Magazin Beitrag

Die Gewinner der Ukraine-Krise

Eine Analyse

Neben den Rüstungskonzernen zählt eine weitere Branche zu den Gewinnern des vom Westen angefeuerten neuen Ost-West-Konflikts. Den großen Ölkonzernen war es stets ein Dorn im Auge, dass Europa einen großen Teil seiner Energie aus Russland importiert. Gestern einigten sich die Energieminister der G7-Staaten in Rom auf einen gemeinsamen Maßnahmenplan, um die Abhängigkeit von russischem Erdgas mittel- bis langfristig zu reduzieren. Obgleich ein solches Vorhaben vollkommen unrealistisch ist, scharren vor allem in den USA bereits die großen Ölkonzerne mit den Hufen, die liebend gerne ihr Fracking-Gas in die EU verkaufen würden. Den Preis dafür werden die Energieverbraucher in Europa zahlen.


Raus aus der Abhängigkeit! Aber wie?

Dass es in Mittel- und Osteuropa den Wunsch gibt, einen Teil der Gasimporte aus Russland durch Lieferungen aus anderen Ländern zu ersetzen, ist nicht unbedingt neu. Der letzte große Masterplan wurde 2007 von Deutschland gestartet – auch damals hieß die Kanzlerin Merkel und der Außenminister Steinmeier. Unter deutscher Ratspräsidentschaft startete die EU unter dem Schlagwort “neue EU-Ostpolitik” einen diplomatischen Großangriff auf die Energiereserven Zentralasiens. Steinmeier und “EU-Außenminister” Solana gaben sich in jenen Tagen bei den “lupenreinen Despoten” in Turkmenistan, Usbekistan und Kasachstan gegenseitig die Klinke in die Hand. Genützt hat es ihnen nicht viel. Russland und China schnappten den Europäern damals sprichwörtlich die Lieferverträge vor der Nase weg und damit war die EU dazu verdammt, auch weiterhin in die russische Röhre zu schauen.

Sich von der Abhängigkeit russischer Gaslieferungen zu verabschieden, ist nicht so einfach, wie es sich auf den ersten Blick anhören mag. Erdgas kann nur dann zu einem vertretbaren Preis importiert werden, wenn es einen realistischen und vor allem bezahlbaren Transportweg gibt. 15 Staaten stehen für 84% der heutigen Erdgasförderungen und die vorhandenen Vorkommen, die sich in geographischer Nähe der EU befinden (Nordsee, Algerien), liefern bereits heute nahezu ausschließlich in die EU und eignen sich daher nicht, russische Lieferungen zu ersetzen.

Die zentralasiatischen Staaten verfügen über reichlich Erdgas, das per Pipeline in den EU geliefert werden könnte. Das kleinere Projekt Trans-Adriatic-Pipeline (TAP) wird auch in der Tat ab 2018 Gas aus Aserbaidschan nach Griechenland, Albanien und Italien liefern. Dafür ist das Großprojekt Nabucco, mit dem sich die EU von Russland unabhängig machen wollte, trotz politischer Lobbyarbeit durch Joschka Fischer mit Ach und Krach gescheitert. Durch die in den letzten Jahren abgeschlossenen langfristigen Lieferverträge an Russland und China fallen die zentralasiatischen Staaten langfristig als Alternative zu Russland aus.

Als einzig halbwegs realistische Alternative zu Russland bieten sich Katar und Iran an, die gemeinsam das South-Pars-Gasfeld ausbeuten, das als die größte Erdgaslagerstätte der Welt gilt. Der Bau einer Pipeline zum Persischen Golf ist jedoch teuer und politisch heikel – zumal Iran Ziel von EU-Sanktionen ist und der Irak, der als Transitland unvermeidbar ist, nicht eben als sicher gilt. Auch ideologisch ist die Suche nach Alternativen zu russischem Gas eine interessante Frage. Verglichen mit den möglichen Alternativlieferanten von Erdgas (Aserbaidschan, Turkmenistan, Kasachstan, Iran, Katar) ist Russland in der Tat eine schon fast lupenreine Demokratie.

Teure Alternativen

Russische Erdgaslieferungen lassen sich somit nicht durch Gaslieferungen aus anderen Staaten per Pipeline ersetzen. Theoretisch wäre es jedoch möglich, die leitungsgebundenen Lieferungen aus Russland durch Gaslieferungen mit Tankern aus weit entfernten Regionen zu ersetzen. Praktisch hat die Sache jedoch einen Haken. Der Transport per Tanker ist nur dann ökonomisch denkbar, wenn das Erdgas zuvor hoch komprimiert wurde. Hier kommt die Verflüssigung von Gas (LNG) ins Spiel. Dabei wird das Gas auf mehr als -160°C abgekühlt, was nicht nur sehr energieintensiv, sondern auch sehr kostspielig ist. Der Bau einer Verflüssigungsanlage samt Infrastruktur für den Transport mit Tankern kostet mehrere Milliarden Euro, jeder Tanker erhöht die Kosten um mehr als 200 Mio. Dollar pro Stück. Die immensen Investitionskosten müssen vom Kunden getragen werden. Russisches Gas durch LNG-Importe zu ersetzen wäre zwar – rein theoretisch – möglich, jedoch ökonomischer Wahnsinn.

Vor allem von Seiten der USA wird dennoch bereits seit Jahren international kräftig die Werbetrommel für LNG-Lieferungen in die EU gerührt . Dafür gibt es einen guten Grund. Durch den Fracking-Boom verfügen die USA über ein Überangebot an Gas, das krisenbedingt kaum mehr Abnehmer findet, wodurch der Preis fast ins Bodenlose fiel. Nennenswerte Exporte in die EU würden den Preis stabilisieren und damit die Investitionskosten der großen Erdgasförderer, die zugleich auch die größten Erdölkonzerne sind (z.B. Exxon, Chevron, BP), retten. Selbstverständlich wären auch die Lieferungen in die EU ganz sicher nicht zum wirtschaftlichen Nachteil dieser Konzerne. Wichtig ist jedoch hervorzuheben, dass Fracking-Gas – wenn man einmal die Folgekosten ignoriert – zwar vor Ort sehr preisgünstig ist, der Transport in ferne Regionen das billige Fracking-Gas jedoch extrem teuer macht. Die Zeche müsste, wie meist, der europäische Endabnehmer zahlen. Und wenn man bedenkt, dass eine theoretische vollständige Substitution der russischen Gaslieferungen durch LNG-Importe Kosten in Billionenhöhe mit sich bringen würde, kann einem da nur angst und bange werden.

Wessen Interessen vertreten die G7?

Es ist erstaunlich, wie gering die ökonomische Vernunft bei den Vertretern der G7 ausgeprägt ist, wenn es um russische Gaslieferungen geht. Wer ein Abkommen unterschreibt, das mittelfristig eine Stärkung der LNG-Importe vorsieht, schwächt damit sein eigenes Land und handelt entgegen der eigenen Interessen. In wessen Interesse handeln die G7-Energieminister? Im Interesse von Exxon, Chevron und BP? Oder im Interesse ihrer Wähler?

Es passt da ins Bild, dass die Regierungen, deren Politik offenbar von den Interessen der Ölkonzerne beeinflusst wird, auch die Regierungen sind, die in der Ukraine besonders eifrig an der Eskalationsschraube drehen. Die Frage, ob es da womöglich einen Zusammenhang gibt, muss sich jeder Leser wohl für sich selbst beantworten.