Presseschau Staat und Wirtschaft

Geben ist seliger denn nehmen

Zum aktuellen Steuervorschlag des DIW

Wolfgang Lieb analysiert den jüngsten Vorschlag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zur Verbesserung der Staatsfinanzen. Kurz gesagt werden darin zwei Möglichkeiten behandelt: Eine Zwangsanleihe Vermögender, also die verpflichtende Verleihung ihres Geldes an den Bund ist eine Variante. Zu Recht merkt Lieb hierzu an, dass damit lediglich eine Umschichtung der Staatsschulden erreicht würde, nicht aber eine wirkliche Lösung. Schließlich müssten diese Kredite genauso verzinst und getilgt werden wie freiwillige Kredite an den Staat. Ein zweiter Vorschlag geht dahin, eine (einmalige) Vermögensabgabe zu erheben. Diese würde erst für Eigentum über 250.000 bzw. 500.000 Euro (für Ehepaare) gelten, Betriebsvermögen bis fünf Millionen bliebe ebenfalls befreit. So könnten Einnahmen von möglicherweise über 200 Milliarden Euro erzielt werden.

Gerade der zweite Vorschlag ist aus mehreren Gründen bedenkenswert. Zunächst würde damit der wachsenden Ungleichheit in der Gesellschaft entgegengewirkt - seit gut zehn Jahren profitieren fast ausschließlich Wohlhabende vom Wirtschaftswachstum. Außerdem würde so indirekt gewährleistet, dass die Begünstigten der staatlichen Bankenrettungspakete der Vergangenheit für die dabei entstandenen Kosten aufkommen würden. Hinzu kommt, dass mit einer Erhöhung der Staatseinnahmen die Ausgaben, gerade im Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich nicht gekürzt werden müssten. Im Übrigen bliebe die Kaufkraft der großen Bevölkerungsmehrheit erhalten, was die Binnennachfrage nicht belasten würde - anders, als das beispielsweise bei einer Erhöhung der Mehrwertsteuer der Fall wäre.

Wahlkampfrenner Millionärssteuer

Wird François Hollande den Sozialismus einführen?

Zumindest eines ist sicher: Hollande, Kandidat der französischen Sozialisten für die anstehenden Präsidentschaftswahlen, hat ein Gespür für Themen. Die Millionärssteuer dürfte darauf zurückzuführen sein. Angesichts klammer öffentlicher Kassen und immer noch bestehender Finanzspekulation ist die Idee ohne Zweifel populär. Franzosen mit mehr als einer Million Euro Jahreseinkommen sollen künftig 75 Prozent Einkommensteuer bezahlen. Wie so oft, steckt aber auch hier der Teufel im Detail. Denn tatsächlich betrifft das nur schätzungsweise 7.000 bis 30.000 Personen. Und selbst die könnten sich durch Abschreibungen arm rechnen, für ihr Einkommen unter dieser Schwelle würden sie ohnehin deutlich weniger zahlen. Der Umverteilungseffekt dürfte sich also sehr in Grenzen halten. Abgesehen davon liest sich Hollandes Programm sowieso nicht gerade revolutionär: Ein bisschen weniger sparen, eine Prise mehr Dezentralisierung - et voilà. Die von Sarkozy durchgesetzte Einbindung in die NATO beispielsweise soll dagegen beibehalten werden.

Wirtschaftsweise ratlos

Die Krise und die Wirtschaftswissenschaften

In einer dreiteiligen Interviewreihe setzt sich die Sendung »Essay und Diskurs« des Deutschlandradios mit der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise und der Lage der Wirtschaftswissenschaften auseinander. Dabei werden sowohl die Selbstwahrnehmung der Disziplin durch viele ihrer Vertreter als auch die vorherrschende Schule der neoklassischen Ökonomik kritisch hinterfragt.

So kritisieren Martin Wolf, Chefkommentator der »Financial Times« und Mitglied des »Institute for New Economic Thinking« (»Institut für neues ökonomisches Denken«) und André Orléans, französischer Ökonom und Mitverfasser des »Manifeste d´économiste atterrés« (»Manifest der bestürzten Ökonomen«), dass die Wirtschaftswissenschaften sich zur Zeit eher als Natur- denn als Sozialwissenschaft verstünden. Daher seien sie blind für die Wechselwirkungen zwischen Wirtschaft und Gesellschaft, behandelten ihre Forschungsergebnisse häufig fälschlicherweise wie naturwissenschaftliche Fakten und erhöben den unerreichbaren Anspruch, die Zukunft des Wirtschaftsgeschehens vorherzusagen. In diesem Zusammenhang kritisiert Wolf vor allem den vielzitierten homo oeconomicus, der ständig rational seine Profitmöglichkeiten kalkuliert und sich an diesen orientiert, als »unerträgliche Abstraktion«. Weiterlesen … »

Eine lange Geschichte

Schulden als Hebel der Umverteilung
Oligarchie oder Demokratie?
Oligarchie oder Demokratie? Bild von CmdrCord

Der Ökonom Michael Hudson beschreibt die Geschichte der Staatsschulden seit ihren Anfängen bei den Sumerern über die Antike und Frühe Neuzeit bis heute. Immer wieder stösst er dabei auf Konflikte zwischen Gläubigern und der breiten Masse der Bevölkerung. Der Staat nimmt dabei je nach Machtverteilung eine bestimmte Rolle ein. Mal dient er einer kleinen Oligarchie als Mittel zur Eintreibung ihrer Gelder, mal verfügt er einen allgemeinen Schuldenerlass zugunsten der Vielen. Heute wäre es seine Aufgabe, entweder letzteres durchzuführen oder zumindest über eine angemessene Besteuerung einen Teil der Vermögen wieder der Allgemeinheit zuzuführen.

