Presseschau Polizei

Netze im Dunkeln

30 Jahre nach dem Oktoberfest-Attentat bleiben offene Fragen
Denkmal auf der Theresienwiese in München
Denkmal auf der Theresienwiese in München

Mit 13 Toten und 211 Verletzten ist das Oktoberfest-Attentat am 26.9.1982 der schlimmste Terroranschlag in der Geschichte der Bundesrepublik. Als einer der Täter wurde Gundolf Köhler identifiziert, der beim Zünden der Splitterbombe starb. Köhler war Mitglied der Wehrsportgruppe Hoffmann, die Teil eines Netzwerkes deutscher und internationaler rechtsradikaler Gruppen war. Dennoch legten sich die Ermittlungsbehörden schnell auf eine Einzeltäterhypothese fest. Dabei wurden zahlreiche Zeugenaussagen ignoriert und Beweisstücke nicht ausreichend ermittelt, die auf eine Zusammenarbeit mit weiteren Tätern deuten. Telepolis interviewt zum Jahrestag den Buchautor Tobias von Heyman, der im vergangenen Jahr ein umfangreiches Buch zum Attentat vorlegte. Weiterlesen … »

Kamera aus

Berliner Verwaltungsgericht untersagt Polizei unbegründetes Filmen von Demonstrationen
Bis jetzt filmt die Polizei auf Demonstrationen <br/>Foto von Björn Kietzmann
Bis jetzt filmt die Polizei auf Demonstrationen Foto von Björn Kietzmann

Das Berliner Verwaltungsgericht hat entschieden, dass die Polizei Demonstrationen, bei denen keine Gewalt zu erwarten ist, nicht mehr filmen darf. Das Filmen auf Demonstrationen war in den letzten Jahren zur Normalität geworden. Geklagt hatten ein Veranstalter und ein Teilnehmer einer Anti-Atom-Demo im vergangenen Jahr. Das Verwaltungsgericht begründet das Urteil damit, dass das Filmen abschreckend auf Teilnehmer_innen wirken und damit die Ausübung des Demonstrationsrechts beeinträchtigen könne. Die Polizei argumentiert, dass zur besseren Organisation und Verkehrslenkung gefilmt werden müsse. Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht. Im Falle einer Revision kündigte die Anwältin der Kläger an, bis vor das Bundesverfassungsgericht zu gehen.

Gewalt mit System

Video dokumentiert systematische Gewaltanwendung einer Berliner Einsatzhundertschaft
Ausschnitt aus dem Video
Ausschnitt aus dem Video

Bei einer Demonstration gegen einen Naziaufmarsch vor knapp 4 Jahren in Berlin wurde ein Student bei der Festnahme so stark verletzt, daß er einen Schädelbruch erlitt. In dem folgenden Prozess behaupteten die beschuldigten Beamten, der Student sei vermummt gewesen und habe Steine geworfen. Das Gericht glaubte den Polizisten, obwohl deren Aussage selbst von unbeteiligten Augenzeugen der Polizei nicht geteilt wurde: Das Verfahren gegen sie wurde eingestellt, während der Student eine Bewährungsstrafe erhielt. Vielmehr versuchte die Berliner Senatsverwaltung für Justiz, den Studenten nach dem Verfahren einzuschüchtern. Nun ist ein Video aufgetaucht, daß diese Darstellung in Zweifel zieht und die systematische Gewalt der Einsatzhundertschaft dokumentiert.

Straflose Gewalt

Amnesty-Bericht zur Polizeigewalt in Deutschland

Das Problem ist mittlerweile bekannt: Verfahren bei Polizeigewalt führen in Deutschland in aller Regel zur Einstellung; gewalttätige Beamte müssen selbst bei schweren Mißhandlungen mit keinen Verurteilungen rechnen. Nun hat Amnesty International sich des Themas angenommen und eine umfangreiche Studie veröffentlicht, begleitet von einer Kampagne mit  Online-Demonstration. Zahlreiche Beiträge haben bereits in der Vergangenheit das Problem untersucht: Beamte sagen aufgrund des behördeninternen Korpsgeist nicht gegeneinander aus, die Staatsanwaltschaften ermitteln schlampig und lax. Selbst Richter, die sich an den Ungereimtheiten stören, müssen dann aufgrund des dünnen Beweismaterials die Angeklagten freisprechen. Kritiker fordern daher Kennzeichnungspflicht bei Beamten, unabhängige Ermittler außerhalb der Polizei, unabhängigere Staatsanwälte und eine Auseinandersetzung mit dem Korpsgeist in der Polizei.

