Presseschau Politik

Byzantinische Ränkespiele in Rom

Indiskretionen im Vatikan zeugen von harten Machtkämpfen
Byzantinische Ränkespiele in Rom
Bild von Michal Osmenda

Wer hätte das gedacht: Die verfeindeten Fraktionen im Vatikan nutzen die Öffentlichkeit, um durch geleakte Papiere ihre Streitigkeiten auszutragen. So landete bei der italienischen Zeitung Il Fatto Quotidiano ein Papier vom 30.12.2011, in dem der sizilianische Kardinal vom sicheren Tod des Papstes in diesem Jahr munkelt: »Der Heilige Vater befasse sich im Geheimen mit der Frage seiner Nachfolge«, für die er den Mailänder Kardinal Angelo Scola vorgesehen habe. Zwar ist das Papier authentisch, doch der Inhalt mag zu einem Intrigenspiel gehören, das sich gegen den Sekretär des Papstes Tarcisio Bertone richtet. Souverän spürt Jörg Bremer für die FAZ den komplexen Machtverhältnissen im Kleinstaat Vatikan nach. Dazu bietet Stefan von Kempis vom Vatikanradio im Deutschlandfunk einige Grundlektionen der Welt rund um den Petersdom. Weiterlesen … »

In der Gewaltspirale

Eine Ende des syrischen Bürgerkriegs ist nicht absehbar
In der Gewaltspirale
Bild von quantestorie

Seit einem Jahr brodelt der innere Konflikt in Syrien: Die Auseinandersetzungen sind längst zu einem Bürgerkrieg angewachsen, doch zugleich tobt eine Propagandaschlacht. Eine klare Bewertung ist daher schwierig. Die Opposition teilt sich in den Syrischen Nationalrat in Istanbul, der von verschiedenen Staaten unterstützt wird, und dem Nationalen Koordinationskomitee für Demokratischen Wandel, der in Syrien einen Wandel im Dialog mit der Regierung anstrebt. Während die Mehrheit der deutschen Medien die Sichtweise vertritt, daß die massive Gewalt der syrischen Regierung gegen die Proteste mit allen Mitteln gestoppt werden soll, gibt es auch gegenläufige Stimmen. So betonte Karin Leukefeld im Interview die widerstrebenden Stimmen der syrischen Opposition; Jürgen Todenhöfer wies dagegen auf die breite Unterstützung der Regierung in Teilen der Bevölkerung neben deren Gegnern hin und fordert ein differenzierteres Bild. Sowohl Todenhöfer als auch Leukefeld stehen mit ihrer Sichtweise in der Kritik als Unterstützer der Assad-Regierung. Weiterlesen … »

Arbeit an der Macht

Der Staatsumbau in Ungarn unter Victor Orban

Der Philosophieprofessor und Vorsitzende der Linken Grünen Partei in Ungarn Gáspár Miklós Tamás beschreibt in der Le Monde diplomatique die Situation in Ungarn. Die Regierung des Viktor Orbán betreibe den Abbau des Wohlfahrtstaates – und setzt somit die Entwicklung nach dem Umbruch 1989 fort. In einem Klima der Unsicherheit sehnen sich die Ungarn zunehmend nach dem »autoritären Wohlfahrtsstaat« zurück. Dieser habe durchaus eine ländliche und rückständige Gesellschaft modernisiert, jedoch um den Preis von Heuchelei und Zensur.

Die Orbán-Regierung strebt einen neuen Nationalismus an. Mit einer Flut von Gesetzen soll die erreichte Macht zementiert werden. So wurden allein am 23.12.2011 307 Gesetze verabschiedet. Diese führen dazu, daß der Staatsumbau nicht mehr umfassend vom Verfassungsgericht eingeschränkt werden kann. Der Regierung ermöglichen sie eine weitgehende Umbesetzung von Verwaltungsposten. Victor Orban will eine auf Arbeit aufbauende Gesellschaft: De facto bedeutet dies den Arbeitszwang für Arbeitslose mit Löhnen unter dem Existenzminimum. Für den Erhalt staatlicher Transferleistungen dürfen sie keine Arbeit mehr ablehnen.

Händel um den Handel

EU-Indien-Abkommen bleibt weiter in Verhandlungen stecken
Händel um den Handel
Bild von Axel Weipert

Seit 2007 verhandeln die EU und Asiens drittgrößte Volkswirtschaft um ein Freihandelsabkommen. Doch noch immer sind viele Fragen offen, auch die aktuelle Gesprächsrunde brachte keinen Durchbruch. In Europa drängen vor allem die großen Konzerne und Lobbyverbände auf einen raschen Abschluss. Sie versprechen sich viel von dem gewaltigen Wachstumsmarkt Indien mit seinen 1,2 Milliarden Menschen. Dort gibt es jedoch – zu Recht – erhebliche Vorbehalte. Die Bauern fürchten Importe subventionierter europäischer Lebensmittel ebenso wie kleine Ladenbesitzer die Konkurrenz von Supermarktketten. Und wenn Autos nur importiert statt vor Ort gebaut werden, dürfte sich der erhoffte Technologietransfer in Grenzen halten. Die Befürchtungen haben zu umfangreichen Protesten in Indien geführt. Auch deswegen wurde das Abkommen vorerst blockiert. Schon vor einiger Zeit kam eine Studie der NGO Weed zu einem eindeutigen Fazit:

Insgesamt zeigt sich, dass das EU-Indien-Freihandelsabkommen gravierende Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit und die Existenzgrundlagen der indischen Bevölkerung haben wird und gleichzeitig den politischen Handlungsspielraum für zukünftige Regierungen erheblich einschränkt.

