Presseschau Sicherheit

Jahre der Angst

Neofaschisten bombten und mordeten in den 70er und 80er Jahren im Auftrag des Staates
Bei dem Bombenanschlag auf den Bahnhof von Bologna 1982 starben 85 Menschen
Bei dem Bombenanschlag auf den Bahnhof von Bologna 1982 starben 85 Menschen Bild von ZIC photo

Seit Beginn des Kalten Krieges setzten die USA auf verdeckte Geheimoperationen: Ein Baustein waren die paramilitärischen Gladio-Einheiten, die bei einer sowjetischen Besatzung hinter der Front agieren sollten. Für diese streng geheime und der NATO untergeordnete Organisation wurden Rechtsradikale rekrutiert, da sie aufgrund ihrer anti-kommunistischen Haltung als zuverlässig galten. Doch Gladio wurde im Inneren eingesetzt; durch Terroranschläge wurde ein Klima der Angst erzeugt, in dem rigide Sicherheitsgesetze legitimiert werden.

Die krasseste Terrorserie erfolgte im Italien der 70er und 80er Jahre. Sie wurde teils linken Gruppen in die Schuhe geschoben, um den kommunistischen Einfluß zurückzudrängen und einen Putschvorwand zu liefern. Doch auch eine unerklärliche Terrorserie in Belgien sowie das Oktoberfest-Attentat in den frühen 80er Jahren stehen wahrscheinlich in diesem Zusammenhang. Ein Anfang diesen Jahres von ARTE ausgestrahlter Film bietet einen Überblick über die Strategie der Spannung: Ein staatstragender Terror, um den Ruf nach einem autoritären Staat auszulösen. Somit geht die Kooperation von Geheimdiensten mit Faschisten auf ein geheimes Zusatzprotokoll des National Security Act der USA von 1947 zurück. Da die Rolle, die Gladio wirklich gespielt hat, jedoch bislang unklar geblieben ist, plädiert der Film für eine Aufklärung durch Öffnung der Archive.

Angeleiteter Terror

Verstrickungen von Geheimdiensten in terroristische Strukturen haben in Deutschland eine lange Geschichte

Da die Ermittlungen zur atemberaubenden Anschlagserie der Gruppe namens Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) noch laufen und dabei ständig neue Aspekte an Licht kommen, fällt eine Einordnung bislang schwer. Die Zeit führt in ihrer aktuellen Ausgabe einige handfeste Indizien für eine Verwicklung von Behörden in den Fall an: Dabei sticht besonders der vormalige Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes Helmut Roewer hervor, dem rechtsradikale Positionen nachgesagt werden. Den Einstieg in die radikale rechte Szene fanden einige der NSU-Mitglieder allerdings im Thüringer Heimatschutz, der von einem V-Mann eben dieses lokalen Verfassungsschutzes (VS) aufgebaut wurde. Daß der VS – entgegen seinem Auftrag zur Beobachtung staatsfeindlicher Gruppierungen – gezielt terroristische Strukturen aufgebaut und gefördert hat, daran erinnert auch Eren Güvercin auf Telepolis anhand einiger islamistischer Gruppen: So wurde die berühmt-berüchtigte Sauerland-Gruppe von einem Hassprediger instruiert, der auf der Gehaltsliste der Geheimdienstler stand. Weiterlesen … »

Endlose Gewaltspirale

Der Drogenkrieg in Mexiko
Militärposten in Nordmexiko
Militärposten in Nordmexiko Bild von BiaÅ‚y

Noch immer herrscht Krieg in dem Land. Rivalisierende Drogenkartelle nutzen es zur Durchleitung ihrer Waren zu den Konsumenten in den USA. Felipe Calderon hat seit 2006 eine Militarisierung der Drogenbekämpung eingeleitet, da die Polizei überfordert und zudem hochgradig korrupt ist. Das geschah auch auf Drängen der USA hin. Zwei Jahre lang hat die NGO Human Rights Watch die aktuelle Lage untersucht. Ihre Ergebnisse sind bestürzend: Die neue Politik habe im Kampf gegen die Kartelle kaum Erfolge aufzuweisen. Ganz im Gegenteil, die Eskalation der Gewalt und die dramatische Menschenrechtslage habe die Armee weiter angeheizt. Auch mit systematischen Folterungen, dem »Verschwindenlassen« von Personen und Morden. Mittlerweile sterben jährlich über 10.000 Menschen in Gefechten zwischen den Kartellen, im Kampf dieser gegen den Staat - oder als unbeteiligte Zivilisten. Nicht nur die öffentliche Sicherheit hat so gelitten, auch das Justizwesen tut sich schwer mit der Aufklärung derartiger Verbrechen staatlicher Organe.

