Presseschau Konzepte

Eine notwendige Debatte

Zum Verhältnis der Kirchen zum Staat

Im Zuge von Rücktritt und Neuwahl des Papstes wird in allen Medien ausführlich über die - katholische - Kirche berichtet. Nur wenig liest man aber über ein nach wie vor heikles Thema: die vielfältigen Verflechtungen zwischen dem deutschen Staat und den beiden öffentlich-rechtlichen Kirchen. Dabei gäbe es hierbei viel Diskussionsstoff.

Angefangen mit dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, das u.a. zu verringerten Rechten ihrer immerhin 1,3 Millionen Beschäftigten führt. Diese haben beispielsweise kein Streikrecht. Brisant ist auch die Tatsache, dass diese beiden Glaubensgemeinschaften basierend auf Regelungen aus dem 19. Jahrhundert noch immer vom Staat jährlich dreistellige Millionenbeträge erhalten. Begründet wird das mit den Enteignungen von Kirchengütern im Rahmen des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803. Allerdings regt sich Widerstand, fraktionsübergreifend ist sich der Bundestag einig, dass die Ansprüche mit einer einmaligen Zahlung endgültig abgegolten werden sollen.

Es geht aber nicht nur um finanzielle Aspekte. Karl-Heinrich Mengel verweist darauf, dass die Abhängigkeiten hier auf beiden Seiten bestehen. Denn die Kirchen müssten aufgrund dieser engen Verbindung auch Rücksichten nehmen. Insgesamt konstatiert der Autor ein »teils vordemokratisches Verhältnis« zwischen Staat und Kirchen in Deutschland. Und das ist umso problematischer, wenn man bedenkt, dass jedes Jahr etwa 300.000 Menschen aus den Kirchen austreten.

 

»Wir können auch anders«

Ein Fall in Bayern deutet auf einen eingeschränkten Rechtsstaat

Rechtlosigkeit, Polizeiwillkür und illegale Absprachen zwischen Behörden vermuten die meisten Menschen hierzulande in weit entfernten Staaten. Doch auch Deutschland ist weit weniger ein Rechtsstaat als im Selbstbild gedacht. Besonders krass zeigt dies ein Fall in Bayern: Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung soll ein Polizeibeamter versucht haben, einen Zeuge mit der Pistole am Kopf zu einer Aussage zu erpressen. Als der Schrotthändler nicht seine Beteiligung am Verdunkeln eines Mordes zugeben wollte, schickte ihm der Staatsanwalt eine Kontrolle auf seinen Schrottplatz, mit der Wahl zu kooperieren oder eine horrende Strafe für falsche Lagerung zu zahlen. Der Staatsanwalt würdigte den Angeklagten in seinem Plädoyer als »Abschaum der Menschheit« herab. Weiterlesen … »

Von Scheichs und Scheinen

Wer befeuert eigentlich die Kommerzialisierung des Fußballs?
Von Scheichs und Scheinen
Bild von Paolo Camera

Niels Kadritzke gibt einen lesenswerten Überblick zur Lage im Profifußball. Dabei werden auch strukturelle Veränderungen deutlich. Bis vor wenigen Jahren waren es vor allem schwerreiche Mäzene wie Roman Abramowitsch, diverse Ölscheichs oder Massimo Moratti, die sich für dreistellige Millionenbeträge Spieler, Erfolge und damit Prestige kauften. Daneben gibt es nun den Typ Investor, der auf einen finanziellen Rückfluss hofft, so etwa die Glazer-Familie im Fall von Manchester United.

Das große Geld kommt immer weniger von den Zuschauern im Stadion, wichtiger sind mittlerweile Fernsehgelder, Werbeeinnahmen und Marketing. Die zunehmende Attraktivität des europäischen Clubfußballs besonders in Asien führt dazu, dass auch dortige Geldgeber Mannschaften kaufen. Die lauthals beklagte Söldnermentalität der Profis hat letztlich aber auch die Ursache, und darin unterscheidet sich Kadritzkes Analyse von anderen, dass die Fans das Geschehen weitgehend kritiklos hinnehmen. Jedenfalls so lange, wie »ihr« Verein Stars kauft und Investoren anlockt. Die Kommerzialisierung droht allerdings mittelfristig den sportlichen Wettbewerb zu verzerren, die Ligen bringen immer häufiger dieselben Titelträger hervor. Interessant auch ein Detail am Rande: Sowohl die Eintrittskarten wie auch die Spielergehälter stiegen in den vergangenen zwanzig Jahren weitaus stärker als die Durchschnittseinkommen. Je mehr die Fans bezahlen, desto größer wird die Kluft zwischen ihnen und dem Sportspektakel.

Herrschaftsinstrument Verfassungsschutz

Der Geheimdienst wurde in Thüringen zur Unterwanderung parlamentarischer Parteien eingesetzt
Trinkaus: Der Verfassungsschutz lässt Nazis linke Ästhetik übernehmen
Trinkaus: Der Verfassungsschutz lässt Nazis linke Ästhetik übernehmen Bild von Indymedia

Ein Panorama der Absonderlichkeiten erblickt der Betrachter im Kaleidoskop des NSU-Skandals. Dieser Komplex erweitert sich mittlerweile über die Frage einer Mordserie und der Verstrickung von Behörden hinaus. Gerade als die Innenminister ein neues NPD-Parteiverbotsverfahren beabsichtigen, erschüttert eine Meldung die skandalerprobte Öffentlichkeit. Durch einen MDR-Bericht wird aufgedeckt, mit welchen Methoden der »Verfassungsschutz« arbeitet: Der Erfurter NPD-Chef Kai-Uwe Trinkaus wurde vom Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz als V-Person »Ares« geführt. Mit ausdrücklicher Billigung der Behörde schleuste er ein Mitglied seiner Partei als Spitzel bei der Fraktion der Linkspartei in Thüringen und bei den Jusos ein. Die NPD agiert somit als verlängerter Arm des Verfassungsschutzes beim Ausspionieren von Parlamentariern. Weiterlesen … »

Frieden durch Abschreckung?