Rechter Hickhack

Frankreich vor der Präsidentschaftswahl
Neuer Hausherr gesucht: Palais de l’Elysée
Neuer Hausherr gesucht: Palais de l’Elysée Bild von EisenPhotoVideo

Der amtierende Präsident Frankreichs rückt im Wahlkampf deutlich nach rechts. Zwar hat Sarkozy seine erneute Kadidatur für die Wahl im April noch immer nicht offiziell verkündet, aber das ist wohl eher eine Formalität. Schon jetzt versucht er mit antiliberalen Forderungen zu punkten, indem er sich gegen die Homo-Ehe positioniert. Außerdem soll die Abschiebung illegaler Immigranten erleichtert und der Druck auf Arbeitslose erhöht werden. Der Grund dieses Kurses dürfte nicht zuletzt in den schwachen Umfragewerten zu suchen sein, zumal die Kandidatin der rechten Front National, Marine Le Pen, nur knapp hinter ihm liegt und sich wiederum weniger radikal als einst ihr Vater gibt. Vorne liegt seit längerem der Sozialist Hollande. Er will Steuererhöhungen für Reiche, mehr Geld für Bildung, die starke Abhängigkeit von der Atomkraft deutlich verringern und zahlreiche Meiler abschalten.

Widerspruch im Widerstand

Den Gegensätzen in der russischen Oppositionsbewegung wird bislang aus dem Weg gegangen
Demonstration am 4. Februar in Moskau
Demonstration am 4. Februar in Moskau Bild von Antony Dovgal

Die russische Oppositionsbewegung hat mit ihren Protesten in den vergangenen Monaten erstmals seit vielen Jahren Akzente gesetzt und politischen Einfluß geltend gemacht. Diesem Schritt in die politische Öffentlichkeit folgt die Frage nach den Akteuren: Wer organisiert die Proteste? Einen Einblick gewährt eine Reportage von Ute Weinmann in der Jungle World. Demnach waren Aktivisten der »Linksfront«-Bewegung entscheidend für die Anmeldung der Demonstrationen. Doch mittlerweile sind Liberale und Rechte in das Bündnis eingetreten. Denn die Idee vollständiger Offenheit hat sich bislang in dem Bündnis durchgesetzt. Da die Liberalen besser organisiert sind, indem sie beispielsweise als Erste ein Programm vorlegen konnten, gewinnen sie an Einfluß. Doch es regt sich Widerspruch an dem Offenheitsprinzip, da äußerst rechte Gruppen mit am Tisch sitzen – und Rußland hat ein gravierendes Problem mit Nationalismus.

Die weitere Entwicklung der Oppositionsbewegung bleibt somit offen: Weder haben alle Parteien ihre Ziele deutlich benannt, noch ist klar, welche Vorstellungen sich in dem Bündnis durchsetzen werden. Neben den genannten Akteuren sitzen auch Bürgerinitiativen und diverse andere Gruppierungen mit am Tisch.

Konservative und Fundamentalisten sind nicht das gleiche

Zum Wahlergebnis in Ägypten
Wahllokal in Ägypten
Wahllokal in Ägypten Bild von Jonathan Rashad

Die ersten freien Parlamentswahlen in Ägypten seit Jahrzehnten endeten im Januar. Der renommierte Nahost-Fachmann Olivier Roy sieht darin ein Aufbrechen der vorherrschenden politischen Kultur der letzten 60 Jahre. Wie zu erwarten war, triumphierten die sog. Islamisten (47% der Stimmen), sprich Kulturkonservative mit religiös unterfütterten politischen Vorstellungen. Weil sie jahrzehntelang vom politischen Geschehen in Ägypten ausgegrenzt wurden, besitzen sie große Glaubwürdigkeit bei den Wählern. Überraschend dagegen ist der Wahlerfolg der Salafisten (24,6% der Stimmen), also Fundamentalisten, die sich an ihrer Vorstellung, wie das Gemeinwesen zu Mohammeds Zeiten ausgesehen haben soll, orientieren. Dass sich diese Gruppe, die eigentlich parlamentarische Demokratie bzw. eine pluralistische Gesellschaft überhaupt ablehnt, gezwungen sieht, an den Wahlen teilzunehmen, um nicht in der Bedeutungslosigkeit zu versinken, spricht für die Verankerung demokratischen Denkens in der ägyptischen Öffentlichkeit. Weiterlesen … »

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