Presseschau Evo Morales

»Tanz zwischen sozialen Bewegungen und staatlicher Organisation«

Südamerika am Scheideweg
Protestierende Bergarbeiter in La Paz, Bolivien
Protestierende Bergarbeiter in La Paz, Bolivien Bild von Szymon Kochanski

Seit gut zehn Jahren haben in einer Reihe von südamerikanischen Ländern neue linke Regierungen die alten, neoliberal orientierten ersetzt. Doch trotz einiger beachtlicher Erfolge in der Armutsbekämpfung und der staatlichen Sozialpolitik ist ein grundlegender Strukturwandel bisher ausgeblieben. Das hat vielfältige Ursachen. Zunächst sind die politischen Eliten – ob neu oder alt – an der Erhaltung ihrer Posten und Privilegien interessiert. Eine bürokratische Schicht entfernt sich so immer weiter von den Bewegungen von unten. Das gilt für Ecuador, Venezuela und Bolivien. In anderen Ländern wie Brasilien oder Argentinien war ein radikaler Wandel sowieso nie der Anspruch der Regierungen. Ihnen geht es um einen sozial gezähmten Kapitalismus. Ein grundlegendes Problem ist jedoch überall die enorme Macht transnationaler Konzerne, vor allem im Bergbau und Agrarsektor. Flankiert wird das von einer weiter bestehenden Abhängigkeit von den Finanzmärkten und ihren Krediten und Investitionen. Noch ist also keineswegs ausgemacht, ob die sozialen Bewegungen ihren Einfluss erhalten und vielleicht sogar ausbauen können. Weiterlesen … »

Rechtspluralismus in Bolivien

Indigene und westliche Justiz im Widerstreit

Seit 2009 gilt in Bolivien eine neue Verfassung, die explizit auch die besondere Rolle der indigenen Bevölkerungsteile hervorhebt. Dazu gehört auch, deren traditionelle, dörfliche Rechtsprechung anzuerkennen. Das ist allerdings umstritten: Dort gibt es nämlich keinerlei vereinheitlichte Rechtsnormen oder Prozessordnungen. Die Urteile fällen die Dorfversammlungen oder dafür gewählte Vertreter nach ihren je eigenen »Prinzipien, kulturellen Werten, Normen und Verfahren«, wie es in der Verfassung heißt. Dazu gehört zum Beispiel, Wiedergutmachung, nicht Bestrafung anzustreben.

Vor allem die Todesstrafe aber sorgt für hitzige Diskussionen. Sie ist zwar offiziell verboten, wird aber gelegentlich von diesen Indiogerichten noch immer verhängt. Jedenfalls zeigt sich immer wieder, wie schwierig es ist, traditionelles und modernes Recht gleichberechtigt nebeneinander existieren zu lassen. Die Indios selbst sehen die Verfassung vielfach als Schritt hin zu mehr Autonomie und weg von der alten kolonialen Ordnung – die ihnen viele Pflichten, aber nur wenige Rechte brachte.

Von Halunken und Hoffnungen

Ein Interview mit Jean Ziegler

Der Globalisierungskritiker Jean Ziegler äußert sich im Gespräch mit Martin Lejeune zu vielen aktuellen Themen. Vor allem aber über die Notwendigkeit einer neuen politischen Bewegung, die seiner Ansicht nach im Entstehen ist und die er als »planetarische Zivilgesellschaft« beschreibt.

Die Internationalisierung der Information zeigt die Welt, wie sie ist, in der Unmittelbarkeit: sterbende Menschen in Haiti, Sudan, Somalia und Bangladesch. Da gibt es doch den Aufstand innerhalb jedes Betrachters, der informiert ist und sagt: »So eine Welt will ich nicht!«

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