Presseschau Parlament

Kritik à la carte

Demokratische Defizite werden in Europa weitgehend ignoriert
The winner takes it all: Parlament in Bukarest
The winner takes it all: Parlament in Bukarest Bild von Nanel4

Undurchschaubare Ränke beherrschen die Politik in Rumänien. Ebenso wie die Nachbarstaaten Ungarn und Bulgarien ist der Karpatenstaat alles andere als eine Musterdemokratie, und trotz des Beitritts zur Europäischen Union ist das Land eines der ärmsten Europas. Um soziale Kämpfe handelt es sich beim Streit zwischen Ministerpräsident Victor Ponta und dem Präsidenten Traian Basescu jedoch nicht. Vielmehr geht es um einen Machtkampf. Der Präsident soll wegen unrechtmäßiger Ausdehnung seiner Kompetenzen des Amtes enthoben werden. Nach der Suspendierung durch das Parlament soll das Volk darüber befinden. In diesem Verfahren beschneidet das Parlament jedoch die Rechte des Verfassungsgerichts. Das wiederum empört europäische Regierungen – weit stärker als die Kompetenzüberschreitungen des Präsidenten. Dieser hatte sich zuvor durch seine Sparpolitik gegenüber Brüssel erkenntlich gezeigt. Zugleich ist er durch herablassende und rasssistische Bemerkungen gegenüber Minderheiten bekannt.

Andere Stimmen kritisieren seinen Opponenten, den Ministerpräsidenten Ponta, dessen Ansehen durch eine Plagiatsaffäre gelitten hat. Ponta betreibe das Amtsenthebungsverfahren mit Hilfe seiner Koalition aus Sozialdemokraten und Liberalen, um die Justiz unter Kontrolle zu bekommen, liest man in der Le Monde: Somit solle die Behörde zur Korruptionsbekämpfung unter Kontrolle gebracht werden. Zudem verfolge er die Interessen des undurchsichtigen Politikers und Medienmagnaten Dan Voiculescu, dem Verbindungen zur ehemaligen Staatssicherheit Securitate nachgesagt werden. Weiterlesen … »

Geben und Nehmen auf Capitol Hill

Wie Lobbyismus im amerikanischen Parlament funktioniert
Geben und Nehmen auf Capitol Hill
Bild von citron_smurf

Die Einflussnahme privater Unternehmen auf die Gesetzgebung ist seit längerem Gegenstand öffentlicher Debatten. Die subtile Funktionsweise des Lobbyismus im amerikanischen Parlament erklärt Ezra Klein anschaulich im New York Review of Books. Dabei kommt er ohne die sonst allgemeine Unterstellung aus, die Abgeordneten würden böswillig, wider besseres Wissen handeln. Vielmehr ist seit den 90er Jahren ein symbiotisches System zwischen Abgeordneten und ihren Mitarbeitern auf der einen und Lobbyisten auf der anderen Seite entstanden, das die ungewünschte Einflussnahme herbeiführt – die einzelnen Akteure in dem System handeln aus ihrer Sicht lauter. Weiterlesen … »

Das Schweigen der Lämmer

Fraktionsdisziplin vor Meinungsfreiheit
Das Schweigen der Lämmer
Bild von Eduardo Zotes Sarmiento

Schon lange sind die Debatten im Bundestag - und ähnlich sieht es auch in den Länderparlamenten aus - zu eher drögen Veranstaltungen verkommen. Die Argumentationen sind vorhersehbar, eine wirkliche, direkte Auseinandersetzung findet oft gar nicht statt. Nicht selten werden die »Rede«beiträge sogar nur schriftlich eingereicht. Nun hat eine ganz große Koalition aus FDP, Union und SPD einen Vorstoß gewagt, die Meinungspluralität mit Hilfe der Geschäftsordnung noch weiter zu begrenzen. Demnach sollen praktisch nur noch die Fraktionen Redner bestimmen können. Abweichende Standpunkte, wie zuletzt im Zusammenhang mit dem Euro-Rettungsschirm, dürften dann fast gar nicht mehr im Plenum vertreten werden. Ein Armutszeugnis für die Demokratie.

Das Wartehaus Europas

In Griechenland ist das Scheitern der europäischen Einwanderungspolitik unübersehbar

Razzien sind an der Tagesordnung, die Internierung in ungenutzte Militärlager ist vorgesehen. Die Lage für Flüchtlinge ist in Griechenland nach wie vor desaströs. Die hohe Zahl an Migranten bei einer fehlenden Struktur für die Aufnahme und einer katastrophalen Haushaltslage schürt die Stimmung für rechtsradikale Positionen. Wassilis Aswestopoulos zeigt jedoch den entscheidenen Hintergrund dieser zunehmenden Spannung auf: Das Dublin-II Abkommen läßt die Grenzstaaten der Europäischen Union mit der Einwanderungsproblematik allein. Denn Flüchtlinge müssen in dem ersten Land, in welches sie in der EU einreisen, Asyl beantragen. Dadurch sind ausgerechnet die Staaten von der Einwanderung betroffen, die von der Eurokrise am härtesten getroffen wurden. Im Niedriglohnsektor, in dem viele Einwanderer beschäftigt wurden, arbeiten zunehmend Einheimische. Die Unfähigkeit auf nationaler und europäischer Ebene eine neue Lösung der Probleme anzustreben, führt zum andauernden Bruch europäischer Verträge.

