Presseschau Mustafa Abdul Dschalil

Libyen unter der Lupe

Eine Bestandsaufnahme
Die zerstörte Stadt Sirte im Januar 2012
Die zerstörte Stadt Sirte im Januar 2012 Bild von EU Humanitarian Aid and Civil Protection

Joachim Guilliard schildert in einem ausführlichen Bericht die aktuelle Lage in dem nordafrikanischen Land. Sein Urteil fällt drastisch aus, aus mehreren Gründen:

Die Entwicklung in Libyen nach der »Befreiung« ist hier schon lange kein Thema mehr, steht nun doch mit Syrien der nächste Kandidat für einen »Regime Change« im Zentrum des Interesses. Ein Blick auf das heutige Libyen würde dabei nur stören, zeigte dieser doch – wie zuvor schon in Afghanistan und Irak – keinen positiven Wandel, sondern nur Zerstörung, Chaos, Willkür und Gewalt sowie die offensichtlichen wirtschaftlichen Interessen hinter dem Krieg.

Als Belege führt er zahlreiche durch internationale NGOs dokumentierte Menschenrechtsverletzungen an, zu denen auch Ermordungen und Folter zählen. Der Übergangsrat besitzt offenbar weder den Willen noch die Fähigkeiten, dem willkürlichen Treiben der Milizen ein Ende zu bereiten. Der Wiederaufbau des zerstörten Landes geht nur sehr schleppend voran, selbst dort, wo ausländische Konzerne ein vitales Interesse vertreten, etwa in der Ölindustrie. Ursachen dafür sind die angespannte Sicherheitslage, die unsichere politische Zukunft und bürokratische Hürden. Hinzu kommen noch Rivalitäten zwischen den einzelnen Regionen - besonders die ölreiche Ostprovinz um Bengasi verlangt mehr Autonomie. Ob der Krieg bzw. der Eingriff der NATO tatsächlich zu deren erfolgreichsten Einsätzen zählt, wie das Generalsekretär Rasmussen behauptete, bleibt noch immer zweifelhaft.

Teufel und Beelzebub

Sind die neuen Machthaber in Libyen besser als die alten?
Die umkämpfte Stadt Sirte
Die umkämpfte Stadt Sirte Bild von ExpoSocialism

Schon seit Beginn des libyschen Bürgerkrieges gab es immer wieder Hinweise, dass – von beiden Seiten – massiv Menschenrechte verletzt wurden. Die NGO Human Rights Watch dokumentiert nun einen aktuellen und besonders schweren Fall. Demnach sind vor wenigen Tagen in Sirte, dem letzten Widerstandsort der Gaddafi-Anhänger, über 50 Tote entdeckt worden. Viele Indizien weisen darauf hin, dass sie nicht im Kampf gefallen sind, sondern regelrecht hingerichtet wurden.

Es stellt sich nun die Frage, ob die neuen Machthaber bewusst Tötungen angeordnet haben. Fraglich sind nach wie vor die Umstände von Gaddafis Tod; offenbar ist man an einer detaillierten Aufklärung nicht interessiert. Möglicherweise sind die Vertreter des Übergangsrates aber auch einfach nicht in der Lage, die zahlreichen Bewaffneten im Land zu kontrollieren. Dazu passt, dass es in der letzten Tagen zu zahlreichen Plünderungen gekommen ist.

Holpriger Übergang

Eine Reportage aus Libyen

Gaddafi ist immer noch untergetaucht, und seine Anhänger sind noch keineswegs besiegt. Die Sicherheitslage in Tripolis und anderen Städten ist weiter instabil. Nicolas Pelham hat sich vor Ort umgesehen, schildert den Kampf gegen den Diktator – aber auch den Kampf danach.

Alle Beteiligten versuchen nun, ihren Anteil am Sieg möglichst gewinnbringend in Posten und Privilegien umzumünzen. Das gilt für die Exilanten, für die Überläufer, für die Berber, die Soldaten aus dem Osten und die Aufständischen in Tripolis gleichermaßen. Es ist noch keineswegs entschieden, wer hier das Rennen macht – das gegenseitige Mißtrauen aber wächst in dem Maße, wie der gemeinsame Feind an Bedeutung verliert. Auch die ausländischen Mächte bemühen sich um entsprechende Honorierung ihrer Unterstützung.

Gleichung mit vielen Unbekannten

Die neuen Machthaber in Libyen

Noch immer ist weitgehend unklar, wer die neuen Machthaber eigentlich sind und für welche politischen Ideen sie stehen. Im Wesentlichen kann man drei Gruppen ausmachen: Die westlich orientierten ehemaligen Exilanten, die alten Weggefährten Gaddafis, die rechtzeitig abgesprungen sind. Und, als dritte im Bunde, die Islamisten, die auch schon höhere Posten bekleiden.

Dem Übergangsrat geht es aktuell offenbar darum, möglichst viele Strömungen zu integrieren, um weitere Konflikte zu vermeiden. Fraglich ist allerdings, wie lange diese Politik Erfolg haben wird. Über die zukünftige Ordnung in Libyen ist bis dato jedenfalls noch kaum etwas entschieden.

Wer steht da auf?

Gaddafis Gegner

Bisher ist noch weitgehend unklar, wer eigentlich die Aufständischen in Libyen sind und welche Kräfte hier eine gewichtige Rolle spielen. So ist umstritten, wie groß der Einfluss der Islamisten ist – und darüber hinaus, wie radikal sie sind. Ähnliches gilt für die Bedeutung der traditionellen Stammesverbände.

Aber auch die Figuren des Provisorischen Nationalrates, wie ihr Vorsitzender Mustafa Abdul Dschalil, sind schwierig einzuschätzen. Einerseits gilt er als profilierter Verfechter von Menschenrechten, andererseits hat er als Justizminister Gaddafis Regime lange mitgetragen. Weiterlesen … »

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