Presseschau Unternehmen

Geiz ist nicht mehr geil

Zur Schlecker-Pleite
Drastische Kritik am autoritären Führungsstil
Drastische Kritik am autoritären Führungsstil Bild von r000pert

Es ist eine der größten Unternehmenspleiten der letzten Jahre: Der Branchenführer der Drogeriemärkte, Schlecker, ist insolvent. Schuld daran ist vor allem ein überholtes Verkaufskonzept. Kleine Läden um die Ecke mit wenig Mitarbeitern und niedrigem Umsatz sind offenbar nicht mehr konkurrenzfähig. Hinzu kommt das – zu Recht – extrem schlechte Image von Schlecker. Jahrelang fiel er durch geringe Bezahlung und Schikanen gegenüber Mitarbeitern und Betriebsräten auf. Firmengründer Anton Schlecker und seine Frau sind sogar vorbestraft, weil sie Angestellten fälschlich versicherten, sie würden nach Tarif entlohnt werden. Deshalb dürfte es langfristig von Vorteil sein, wenn ein solches Unternehmen vom Markt verschwindet. Das gilt natürlich nur sehr bedingt für die aktuellen Mitarbeiter, die um ihre Jobs bangen müssen. Die Mitbewerber haben bereits klargestellt, dass sie im Falle eines Verkaufs nur einen Bruchteil der Shops übernehmen würden.

Die Wettbewerber auf dem hart umkämpften Drogeriemarkt in Deutschland, in erster Linie die beiden anderen großen Ketten dm und Rossmann, setzen auf größere und moderne Filialen. In den letzten Jahren ist der Preiskampf weiter eskaliert, auch bedingt durch den Einstieg internationaler Investmentfirmen, etwa bei Rossmann. Einige kleinere Ketten wurden bereits aufgekauft. Die übriggebliebenen Konzerne sind aber immer noch weitgehend im Besitz der Gründerfamilien. Genaue Geschäftszahlen, vor allem zu Gewinn und Verlust, sind der Öffentlichkeit dank der intransparenten Strukturen nicht bekannt. Dass die Branche – für die Eigner, nicht die häufig prekär angestellten Mitarbeiter, versteht sich – eine Goldgrube ist, zeigen die gewaltigen Vermögen dieser Familien jedoch mehr als deutlich.

 

Der Untergang ist nah!

Vernunft und Unvernunft der Endzeitphantasie
Der Untergang ist nah!
Bild von Madman2001

Langsam hat es sich herumgesprochen: Nicht am 30. Mai ist Weltuntergang – und auch das Jahr ist nicht mehr unbekannt: Sondern am 21. Dezember 2012 wird die Welt entgültig untergehen. Dieses Gerücht geht in diesem allerletzten Jahr um. Wie die merkwürdige These in die Welt kam und wie die moderne Mediengesellschaft den Kalender der Maya in ihrem Sinne interpretiert, darüber klärt der Maya-Forscher Nikolai Grube im Interview mit dem Freitag auf. Denn die moderne Auffassung alter Kulturen erscheint dem Forscher befremdlich, doch er erkennt deren Wert an ganz anderer Stelle:

Ich glaube nicht, dass wir ­direkt etwas von alten Kulturen lernen können. Wir haben immer das Gefühl, wenn man Archäologie ­betreibt, dann muss das ­einen Nutzen haben, der sich sofort in Heller und Pfennig abzeichnet in unserer kapitalistischen Welt. Man kann vielleicht sagen, die Maya und viele andere Zivilisationen auf dem ­amerikanischen Kontinent lehren uns, dass es eben auch außerhalb von Europa bedeutende Kulturent­wicklungen gegeben hat. Und dass wir vielleicht etwas bescheidener sein sollten und die globale Vergangenheit verstehen müssen, die unterschiedlichen Traditionen, aus denen sich unsere moderne Welt zusammensetzt.

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Weiblicher Sextourismus

Wer ist hier das Opfer?
Weiblicher Sextourismus
Bild von robstephaustralia

Die Stories klingen sehr pauschal und strotzen nur so vor Klischees: Hier die ahnungslose Touristin, die an die romantische Liebe glaubt, dort der exotische Strandbeau, der sie gnadenlos ausnutzt. »Bezness«, eine arabisierte Variation von Business, hat sich für das Phänomen mittlerweile eingebürgert. Laut Bild der Frau betraf das allein in diesem Jahr 5.000 deutsche Urlauberinnen, vor allem in der Türkei, in Tunesien, Marokko oder Kenia. Grund genug für das Blatt, zwei Undercover-Journalistinnen vor Ort recherchieren zu lassen. Herausgekommen sind eindeutige Frontlinien, die Rede ist von »Liebes-Mafia« und »Gefühls-Gangstern«.

Die taz gibt sich da weit weniger aufgeregt. Für sie ist Bezness vor allem Ausdruck des Wohlstandsgefälles zwischen Nord und Süd. Vielleicht steckt hinter der vorgeblichen naiven Romantik aber auch ein uneingestandenes Kalkül: Einmal aus dem grauen Alltag ausbrechen, Erotik und Bauchkribbeln für zwei Wochen – wahrhaft all inclusive sozusagen. Oder welche Frau meint ernsthaft, ein zwanzig Jahre jüngerer Beachboy erkennt in ihr die große Liebe, jenseits aller kulturellen und ökonomischen Barrieren?