Was nicht passt, wird passend gemacht

Schwerwiegende Fehler bei der Wiedergabe von Studien in den Medien

Zwei krasse Beispiele, wie politisch relevante Studien von den Medien falsch wiedergegeben werden, zeigt Stefan Sichermann auf Bildblog: In beiden Fällen wurden Studien des kriminologischen Foschungsinstitut Niedersachen aufgegriffen. So wurde in vielen Medien über einen Zusammenhang zwischen islamischen Glauben und Gewaltbereitschaft bei Jugendlichen berichtet, obwohl in der Studie dieser ausdrücklich verneint wird. Aus einer gekürzten Interviewpassage in der Süddeutschen Zeitung wurde eine Meldung der Nachrichtenagenturen, die dann in die Medienlandschaft zurückwirkte.

In einem zweiten Fall ging es um die vorgeblich steigende Gewalt gegen Polizeibeamte. Doch die Studie war vom niedersächsischen Innenminister für die Innenministerkonferenz in Auftrag gegeben worden, und daher mit »heißer Nadel gestrickt«. Die Studie weist so viele methodische Fehler auf, daß ihr Ergebnis ohnehin wenig aussagekräftig ist. Dennoch schaffte es die Welt, die Zahlen so umfassend zu verdrehen, daß am Ende »linksextreme Demonstranten« für drei Viertel aller verletzter Beamte verantwortlich sind. Wer immer mal wissen wollte, wie Chomskys Konsensmaschine funktioniert, erhält hier bestes Lehrmaterial.

Über Bande

Terror als Instrument der Nachrichtendienste im Kalten Krieg?

Akten bleiben auf unabsehbare Zeit unter Verschluß, Behörden schweigen eisern: Der Terrorismus in der Bundesrepublik des Kalten Krieges läßt weiterhin große weiße Flecken auf den Karten der Forschung. Immer wieder kommen neue Details ans Tageslicht, welche die Frage nach Wissen und Einfluß der Nachrichtendienste aufwerfen. Die Rolle zweier Schlüsselfiguren wird auf Telepolis untersucht: Peter Urbach versorgte als Spitzel und Agent Provocateur des Verfassungsschutzes die Studentenbewegung mit Waffen und Bomben und spielte eine »antreibende Rolle in der Eskalierung«. Regine Igel sucht in den Akten des MfS nach Hinweisen zu einer möglichen Tätigkeit Urbachs als Doppelagent für die Staatssicherheit. Daneben führen Spuren von dem Dutschke-Attentäter Josef Bachmann zu rechtsextremen Kreisen, die Verbindungen zu Nachrichtendiensten hatten. In einem weiteren Beitrag spürt Udo Schulze der Terrorlegende Carlos nach, der ein Netz in der Bundesrepublik unterhielt, über das das BKA informiert gewesen sein soll.

Die Früchte des vergifteten Baumes

Wie das Grundgesetz auf die Streckbank kam
Geeigneter Ort für eine Streckbank: Im Museum <br/>Foto von Wugging Gavagai
Geeigneter Ort für eine Streckbank: Im Museum Foto von Wugging Gavagai

Wolfgang Wetzel blickt auf das Verfahren gegen den ehemaligen Vize-Polizeipräsidenten Frankfurts Wolfgang Daschner zurück. Er hatte dem Entführer und Mörder des Bankierssohns Jakob von Metzler mit Folter gedroht und somit gegen das Grundgesetz verstoßen. Dies wurde als einsame Entscheidung in einer Notsituation verkauft; doch Wetzel verdeutlicht, daß das Vorgehen mit der hessischen Landesregierung abgestimmt war: Daschner stand in ständigem Kontakt mit dem Innenministerium, das vom zukünftigen hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier geleitet wurde. Wetzel meint, daß gerade die Androhung Daschners, seine Hintermänner zu nennen, zu einem milden Urteil geführt habe. Er analysiert die Debatte in den deutschen Medien; der Fall sei der Versuch gewesen, Aussageerpressung in Deutschland wieder hoffähig zu machen.

Zahlreiche Rechtsgelehrte, Wissenschaftler und sonstige Experten machten sich in der Folge daran, Folter als rechtstauglich darzustellen.

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