Presseschau Besiedlung

Verfahrensfragen

Wie kann Bürgerbeteiligung in der repräsentativen Demokratie aussehen?

Der Konflikt um Stuttgart 21 ist auch einer zwischen Staat und Gesellschaft: Bauplanungen der Exekutive und der Wunsch nach Mitsprache der Bürger prallen aufeinander und zeigen Mängel der  repräsentativen Demokratie auf. Dieser Konflikt kristallisiert sich in Planfestellungsverfahren, die den Bürgern meist nur einen scheinbaren Einfluß bieten, wie ein Beitrag von Deutschlandfunk Hintergrund am Beispiel der Hamburger Stadtbahn zeigt. Politikwissenschaftler und Juristen verweisen darauf, daß das Machtverhältnis zwischen Bürgern und Behörden neu austariert werden muß. Sollen neue Planfestellungsverfahren angestrebt werden, oder direkte Demokratie bei Großprojekten obligatorisch werden? Und wer hat die Deutungsmacht über das Gemeinwohl?

Die Komoren, Frankreich und ein Abschiebelager

Die Insel Mayotte wird zu einem Überseedepartment und 1/3 der Bevölkerung ohne französischem Pass muss weichen

Im Jahr 1974 stimmten die Bewohner der Komoreninsel Mayotte gegen die Loslösung von Frankreich. Sie standen damit fortan im Gegensatz zu den verbliebenen drei Komoreninseln, die als »Union der Komoren« ihre Unabhängigkeit erlangten. Im nächsten Jahr nun soll Mayotte den Status eines Überseedepartments erhalten und somit allen anderen französischen Departments gleichgestellt werden, so z.B. im Bereich Sozialhilfe, Mindestlohn und Kindergeld. Doch gilt dies nur für Menschen, die eine französische Staatsbürgerschaft vorweisen können, wodurch eine bereits existierende Trennung auf der Insel und in der gesamten Region eskaliert. Ein Bericht des Weltspiegels zeigt die Folgen dieser Grenzziehung auf. Er schildert das Leben in Frankreichs größtem Slum und einem völlig überfüllten Abschiebelager. Weiterlesen … »

Kampf um die Stadt

Hamburg als Vorposten der Kritik an der Stadtpolitik

In Hamburg hat eine seltene Allianz von Bürgern, Künstlern und Autonomen ein Zeichen des Unmuts gegen eine Stadtpolitik in Deutschland gesetzt, die ihr Heil in der kommerziellen Aufwertung vormals sozial schwacher Bezirke sucht. Nicht nur im Schanzenviertel explodieren die Mietpreise, Investoren haben in vielen deutschen Städte Innenstadtbezirke wie St.Pauli oder Kreuzberg als Anlageobjekte entdeckt. Ein Feature des NDR von Ute Jurkovics und Gudrun Kirfel leuchtet die soziale Situation und die Spannungen in der Schanze aus der Perspektive ihrer Bewohner aus und zeigt, was eine Reportage ausmacht. Der Erfolg der Kritiker der Stadtumstrukturierung liegt nicht zuletzt an der Fähigkeit der Szene, ihren Standpunkt öffentlich darzustellen, wie in der sehenswerten Dokumentation Empire St.Pauli.

Obdachlose an den Stadtrand

Prager Sozialstadtrat will Lager für Menschen ohne Bleibe
 <br/>Foto von philip.bitnar
Foto von philip.bitnar

Der Prager Stadtrat für soziale Angelegenheiten Jiri Janecek möchte am Stadtrand ein Sammellager für obdachlose Menschen errichten. Janecek verspricht eine „Oase“ mit Suppen, Ärzten und Sozialarbeitern. Einige der Obdachlosen halten dies für eine gute Idee und träumen schon von warmen Decken. Die Prager Heilsarmee sieht das eigentliche Problem damit jedoch nicht gelöst und erwidert sogar, dass auch viele Menschen freiwillig in Konzentrationslager gegangen seien, in der Hoffnung auf ein neues Leben. Auch die taz schreibt, dass so das Elend der Obdachlosen aus dem Stadtzentrum vertrieben werden solle. Der Sozialstadtrat sagt, es werde ein freiwilliges Lager. Er gibt aber zugleich zu, dass Obdachlose häufiger kontrolliert werden sollen, sodass „sie selbst merken, dass sie im Lager am meisten Ruhe haben.“

Kampf um Symbole

Welche Rolle spielen Künstler bei der Aufwertung von Städten?
Im Gängeviertel in Hamburg <br/>Foto von lucky catz
Im Gängeviertel in Hamburg Foto von lucky catz

Als berechtigt und zugleich rückwärtsgewandt sieht Jan Füchtjohann in der Süddeutschen Zeitung die Proteste gegen Aufwertung von Stadtteilen. Die künstlerische Avantgarde, die sich in Hamburg und Berlin den Protesten anschließt, habe keine neuen Konzepte zur Gestaltung der Städte.  Eine »Dämonisierung« der Proteste erkennt der Stadtsoziologe Andre Holm auf seinem Blog in diesem Beitrag:

Die Argumente von Jan Füchtjohann sind mit flotter Feder formuliert – aber mindestens so oberflächlich wie seine etwas verschrobene Kurzzusammenfassung der bisherigen Gentrification-Forschung.

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Township-Blüte

Eine Geschichte der kulturellen Vielfalt vor der Apartheid

Kalamazoo war ein Township am Rande Johannesburgs, in dem Zulus, Portugiesen, Inder, Juden und Chinesen zusammenlebten: Hier entstanden ein neues Miteinander und neue Musikstile. Dieser vielfältige Bergbauort war jedoch dem Apartheidsregime ein Dorn im Auge und es ließ ihn abreißen. Tom Schimmeck interviewte Zeitzeugen, die mit verklärtem Blick die Vergangenheit lebendig werden lassen und ein Panorama der Geschichten und Probleme des Südafrikas der letzen 50 Jahre malen.

Archiv des Schreckens

Guatemalas dunkle Vergangenheit im Kalten Krieg

Guatemala eint mit vielen mittel- und südamerikanischen Ländern eine blutige Vergangenheit im Kalten Krieg. Das Land zwischen Mexiko und Honduras war besonders schlimm betroffen: Durch Methoden der Aufstandsbekämpfung verloren zwischen 150.000 und 250.000 Menschen ihr Leben. Dabei handelte es sich um einen regelrechten Genozid an der indigenen Bevölkerung, in dem von US-Militärs ausgebildete Sondereinheiten außer Kontrolle gerieten. Eher durch Zufall wurde 2005 das Polizeiarchiv gefunden, das die Schreckensherrschaft der 80er Jahre dokumentiert: Millionen teils verrottete Dokumente wurden seitdem archiviert und digitalisiert. Dadurch ist Bewegung in die Aufarbeitung der Vergangenheit gekommen; die Verbrechen sorgen für Kontroversen in der guatemaltekischen Gesellschaft.  Uli Stelzner hat den Dokumentarfilm »La Isla« über das Archiv und die schmerzhafte Vergangenheit gedreht, der vor kurzem Premiere hatte.

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