für die Leser der drei Blogs, die die vorliegende Untersuchung unterstützt haben, da nicht erhoben wurde, von welchen Websites aus die Befragten auf die Fragebogen-Seite zugegriffen haben. Ein grundsätzliches Problem ist bei schriftlichen Umfragen ohne Interviewer naturgemäß, dass Fragen missverstanden werden können. Um diesem Problem entgegen zu wirken, wurden Pretests des Fragebogens mit drei verschiedenen Testpersonen durchgeführt. Unklarheiten in der Formulierung der Fragen, die hierbei auffielen, wurden beseitigt. Zudem war es im begrenzten Rahmen dieser Studienarbeit nicht vorgesehen, einen Fragenkatalog zusammenzustellen, dessen Beantwortung länger als 15 Minuten in Anspruch nehmen würde. Manche Fragestellungen, beispielsweise nach der generellen Glaubwürdigkeit von Informationen und im Speziellen der Informationen aus verschiedenen Quellen, hätten jedoch weiter ausdifferenzierter Fragen bedurft.
Dennoch gibt die Untersuchung mit ihrer verhältnismäßig großen Zahl an ausgefüllten Interviews (1260) ein Stimmungsbild ab, das als Indikator für bestimmte medienkritische Haltungen in der deutschen Bevölkerung dienen kann und deswegen Beachtung verdient. Hierfür spricht zudem die große Geschlossenheit, mit der die Antworten der Befragung zu Ungunsten des etablierten Journalismus in Deutschland ausfielen.
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