Es gehört seit der Antike zu den geschichtlichen Konstanten, dass die Interessen von Gläubigern in Widerspruch zu denen der Demokratie wie auch des Königtums gerieten, die in der Lage gewesen wären, der finanziellen Eroberung der Gesellschaft und einer nahezu autonomen Dynamik Grenzen zu setzen, welche den ökonomischen Überschuss in zinstragende Schuldtitel verwandelte.

Milchmädchenrechnung auf höchstem Niveau

Ein Kommentar zum EU-Gipfel

Die Beschlüsse des jüngst vergangenen Gipfels nimmt Elmar Altvater zum Anlass, mit der aktuellen Krisenpolitik abzurechnen. Diese diene fast ausschließlich den Interessen der Banken. Hinzu komme, dass die Chancen für einen ökologischen Umbau wieder einmal verpasst worden seien. Sie sei aber auch ökonomisch gesehen nicht erfolgversprechend:

Denn die Krisen­bekämpfung ist nicht nur unsozial und un­demokratisch, sie ist obendrein unwirksam. Um das zu erkennen, reichen schon Grundkenntnisse in der volkswirtschaftlichen Saldenmechanik. Diese lehrt, dass in einem geschlossenen System nicht alle zugleich sparen können, dass die Überschüsse der einen die Defizite der anderen sind. Alle europäischen Länder können nur dann einen Haushalts- und Leistungsbilanzüberschuss erzielen, wenn ein neoliberales Wunder passierte oder realistisch unterstellt werden könnte, dass die USA und China oder Japan und andere Länder Defizite einfahren. Über diesen quacksalberischen Irrealismus lachen schon die Hühner.

Konfusionen und Interessen

Zu den Ergebnissen des EU-Gipfels
Konfusionen und Interessen
Bild von europeanpeoplesparty

Die Kommentatoren beschäftigten sich aus zwei Gründen mit den jüngsten Entscheidungen: Zum einen wegen der beschlossenen Fiskalunion, zum anderen wegen des Neins der Briten. Die neuen Regeln werden dabei weitgehend positiv bewertet, etwa von Spiegel Online – die FTD dagegen glaubt, sie seien zwar richtig, aber nicht nachhaltig genug. Die FAZ weist darauf hin, dass sie weitaus gravierender sein werden, als bislang bekundet – denn die Finanzpolitik habe entscheidende Bedeutung.

Großbritanniens Sonderpolitik wird dagegen eher skeptisch aufgenommen. Der Tenor lautet herbei, das Land wäre zwar grundsätzlich willkommen in der EU, nicht aber mit seiner permanenten Blockadehaltung. Nur in Teilen wird darauf verwiesen, Camerons Haltung sei der Londoner Finanzbranche geschuldet. Und das, obwohl selbst Außenminister William Hague explizit darauf verwiesen hat, wie die Tagesschau zitiert. Die junge Welt erklärt das britische Unbehagen so: Die Banken der Londoner City würden penibel auf ihre unregulierte Sonderrolle achten, die Industrie dagegen habe jenseits des Kanals schon lange ihre Bedeutung verloren. Deshalb könne man auf den europäischen Absatzmarkt für deren Produkte eher verzichten als auf die liberale Politik gegenüber der Finanzbranche. Weiterlesen … »

Die Schere geht weiter auf

Eine Analyse zur Verteilung des Reichtums

Eine neue Studie kommt zu altbekannten Ergebnissen: Abgesehen von einer kurzen Trendwende während der Wirtschaftskrise sinkt die Nettolohnquote weiter. Das bedeutet, der Anteil der Arbeitnehmer am gesamten Einkommen nimmt ab, während die Einkünfte aus Vermögen steigen. Die Schere zwischen Armen und Reichen geht also weiter auf.

Schuld an dieser Entwicklung ist nach Claus Schäfer, dem Verfasser der Analyse und Chef eines gewerkschaftlichen Wirtschaftsforschungsinstituts, nicht zuletzt die ungerechte Steuerpolitik. Während die Steuern auf Arbeitseinkommen und Konsum weiter steigen, sinken jene auf Gewinne. Das zeigt sich besonders deutlich bei einer langfristigen Betrachtung. Der Anteil am gesamten Steueraufkommen von ersteren hat sich seit 1960 von 37,5% auf 71% erhöht, während letztere von 34,7% auf 19,5% gesunken sind. Damit wird aber nicht nur die Ungleichheit in der Gesellschaft verstärkt, sondern auch die wirtschaftliche Entwicklung gehemmt. Denn die zusätlichen Gewinne fließen nur begrenzt als Nachfrage in den Kreislauf zurück, ein Großteil wird dagegen mehr oder weniger spekulativ investiert. Das schafft kaum Arbeitsplätze, aber dafür umso mehr Finanzkrisen.

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