Am 23.Mai 2009, also genau 60 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes, wurde Horst Köhler als Bundespräsident wiedergewählt. Aber wer ist dieser Mann eigentlich?
Folgt man der übergroßen Mehrheit der Medien in diesem Land, ist er vor allem eins: beliebt. Das gilt nicht nur fürs gemeine Volk, wie entsprechende Umfragen ergeben [7]: 70 Prozent würden ihn direkt wählen. Bei den Spitzenpolitikern ist er offenbar noch weitaus populärer; jedenfalls überschlugen sie sich mit ihren Gratulationswünschen geradezu. Für Renate Künast [8] beispielsweise ist sicher: Köhler sei »unser aller Präsident«.
Demgegenüber finden sich in den Medien nur wenige kritische Kommentare zur Person des Bundespräsidenten. Die Nachdenkseiten [9] etwa fragen sich, warum ein Mann, der wie kaum ein anderer für die neoliberale Politik der letzten Jahre steht, so gut ankommt. Und in der Tat: Die Liste seiner Reden, in denen er die Schrödersche Agendapolitik nicht nur verteidigte, sondern sogar deren Verschärfung forderte, ist lang. Wolfgang Lieb sieht die Ursache des Problems darin, dass kaum irgendwo auf seine politischen Inhalte und Ziele verwiesen wird: »Angesichts dieser oberflächlichen Berichterstattung und angesichts dieser Meinungsmache für Köhler, braucht man sich über die Umfragewerte zugunsten des bisherigen Bundespräsidenten nicht zu wundern.«
Aber nicht nur, dass Köhlers aktuelles Tun kaum beachtet wird. Auch seine zumindest diskussionswürdigen »Leistungen« während der deutschen Wiedervereinigung scheinen offenbar vergessen. Sehr aufschlussreich schreibt dazu die Junge Welt [10]. Als Staatssekretär im westdeutschen Finanzministerium war er an allen wichtigen und für die ostdeutsche Wirtschaft fatalen Entscheidungen zur Wirtschafts- Währungs- und Sozialunion sowie dem Einigungsvertrag beteiligt (übrigens in enger Zusammenarbeit mit Thilo Sarrazin). Allerdings irrt Manfred Hegner, wenn er meint, die Regierung Lothar de Maizère habe die Treuhandanstalt als »Instrument zur Sanierung der DDR-Volkswirtschaft« konzipiert. Dieses Ziel verfolgte nur deren Vorgängerin unter Hans Modrow - und auch diese stand schon unter massivem (Privatisierungs-)Druck aus Bonn.
Und was sind denn nun Köhlers konkreten Ansichten? Lassen wir ihn doch einfach selbst sprechen: »Die Lebenserfahrung (sagt uns), dass Ungleichheiten zum Menschen dazugehören, dass sie ein Ansporn zu Leistung und Anstrengung sein können und dass absolute Gleichheit weder möglich noch auch nur wünschenswert ist. Und aus der Geschichte wissen wir, dass Gleichmacherei mit Gewalt nicht zu weniger Ungleichheit, sondern nur zu mehr Unmenschlichkeit geführt hat.« Da kann die zweite Amtszeit ja heiter werden.
Links:
[1] http://www.dasdossier.de/magazin/meinung
[2] http://www.dasdossier.de/stichwort/neoliberalismus
[3] http://www.dasdossier.de/stichwort/bundespraesident
[4] http://www.dasdossier.de/stichwort/horst-koehler
[5] http://www.dasdossier.de/stichwort/renate-kuenast
[6] http://www.dasdossier.de/nutzer/axel-weipert
[7] http://www.bild.de/BILD/politik/2009/05/17/bundespraesident-horst-koehler/umfrage-70-prozent-der-deutschen-wuerden-ihn-waehlen.html
[8] http://www.tagesschau.de/inland/bundesversammlung108.html
[9] http://www.nachdenkseiten.de/?p=3957
[10] http://www.jungewelt.de/2009/05-23/057.php