In der Gewaltspirale

Eine Ende des syrischen Bürgerkriegs ist nicht absehbar
In der Gewaltspirale
Bild von quantestorie

Seit einem Jahr brodelt der innere Konflikt in Syrien: Die Auseinandersetzungen sind längst zu einem Bürgerkrieg angewachsen, doch zugleich tobt eine Propagandaschlacht. Eine klare Bewertung ist daher schwierig. Die Opposition teilt sich in den Syrischen Nationalrat in Istanbul, der von verschiedenen Staaten unterstützt wird, und dem Nationalen Koordinationskomitee für Demokratischen Wandel, der in Syrien einen Wandel im Dialog mit der Regierung anstrebt. Während die Mehrheit der deutschen Medien die Sichtweise vertritt, daß die massive Gewalt der syrischen Regierung gegen die Proteste mit allen Mitteln gestoppt werden soll, gibt es auch gegenläufige Stimmen. So betonte Karin Leukefeld im Interview die widerstrebenden Stimmen der syrischen Opposition; Jürgen Todenhöfer wies dagegen auf die breite Unterstützung der Regierung in Teilen der Bevölkerung neben deren Gegnern hin und fordert ein differenzierteres Bild. Sowohl Todenhöfer als auch Leukefeld stehen mit ihrer Sichtweise in der Kritik als Unterstützer der Assad-Regierung. Weiterlesen … »

Widerspruch im Widerstand

Den Gegensätzen in der russischen Oppositionsbewegung wird bislang aus dem Weg gegangen
Demonstration am 4. Februar in Moskau
Demonstration am 4. Februar in Moskau Bild von Antony Dovgal

Die russische Oppositionsbewegung hat mit ihren Protesten in den vergangenen Monaten erstmals seit vielen Jahren Akzente gesetzt und politischen Einfluß geltend gemacht. Diesem Schritt in die politische Öffentlichkeit folgt die Frage nach den Akteuren: Wer organisiert die Proteste? Einen Einblick gewährt eine Reportage von Ute Weinmann in der Jungle World. Demnach waren Aktivisten der »Linksfront«-Bewegung entscheidend für die Anmeldung der Demonstrationen. Doch mittlerweile sind Liberale und Rechte in das Bündnis eingetreten. Denn die Idee vollständiger Offenheit hat sich bislang in dem Bündnis durchgesetzt. Da die Liberalen besser organisiert sind, indem sie beispielsweise als Erste ein Programm vorlegen konnten, gewinnen sie an Einfluß. Doch es regt sich Widerspruch an dem Offenheitsprinzip, da äußerst rechte Gruppen mit am Tisch sitzen – und Rußland hat ein gravierendes Problem mit Nationalismus.

Die weitere Entwicklung der Oppositionsbewegung bleibt somit offen: Weder haben alle Parteien ihre Ziele deutlich benannt, noch ist klar, welche Vorstellungen sich in dem Bündnis durchsetzen werden. Neben den genannten Akteuren sitzen auch Bürgerinitiativen und diverse andere Gruppierungen mit am Tisch.

Kratzen an der Oberfläche

Zur Kritik der Banker
Was steckt unter der Oberfläche?
Was steckt unter der Oberfläche? Bild von Wolf-Ulf Wulfrolf

Simon Johnson ist Chefökonom des IWF und damit einer der einflussreichsten Wirtschaftswissenschaftler überhaupt. In der FTD vertritt er die Meinung, Bankmanager sollten nicht nur hohe Gehälter und Boni einstreichen, sondern im Falle des Scheiterns auch zur Verantwortung gezogen werden - sprich: für die Schäden mithaften. Das sei momentan aber nicht so. Ungeachtet der großen Summen, die Staaten in den Finanzsektor gepumpt haben, sind derartige Regelungen bisher nicht in Kraft getreten. Und das trotz der fatalen Folgen für Millionen »normale« Bürger.

Kommentar

Sicherlich hat Johnson in diesem Punkt recht. Nur: Die Vergütung der Manager ist allenfalls ein sekundäres Problem. Sicher, sie heizt die Spekulation an, schafft falsche Anreize für überhöhte Risiken. Aber der Kern der Finanzkrise liegt woanders: In der extrem ungleichen Einkommens- und Vermögensverteilung. Sie liefert überhaupt erst die Gelder, um Spekulationsblasen entstehen zu lassen, schwächt die Nachfrage nach Konsumgütern und schließt viele Menschen von der sozialen Teilhabe aus. Eine strenge staatliche Regulierung der Vergütungspraxis wäre also wünschenswert, kann aber nur ein Mosaiksteinchen innerhalb eines umfassenderen Umbaus der Wirtschaft sein.

Inhalt abgleichen