Zu den Atomwaffen im Kalten Krieg - und danach
Atomwaffentest
Atomwaffentest Bild von vaXzine

Der Historiker Eckart Conze - einer breiteren Öffentlichkeit durch seine Mitwirkung an »Das Amt« bekannt geworden - analysiert die Rolle der Atomwaffen im Kalten Krieg. Das häufig formulierte Argument, gerade die extreme Vernichtungskapazität dieser Bomben habe den Frieden gesichert, stellt er dabei in Frage. Denn das setze voraus, dass alle Beteiligten rational handeln, also die Folgen ihrer Entscheidungen abwägen würden. Das sei zwar damals so gewesen, ist aber keineswegs selbstverständlich. Gerade heute, in einer zunehmend unübersichtlicher werdenden Welt, könne davon immer weniger ausgegangen werden.  Hinzu komme, dass der Kalte Krieg immer ein äußerst prekärer Frieden war: Die zahlreichen, schweren Krisen zeigten das. Hinzu komme noch die enorme wirtschaftliche Belastung durch die massive Aufrüstung. Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass es mehrfach gerade auch in der BRD starke Friedensbewegungen gab, die sich mit ihren Anliegen aber nicht durchsetzen konnten.

Kommentar

Sicher hat Conze Recht mit seiner Betonung, dass der Kalte Krieg, gerade im Rückblick, stabiler scheine, als er war. Und ja: Die Kosten der Rüstung allein richteten schon extreme Schäden an, ohne dass die Bomben überhaupt eingesetzt wurden. Das bedeutet aber zugleich, dass irgendwer von dieser Aufrüstung auch enorm profitierte: Sei es die westliche Industrie oder das sowjetische Pendant eines bürokratischen Apparats. Vor allem aber sieht Conze heute die Gefahr vor allem in Regimes wie Iran oder in einem möglichen Nuklearterrorismus begründet. Das wäre noch zu hinterfragen. Denn Fakt ist: Der bis heute einzige Einsatz von Atomwaffen im Krieg wurde von der Regierung eines demokratischen westlichen Landes angeordnet. Und umgekehrt: Warum geht er davon aus, dass die Regierung in Teheran nicht rational handelt? Man muss die Ziele dieses Regimes ja nicht teilen oder verteidigen - aber es wäre kaum seit über 30 Jahren an der Macht, wenn es sich irrational verhalten hätte. Vielmehr zeigen viele Fälle aus der jüngeren Vergangenheit ja gerade, dass es rational agiert. Und dazu gehört unter Umständen auch der Wille, Atomwaffen zu besitzen. Im Übrigen war bis dato noch keine Terrorgruppe in der Lage, sich Atomwaffen zu beschaffen oder gar einzusetzen. 

Krieg der Kulturen?

Über den angemessenen Umgang mit gezielter Provokation

Florian Rötzer widmet sich der Frage, wie Medien, Politik und letztlich die Bevölkerung selbst Provokationen begegnen sollen. Gerade am Beispiel des neuen Mohammed-Films wird die Problematik des Ganzen deutlich. Den Film selbst nutzen radikale Islamisten, um Hass gegen »den Westen« zu schüren. Hierzulande wiederum instrumentalisieren Gruppen wie die islam- und ausländerfeindliche Partei Pro Deutschland genau diesen Hass und die damit verbundenen Gewaltakte, um ihrerseits Hass zu produzieren. Die Mechanismen der Massenmedien wiederum dienen schon allein durch ihre Berichterstattung genau diesen, eigentlich marginalisierten Gruppen. Denn sie können jetzt eine enorme Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Eine Lösung des Dilemmas ist dagegen nicht in Sicht. Weder sei es akzeptabel, den Film zu verbieten, noch, über die Ereignisse nicht zu berichten. In beiden Fällen wäre die Meinungsfreiheit in Gefahr. Am sinnvollsten scheint da noch ein unaufgeregter, nüchterner Blick zu sein. 

Ein Plädoyer für den Sozialstaat

Eine Rede von Albrecht Müller

In prägnanter Form hat der Herausgeber der NachDenkSeiten, Albrecht Müller, die Geschichte des deutschen Sozialstaats in den letzten Jahren nachgezeichnet. Besonderes Augenmerk legt er dabei auf die Fragen: Wer profitierte von seinem Abbau? Mit welchen   Argumenten wurde er begründet? Müller zeigt auf, wie ganz konkrete Interessen hinter dieser Politik stehen, und wie das mit geschickten Methoden verschleiert wurde. Nicht zuletzt kommt er aber auch darauf zu sprechen, was dem entgegenzustellen wäre. Seine Thesen sind dabei keineswegs neu. Es lohnt sich aber dennoch eine Lektüre dieses Textes, weil er pointiert ein Phänomen zusammenfasst, das uns alle betrifft.

Inhalt abgleichen