Scheinbare Offenheit

Der Bundesnachrichtendienst tastet sich an seine dunkle Geschichte heran
Modell des neuen Hauptquartiers in Berlin Mitte
Modell des neuen Hauptquartiers in Berlin Mitte Bild von Cornelius Bartke

Verschwiegenheit gilt als ein Prinzip des Nachrichtendienstgeschäfts. Doch der deutsche Bundesnachrichtendienst hat auch Gründe seine Vergangenheit im Dunkeln zu lassen, die nicht geschäftlicher Natur sind. Schließlich geht die Gründung auf Reinhard Gehlen zurück, der als vormaliger Chef des Wehrmachts-Nachrichtendienstes Fremde Heere Ost sich und seine vorsorglich versteckten Akten den Amerikanern anbot. Sein Kalkül, sich auf Seiten der Amerikaner in den Kalten Krieg zu retten, ging voll und ganz auf. Im Schlepptau band er in die neu geschaffene Organisation Gehlen, dem Vorläufer des BND, zahlreiche Wehrmachts-Offiziere und Nazis ein. Erst in den letzten Jahren wurde bekannt, daß auch international gesuchte Kriegsverbrecher zu den Agenten Pullachs gehörten. Der Journalist Ulrich Chaussy, der sich bereits seit längerem mit den Winkelzügen des Kalten Krieges beschäftigt, versucht für das ARD-Radiofeature eine Annäherung an die Geschichte des Dienstes. Weiterlesen … »

Dokumentation des Leidens

Der UNO-Bericht zu Folterungen in afghanischen Gefängnissen
Gefängnis in Kandahar
Gefängnis in Kandahar Bild von The Rachel Maddow Show

Im Auftrag des Sicherheitsrats haben UNO-Mitarbeiter seit Oktober 2010 knapp 400 Häftlinge in afghanischen Gefängnissen befragt – ohne die Anwesenheit von Wärtern und in ihrer jeweiligen Muttersprache. Dabei kamen Betroffene aus zahlreichen Provinzen zu Wort, aus insgesamt 47 Anstalten der Nationalpolizei, des Geheimdienstes und anderer Behörden. Fast alle der zufällig ausgewählten Inhaftierten werden beschuldigt, in unterschiedlicher Form an Aufständen gegen die Regierung teilgenommen zu haben, einige »gewöhnlicher« Delikte; ein nicht geringer Teil weiß überhaupt nicht, warum er verhaftet wurde. Die Ergebnisse sind insgesamt erschreckend: Fast die Hälfte von ihnen wurde gefoltert. Weiterlesen … »

Holpriger Übergang

Eine Reportage aus Libyen

Gaddafi ist immer noch untergetaucht, und seine Anhänger sind noch keineswegs besiegt. Die Sicherheitslage in Tripolis und anderen Städten ist weiter instabil. Nicolas Pelham hat sich vor Ort umgesehen, schildert den Kampf gegen den Diktator – aber auch den Kampf danach.

Alle Beteiligten versuchen nun, ihren Anteil am Sieg möglichst gewinnbringend in Posten und Privilegien umzumünzen. Das gilt für die Exilanten, für die Überläufer, für die Berber, die Soldaten aus dem Osten und die Aufständischen in Tripolis gleichermaßen. Es ist noch keineswegs entschieden, wer hier das Rennen macht – das gegenseitige Mißtrauen aber wächst in dem Maße, wie der gemeinsame Feind an Bedeutung verliert. Auch die ausländischen Mächte bemühen sich um entsprechende Honorierung ihrer Unterstützung.

Staatliches Nachladen

Der mutmaßliche Bundestrojaner gibt den Kritikern der Online-Überwachung Auftrieb

Dem Chaos Computer Club (CCC) dürfte einer der größten Scoops seiner Geschichte gelungen sein: Die Offenlegung des Codes des sogenannten Bundestrojaners. Dieser soll weniger der Online-Durchsuchung als vielmehr dem Abfangen verschlüsselter Kommunikation wie beispielsweise über Skype dienen. Frank Rieger vom CCC stellt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die schwierige Rekonstruktion des Programms verständlich dar. Die Hacker kritisieren die schlampige Programmierung, die vermutlich von einem Fachunternehmen angeboten wird. Dadurch könnten Dritte auf die staatlich gehackten Rechner zugreifen, zudem sei die Beweissicherheit fraglich. Schlimmer jedoch wiegt eine verborgene Hintertür, welche das Nachladen anderer Programmbestandteile ermöglicht. Dadurch könnte der Trojaner als Mittel der Telekommunikationsüberwachung zu einer Komplettüberwachung der Zielpersonen umgebaut werden.

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