Presseschau Wissenschaft

Erkenntniswert: Null

Religion im neuen Zensus
Noch immer das Leitbild unserer Gesellschaft? <br/>Foto von Peter Sieling
Noch immer das Leitbild unserer Gesellschaft? Foto von Peter Sieling

Offenbar ist für den Staat die Weltanschauung seiner Bürger nur relevant, wenn diese einer offiziell anerkannten Kirchengemeinschaft oder »sonstigen« Religion  angehören. Gänzlich unter den Tisch fallen so etwa Atheisten. Und deren Zahl beläuft sich in Deutschland immerhin auf etwa 25 Prozent, laut einer Erhebung der EU aus dem Jahr 2005.

Auf diese Weise steht das Ergebnis quasi schon vorab fest: Im wesentlichen wird die Zugehörigkeit zu einer Kirche erfasst – das hätte man aber einfacher haben können, ein Blick auf die entsprechende Statistik zur Kirchensteuer hätte genügt. Dass die Mitgliedschaft in einer Kirche aber nicht ohne weiteres mit einer (oder mehreren) Weltanschauungen gleichzusetzen ist, liegt auf der Hand: Zweifel, Bequemlichkeit, Tradition oder berufliche Gründe werden so nicht abgebildet. Verbirgt sich dahinter also eine politische Absicht? Oder gar die Angst, den erheblichen »Nicht-Glauben« in unserer Gesellschaft zu thematisieren? Weiterlesen … »

Unpolitischer Technokrat?

Karl Schillers 100. Geburtstag

Geradezu legendär war seine Zusammenarbeit mit Franz Josef Strauß in der Großen Koalition Kiesingers von 1966 bis 1969 als »Plisch und Plum«. Inhaltlich stand der sozialdemokratische Wirtschaftsprofessor Schiller konsequent für die Vorstellung, in der Politik Ideologien durch wissenschaftliche Vernunft zu ersetzten. In diesem Sinn setzte er sich für eine Globalsteuerung der Wirtschaft ein, zu der auch die sog. »Konzertierte Aktion« als Zusammenarbeit von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden gehörte. Damit löste sein nachfrageorientierter Ansatz die bisherige ordoliberale Politik Erhard´scher Prägung ab.

Innerhalb weniger Jahre zeigte sich jedoch, dass eine scheinbar neutrale, objektive Politik per se nicht möglich ist. Denn auch andere griffen seine Methoden auf, begründeten mit wissenschaftlicher Expertise jedoch ihre jeweiligen spezifischen Interessen. Und so ist es im Grunde bis heute geblieben. Oder wer würde ernsthaft annehmen, die Ergebnisse von Expertenkommissionen wären nicht abhängig davon, wer sie zu welchem Zweck zusammenstellt? Weiterlesen … »

Wissenschaftsprekariat

Beschäftigungsperspektiven an Hochschulen

Weitgehend unberücksichtigt in der politischen Debatte um prekäre – also befristete, schlecht bezahlte und unsichere – Arbeitsbedingungen sind die Verhältnisse in der Wissenschaft. Sowohl an Hochschulen als auch an selbstständigen Forschungseinrichtungen beträgt der Anteil prekär Beschäftigter knapp 90 Prozent der Forscher und Lehrenden. Tendenz steigend. Ursachen dieser Entwicklung sind mangelnde finanzielle Ausstattung und die zunehmende Bedeutung von Drittmitteln.

Während die Zahl der zeitlich unbefristeten Stellen kontinuierlich abnimmt, steigen die Anforderungen: Viele Wissenschaftler arbeiten so formal auf Teilzeitbasis, real müssen sie aber ein deutlich höheres Pensum leisten. In anderen westlichen Ländern gibt es einen sehr viel größeren Anteil an festen Verträgen, auch jenseits der Professur. Hinzu kommt, dass Frauen hierzulande noch immer unterrepräsentiert sind: Die Hälfte der Studienabsolventen sind weiblich, aber nur 15 Prozent der Professuren werden von ihnen bekleidet.

Umdenken - Fünf nach Zwölf

Ungleichheit und Krise

Lange Zeit stand es in allen konventionellen ökonomischen Lehrbüchern: Ungleichheit ist unvermeidlich in einer Marktwirtschaft und oft sogar förderlich.

