Presseschau Muslimbruderschaft

Al-Jazeera von innen

Wie ein kritischer Sender sich wandelt

Al Jazeera galt viele Jahre als das journalistische Aushängeschild der arabischen Welt: Kritisch, unabhängig, professionell. Aktham Suliman, ehemaliger Mitarbeiter des Senders, ist vor einiger Zeit dort ausgestiegen, denn er beklagt die zunehmende Instrumentalisierung für politische Zwecke. Das zeige sich insbesondere im Zusammenhang mit dem arabischen Frühling, der nicht zuletzt durch Medien wie Al Jazeera beeinflusst worden sei. Ein Interview als Akt der Selbstreflexion über Ethik im Journalismus und die schleichende Korrumpierung durch Geld, Ruhm und Korpsgeist.

Die enteignete Revolution

Was ist aus dem arabischen Frühling geworden?
Protestdemo gegen die Reformverschleppung. Tahrirplatz Kairo, am 8. Juli 2011
Protestdemo gegen die Reformverschleppung. Tahrirplatz Kairo, am 8. Juli 2011 Bild von mmoneib

Werner Pirker analysiert den Stand der Dinge in den arabischen Ländern: Wohin haben sich die Revolutionen entwickelt, und warum? Besonderes Augenmerk richtet er dabei auf die Politik des Westens. Dieser habe dem Wandel anfangs eher skeptisch gegenübergestanden, da die jahrzehntelang erprobte Kooperation mit den autoritären Eliten in Gefahr geriet. Später habe man sich stattdessen darauf verlegt, die Neuordnung zumindest nachhaltig zu beeinflussen.

Als entscheidenden Wendepunkt sieht Pirker den Fall Bahrain: Eine Volksbewegung wurde hier von den reaktionären Golfdynastien brutal unterdrückt. Und die USA, die eng mit dem Regime zusammenarbeiteten, auch wegen der großen Militärbasis vor Ort, schauten zu. In Libyen dann nahm man mittels direkter Militärintervention massiv Einfluss, ähnliches steht in Syrien bevor. Von zentraler Bedeutung ist schließlich Ägypten als bevölkerungsreichstes Land der Region. Hier erstickte erst die westlich unterstützte Armee die Volksbewegung, dann übernahm die Organisation der Muslimbrüder die Macht. Deren Charakter erscheint zwiespältig: »Sie hat zwei Gesichter, das eine ist der Demokratie zugewandt, das andere der Oligarchie.« Es bleibt jedenfalls vorerst offen, ob die Umwälzungen schon beendet sind oder es einen neuen revolutionären Schub geben wird.

Konservative und Fundamentalisten sind nicht das gleiche

Zum Wahlergebnis in Ägypten
Wahllokal in Ägypten
Wahllokal in Ägypten Bild von Jonathan Rashad

Die ersten freien Parlamentswahlen in Ägypten seit Jahrzehnten endeten im Januar. Der renommierte Nahost-Fachmann Olivier Roy sieht darin ein Aufbrechen der vorherrschenden politischen Kultur der letzten 60 Jahre. Wie zu erwarten war, triumphierten die sog. Islamisten (47% der Stimmen), sprich Kulturkonservative mit religiös unterfütterten politischen Vorstellungen. Weil sie jahrzehntelang vom politischen Geschehen in Ägypten ausgegrenzt wurden, besitzen sie große Glaubwürdigkeit bei den Wählern. Überraschend dagegen ist der Wahlerfolg der Salafisten (24,6% der Stimmen), also Fundamentalisten, die sich an ihrer Vorstellung, wie das Gemeinwesen zu Mohammeds Zeiten ausgesehen haben soll, orientieren. Dass sich diese Gruppe, die eigentlich parlamentarische Demokratie bzw. eine pluralistische Gesellschaft überhaupt ablehnt, gezwungen sieht, an den Wahlen teilzunehmen, um nicht in der Bedeutungslosigkeit zu versinken, spricht für die Verankerung demokratischen Denkens in der ägyptischen Öffentlichkeit. Weiterlesen … »

Das Eis schmilzt

Die Lage in Ägypten

Noch ist vieles unklar im Land am Nil. Zunächst hat es die Lage beruhigt, als die Söhne des bisherigen Machthabers verhaftet wurden – ebenso wie zahlreiche andere alte Politgrößen. Andererseits sind viele in Sorge, dass das Militär nicht entschlossen genug den Wandel vorantreibt, sich mit kleinen Zugeständnissen am Ende gar dauerhaft an der Macht halten will.

