Zwanzig Jahre später
Vor zwanzig Jahren ereignete sich in der sächsischen Kleinstadt Hoyerswerda das erste gegen Ausländer gerichtete Pogrom im vereinigten Nachkriegsdeutschland. Junge Neonazis schmissen Steine und Molotowcocktails auf ein Asylantenheim und nahmen dabei den Tod der Bewohner in Kauf. Die Flüchtlinge mussten Hoyerswerda später verlassen. Heute, nach zwanzig Jahren, kehren drei von ihnen zurück, um die Stadt zu besuchen. Auf der Straße erleben sie dieselbe Situation wie damals. Sie werden von einer Gruppe Neonazis angepöbelt und bedroht. Noch heute hat Hoyerswerda ein Problem mit dem Rechtsextremismus. Dennoch gibt es auch Fortschritte zu verzeichnen. Seit den Angriffen auf das Asylantenheim wurden Initiativen gegründet und Projekte ins Leben gerufen. Eine Ausstellung erinnert, wenn sie auch nicht von einem „Progrom“, sondern von „Übergriffen“ spricht, erstmalig an die Ereignisse.
Gut vernetzt
Das Blog Politically Incorrect (PI) gilt als Zentralorgan rechtspopulistischer »Islamkritiker«. Die populärsten Thesen der Autoren des Blogs sind wohl jene von der angeblichen »Islamisierung« Europas durch eine allmähliche kulturelle Unterwanderung des Westens, der auf diese Bedrohung nur mit falschem »Appeasement« zu reagieren wisse. So wird auf PI offen gegen Muslime und »Gutmenschen« polemisiert und vor der Einführung islamischen Rechts in Europa gewarnt - laut den Betreibern des Blogs, vor allem dem Kölner Sportlehrer und PI-Kopf Stefan Herre, aber immer innerhalb der Grenzen, die das Grundgesetz der freien Meinungsäußerung setzt. Die Kommentare, die sich auf der Seite finden, sprechen jedoch eine andere Sprache. Dort sind rassistische und volksverhetzende Äußerungen eher die Regel als die Ausnahme. Weiterlesen … »
Der neue Sündenbock
In der Not zeigt der Mensch sein wahres Gesicht. Während die Menschen in Oslo ihre Toten betrauern, zeigt sich in der europäischen Öffentlichkeit immer deutlicher die Fratze des Muslimenhasses. Zu einem Zeitpunkt, als es noch gar keine Informationen zu den Hintergründen des grausamen Anschlags in Norwegen gab, wussten einige Redakteure, »Terrorismusexperten« und Internetnutzer schon, wer dafür verantwortlich sein soll: Islamisten. Wie sich später herausstellte, war der Attentäter ein rechtsextremer Norweger. Reflexhafte Schuldzuweisungen dieser Art illustrieren den immer offener zu Tage tretenden Hass auf Muslime in Europa – weit über die sogenannten Stammtische hinaus bis in die Redaktionsstuben. Rassismus fasst langsam wieder Fuss in Europa.
Brandbeschleuniger
Der Bundesinnenminister warnte im November eindrücklich vor der Gefahr von Terroranschlägen in Deutschland. Quellenlage und Seriösität der Warnungen blieben unbekannt, ein Anschlag blieb bislang aus. Doch seit dem Sommer hat es bereits 6 Brandanschläge gegeben – auf Moscheen in Berlin. Bisher entstand nur Sachschaden, Menschen wurden nicht verletzt. Das Online-Portal Migazin, das sich die bessere Kommunikation zwischen Migranten und Ureinwohnern in Deutschland auf die Fahnen geschrieben hat, berichtete über die Anschlagsserie: Die Frage steht im Raum, ob die aktuelle Debatte über Migration eine eskalierende Rolle spielt. Auf der anderen Seite erstaunt das geringe Medienecho im Vergleich zur Migrationsdebatte sowie den Terrorwarnungen. Kritisiert wird, daß islamfeindliche Gewalt bislang in der Kriminalstatistik nicht ausreichend erfaßt wird. Eine Studie der Uni Münster stellte eine hohe Islamfeindlichkeit im europäischen Vergleich in Deutschland fest.
Radikalisierung in der Krise
Erstaunlich genau deckt sich der Befund der Studie Deutsche Zustände des Bielefelder Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung zu Vorurteilen mit den Ergebnissen einer Untersuchung vom Oktober zu Rechtsextremismus: Nahmen die rechtspopulistischen, sexistischen und homophoben Einstellungen langfristig eher ab, ist im Jahr 2010 im Vergleich zum Vorjahr ein signifikanter Anstieg der Islamfeindlichkeit zu erkennen. Besonders ausgeprägt sei die Zunahme rechtspopulistischer Einstellungen sowie eine Entsolidarisierung im Bürgertum. Die wachsende Islamfeindlichkeit hatte bereits eine Studie der Uni Münster gezeigt: Sie sei in Deutschland stärker ausgeprägt als in anderen europäischen Ländern. Weiterlesen … »
Der Extremismus der Mitte
Erschreckend und zugleich wenig überraschend sind Studien über Fremdenfeindlichkeit und Ressentiments seit Theodor Adornos »Studien zum autoritären Charakter«. Seitdem hat Deutschland sich verändert, jedoch zeigt auch die Studie Die Mitte in der Krise. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland, daß ein Viertel der deutschen Bevölkerung ausländerfeindliche Einstellungen hat; der Anteil der Befürworter einer Diktatur sank von 2002 bis 2008 von 7,7% auf 3,7%, stieg 2010 allerdings wieder auf 5,1%. In Bezug auf die meisten reaktionären Einstellungen sind seit der letzten Erhebung die Werte gestiegen: Die Autoren der von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegebenen Studie folgern daraus, daß die Weltwirtschaftskrise zu einer Verunsicherung geführt habe. Weiterlesen … »
Blinde Hysterie
Stefan Weidner analysiert die in den letzten Jahren in Deutschland entstandene Anti-Islambewegung. Im Unterschied zu anderen europäischen Ländern ist sie hierzulande damit gescheitert, sich politisch zu formieren. Weder gibt es eine bundesweite, bekannte Anti-Islampartei noch nimmt sich eine der etablierten Parteien der Thematik an. Den Grund dafür sieht der Autor u.a. in der Präsenz dieses Protests in der Mitte der Medienlandschaft: So lange ihm dort ein Forum gegeben wird, so lange benötigt er keine politische Formierung. Außerdem geht die Islamkritik selten über pauschale, auf Unkenntnis fußende Äußerungen hinaus. Politische Forderungen zu stellen würde es nötig machen, sich zu konkretisieren. Dabei lebt gerade diese Bewegung von einem imaginierten Islambild — das immun ist gegen Argumente, Sachlichkeit oder Logik:
Der Kernsatz dieser Glaubenslehre lässt sich auf eine denkbar einfache Formel bringen: Der Islam war nie gut, ist nicht gut und kann nicht gut sein.
Der regelmäßig erhobene Vorwurf, es herrsche ein Denkverbot bei diesem Thema, ist, so Weidner, v.a. Ergebnis der mangelnden Übersetzung des Protests in politische Konsequenzen.
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