Mittlerweile ist eine Reihe von Studien erschienen, die zumindest letzteres anzweifelt. Denn in den vergangenen Jahrzehnten sind fast nur die Einkommen des obersten Prozents der Bevölkerung gewachsen. Ein Forscherteam aus Harvard hat zudem in einem groß angelegten Vergleich keinerlei direkte Korrelation zwischen Wachstum und Ungleichheit feststellen können.

Andererseits kann wachsende Ungleichheit zu sozialen Verwerfungen führen. Oder, wie bei der jüngsten Krise zu beobachten: Die unteren Schichten versuchen, ihren Lebensstandard über Kredite zu finanzieren. Das aber hat langfristig fatale Konsequenzen.

Lehren aus der Euro-Krise

Was passieren müsste und nicht passiert

Der profilierte Keynesianer Heiner Flassbeck hält auch heute noch die Einführung des Euros angesichts der damaligen Währungsspekulation für eine gute Entscheidung. Und damit stellt er sich gegen jene Ökonomen, welche die währungspolitische Integration von derart unterschiedlichen Ländern nicht für sinnvoll halten. Dem widerspricht er vehement:

Die Einführung des Euro im Jahre 1999 bedeutete gerade nicht den Übergang von einer Situation der geldpolitischen Unabhängigkeit zu geldpolitischer Abhängigkeit, sondern den Übergang von geldpolitischer Abhängigkeit ohne Einfluss auf die europäische Geldpolitik zu einer Abhängigkeit mit Einfluss auf die europäische Geldpolitik. Das war für die meisten Länder ein wichtiger Schritt, weil sie vorher einseitig von der deutschen Geldpolitik abhingen.

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Staat am Abgrund

In der Elfenbeinküste droht die Fortsetzung des Bürgerkriegs
Mit einem "Friedensfeuer" wurden 2007 in Bouake Waffen verbrannt: Diese Hoffnung erweist sich als trügerisch <br/>Foto von UN
Mit einem "Friedensfeuer" wurden 2007 in Bouake Waffen verbrannt: Diese Hoffnung erweist sich als trügerisch Foto von UN

Bereits 2002 begann in der Elfenbeinküste ein Bürgerkrieg zwischen dem muslimischen Norden und dem christlichen Süden. Ähnlich wie bei den immer wieder aufflammenden Konflikten in Nigeria ist die Religionszugehörigkeit nur die Oberfläche des Konflikts: Der Norden ist geprägt von Einwanderung aus den benachbarten nördlichen Staaten wie Mali und Burkina Faso in  den Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs. Den Einwanderern wird die Gleichberechtigung als Staatsbürger verwehrt. Eigentlich waren die Präsidentschaftswahlen als Teil der Befriedung des Landes gedacht, doch der laut internationalen Wahlbeobachtern unterlegene Präsident Laurent Gbagbo erkennt den Wahlsieg von Alassane Ouattara nicht an. Ouattara dagegen kommt aus dem Norden, seine Mutter ist aus Burkina Faso eingewandert. Gbagbo hat als Vertreter des Südens einfach einen Teil der Wahlergebnisse nicht anerkannt und sich zum neuen Präsidenten eingesetzt. Nun eskaliert die Gewalt; daher wird über die Verlängerung des zum Jahresende auslaufende Mandats der UN-Soldaten diskutiert. Weiterlesen … »

Radikalisierung in der Krise

Studien zeigen wachsende Islamfeindlichkeit in Deutschland
Ziel wachsender Ressentiments: Muslime beim Gebet in Berlin <br/>Foto von epha
Ziel wachsender Ressentiments: Muslime beim Gebet in Berlin Foto von epha

Erstaunlich genau deckt sich der Befund der Studie Deutsche Zustände des Bielefelder Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung zu Vorurteilen mit den Ergebnissen einer Untersuchung vom Oktober zu Rechtsextremismus: Nahmen die rechtspopulistischen, sexistischen und homophoben Einstellungen langfristig eher ab, ist im Jahr 2010 im Vergleich zum Vorjahr ein signifikanter Anstieg der Islamfeindlichkeit zu erkennen. Besonders ausgeprägt sei die Zunahme rechtspopulistischer Einstellungen sowie eine Entsolidarisierung im Bürgertum. Die wachsende Islamfeindlichkeit hatte bereits eine Studie der Uni Münster gezeigt: Sie sei in Deutschland stärker ausgeprägt als in anderen europäischen Ländern. Weiterlesen … »

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