Die politische Landschaft ist unübersichtlich nach dem Verbot der Regierungspartei NDP. Die neuen Kräfte sind noch kaum organisiert, und die Muslimbrüder durch innere Auseinandersetzungen geschwächt zwischen radikalen Islamisten und Reformern. Letztere lehnen eine konsequente Islamisierung des Landes ab und finden sich vor allem unter den jüngeren Mitgliedern.

Das Ende der Facebook-Revolution?

In Ägypten wird bald gewählt

Der Militärrat in Ägypten hat mit einigen Verfassungsänderungen die Weichen auf schnelle Wahlen gestellt; noch im Herbst sollen Parlament und Präsident neu bestimmt werden. Die entsprechende Volksabstimmung hat am 19. März eine Dreiviertelmehrheit für die Vorschläge ergeben.

Das ist aber nicht unbedingt als Zeichen des Aufbruchs zu interpretieren, wie Kritiker bemängeln. Denn die raschen Wahlen stellen die Aktivisten vor große organisatorische Probleme: Ihre politischen Strukturen befinden sich erst im Aufbau. Ganz im Gegensatz zu den Muslimbrüdern und der alten Regierungspartei NDP, die auf feste Verbindungen zurückgreifen können. Möglicherweise verhindert die überhastete Demokratisierung so paradoxerweise einen wirklichen, grundlegenden Wandel im Land.

Ende einer Ära

Wer folgt auf Husni Mubarak?
Verblassende Ära: Präsident Husni Mubarak <br/>Foto von efouché
Verblassende Ära: Präsident Husni Mubarak Foto von efouché

Seit 30 Jahren ist Husni Mubarak Präsident von Ägypten. Seine autoritäre Herrschaft stützt der ehemalige Kampfpilot auf das Militär und auf den Ausnahmezustand, der mit Unterbrechungen seit der Ermordung seines Vorgängers Anwar as-Sadat 1981 gilt. Doch seine Ära neigt sich dem Ende zu; Adam Shatz blickt in der Le Monde diplomatique auf die Geschichte des bevölkerungsreichsten arabischen Staates zurück: auf den Einflußverlust in der arabischen Welt, die Hinwendung zum Westen, die ökonomische Liberalisierung ohne politische und die Bekämpfung der Opposition durch einen omnipräsenten Überwachungsstaat. Die wachsende Bedeutung des Islam ist im Alltag spürbar. Weiterlesen … »

Thronfolge und wachsende Opposition

Die politischen Verhältnisse in Ägypten

Stephan Roll analysiert die politischen Verhältnisse in Ägypten mit Blick auf die kommenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Dabei zeichnet sich in dem autoritär geführten Land mittelfristig eine Machtübergabe des 81jährigen Staatschefs Husni Mubarak an seinen Sohn Gamal ab. Letzterer kann dank seiner Wirtschaftspolitik auf die Unterstützung der Oligarchie zählen. Gleichzeitig verspricht die erwartete Kontinuität in der Außenpolitik, dass mit den umfangreichen Mitteln der US-Militärhilfe die Interessen der mächtigen Armeeführung weiterhin berücksichtigt werden.

Die restriktiven Verfassungsänderungen und Repressionen gegen Regimegegner können jedoch nicht verhindern, dass soziale Spannungen, Bevölkerungswachstum und Korruption zu einer erstarkenden Opposition führen. Insbesondere die mittlerweile recht gemäßigt agierende Muslimbruderschaft ist im Aufwind.

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