Kratzen an der Oberfläche

Zur Kritik der Banker
Was steckt unter der Oberfläche?
Was steckt unter der Oberfläche? Bild von Wolf-Ulf Wulfrolf

Simon Johnson ist Chefökonom des IWF und damit einer der einflussreichsten Wirtschaftswissenschaftler überhaupt. In der FTD vertritt er die Meinung, Bankmanager sollten nicht nur hohe Gehälter und Boni einstreichen, sondern im Falle des Scheiterns auch zur Verantwortung gezogen werden - sprich: für die Schäden mithaften. Das sei momentan aber nicht so. Ungeachtet der großen Summen, die Staaten in den Finanzsektor gepumpt haben, sind derartige Regelungen bisher nicht in Kraft getreten. Und das trotz der fatalen Folgen für Millionen »normale« Bürger.

Kommentar

Sicherlich hat Johnson in diesem Punkt recht. Nur: Die Vergütung der Manager ist allenfalls ein sekundäres Problem. Sicher, sie heizt die Spekulation an, schafft falsche Anreize für überhöhte Risiken. Aber der Kern der Finanzkrise liegt woanders: In der extrem ungleichen Einkommens- und Vermögensverteilung. Sie liefert überhaupt erst die Gelder, um Spekulationsblasen entstehen zu lassen, schwächt die Nachfrage nach Konsumgütern und schließt viele Menschen von der sozialen Teilhabe aus. Eine strenge staatliche Regulierung der Vergütungspraxis wäre also wünschenswert, kann aber nur ein Mosaiksteinchen innerhalb eines umfassenderen Umbaus der Wirtschaft sein.

Eine lange Geschichte

Schulden als Hebel der Umverteilung
Oligarchie oder Demokratie?
Oligarchie oder Demokratie? Bild von CmdrCord

Der Ökonom Michael Hudson beschreibt die Geschichte der Staatsschulden seit ihren Anfängen bei den Sumerern über die Antike und Frühe Neuzeit bis heute. Immer wieder stösst er dabei auf Konflikte zwischen Gläubigern und der breiten Masse der Bevölkerung. Der Staat nimmt dabei je nach Machtverteilung eine bestimmte Rolle ein. Mal dient er einer kleinen Oligarchie als Mittel zur Eintreibung ihrer Gelder, mal verfügt er einen allgemeinen Schuldenerlass zugunsten der Vielen. Heute wäre es seine Aufgabe, entweder letzteres durchzuführen oder zumindest über eine angemessene Besteuerung einen Teil der Vermögen wieder der Allgemeinheit zuzuführen.

Es gehört seit der Antike zu den geschichtlichen Konstanten, dass die Interessen von Gläubigern in Widerspruch zu denen der Demokratie wie auch des Königtums gerieten, die in der Lage gewesen wären, der finanziellen Eroberung der Gesellschaft und einer nahezu autonomen Dynamik Grenzen zu setzen, welche den ökonomischen Überschuss in zinstragende Schuldtitel verwandelte.

Die Spitze des Eisbergs

Die Affäre Wulff als kleiner Anteil einer korrupten Republik
Carsten Maschneyer möchte gern im Rampenlicht stehen, hier neben Veronica Ferres
Carsten Maschneyer möchte gern im Rampenlicht stehen, hier neben Veronica Ferres Bild von Hubert Burda Media

Mit einem gewissen Erstaunen nimmt die Republik zur Kenntnis, wie sich ihr Präsident eine ganze Reihe von kleinen Gefälligkeiten reichen ließ: Die Gemüter streiten sich, ob dahinter Ungeschicklichkeit oder System steckt. Doch der Eindruck einer korrupten Elite entsteht insbesondere durch die verdeckte Wahlkampffinanzierung des Versicherungsunternehmers Carsten Maschmeyer1, welche er nicht nur Christian Wulff, sondern bereits Gerhard Schröders zukommen ließ. Denn Machmeyer gilt als das Zentrum der Hannover-Connection, einem Netzwerk, in dem sich Politiker diverser Coleur, Finanzdienstleister, das Management eines Autoherstellers und gar Unterweltgrößen die Hand reichen. Die »politische Korruption« der Schröder-Regierung arbeitete Christoph Lüttgert bereits im Januar in seinem polemisch-investigativem Stil heraus: Die Grenze zwischen politischen und wirtschaftlichen Interessen ist in dieser Reportage nicht zu erkennen. Die Akteure der Drehtürpolitik geben sich ganz ungeniert, indem sich beispielsweise das vormalige Kabinettsmitglied Walter Riester für Voträge bezahlen läßt oder der Regierungsberater Bert Rürup direkt ins Geschäft einsteigt.

»Freuen Sie sich über steigende Preise?«

Wie die Tür zur Spekulation mit Lebensmitteln geöffnet wurde
Von den Feldern ...
Von den Feldern ... Bild von RIchard A Howell

Ob und in welchem Umfang Lebensmittelspekulation die Weltmarktpreise beeinflußt, ist äußerst umstritten, auch wenn die krasse Achterbahnfahrt der Preise der vergangenen Jahre anders kaum zu erklären ist. Daß aber auch andere Faktoren wie gesteigerte Nachfrage durch Biosprit oder Ernteausfälle und hohe Ernergiepreise eine Rolle spielen, bestreitet Harald Schumann in den Blättern nicht. Vielmehr erzählt er die Geschichte der Liberalisierung der Rohstoffmärkte seit Anfang der 90er Jahre. Zu dieser Zeit entwickelte Goldman Sachs als Vorreiter Instrumente zur Vermarktung von Rohstoffen. Den Durchbruch erlebte diese innovative Finanzdienstleistung erst mit dem Platzen der Internetblase Anfang des Jahrtausends, als Anleger neue Investitionsmöglichkeiten suchten. Zuvor hatte die Clinton-Regierung unter dem Finanzminister Robert Rubin auf Druck der Investmentbanker zahlreiche Regulierungen beseitigt, die Spekulation auf den Rohstoffmärkten begrenzten. Weiterlesen … »

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