Presseschau Organisationen

Wer ist und was will Syriza?

Zur Wahl in Griechenland

Griechenland ist im Zuge der Euro-Krise gewissermaßen von der Peripherie ins Zentrum Europas gewandert - wenn man die öffentliche Aufmerksamkeit in den anderen Ländern als Maßstab nimmt. Das wirtschaftlich noch immer marode Land steht nun vor einer der wichtigsten Wahlen seiner Geschichte. Den Umfragen zufolge wird die linke Syriza wahrscheinlich stärkste Partei, gefolgt von der aktuell regierenden konservativen ND.

Syriza ist eine junge Partei, die aus einem breiten Bündnis verschiedener Organisationen hervorging. Mittlweile hat sie sich zu einer relativ straff geführten Partei gewandelt, mit einer erheblichen Fixierung auf ihren Vorsitzenden Alexis Tsipras. Von manchen Beobachtern wird das positiv gewertet, denn es schaffe für den Wähler inhaltliche Klarheit. Andere Stimmen kritisieren die Entwicklung dagegen, denn die sozialen Bewegungen, aus denen Syriza kommt, verlieren dadurch zunehmend an Einfluss.

Grundsätzlich sind sich die Kommentatoren darüber einig, dass die Partei inzwischen deutlich gemäßigtere Positionen als noch vor einigen Jahren vertritt. Sie fordert einen Umbau des Steuersystems, insbesondere einen energischen Kampf gegen die grassierende Steuerhinterziehung, und allgemein weniger Korruption und Klientelismus. Von einem radikalen, einseitig verkündeten Schuldenschnitt ist dagegen beispielsweise nicht mehr die Rede. Vielmehr soll die Schuldenlast durch Verhandlungen mit der Troika verringert werden. Und das Banksystem will man in Anlehnung an das System der deutschen Sparkassen verändern.

Ein Wahlsieg der Syriza - sogar die absolute Parlamentsmehrheit ist denkbar - könnte auch über Griechenland hinaus Folgen haben, wie die Zeit feststellt. Denn in Spanien gibt es mit Podemos eine ganz ähnliche neue Partei. Diese liegt in aktuellen Umfragen mit rund 29 Prozent der Stimmen ebenfalls vorn. Sie stellt sich gegen den harten Sparkurs der Konservativen in Madrid, der ähnlich wie in Griechenland vor allem die unteren und mittleren Schichten trifft. Syriza und Podemos arbeiten schon jetzt eng zusammen - möglicherweise werden in absehbarer Zeit also gleich zwei Euro-Länder von Parteien regiert, die programmatisch links von den traditionellen Sozialdemokraten stehen.

Eine merkwürdige Verbindung

Zum Erfolg der britischen UKIP

Owen Jones beschreibt die Situation der britischen UK Independence Party, die seit geraumer Zeit das etablierte Parteiengefüge in Großbritannien durcheinanderwirbelt. Gründe für ihren Erfolg sieht er in der schwierigen sozialen und ökonomischen Lage des Landes. Während die Konservativen auf die Wahlergebnisse von UKIP mit einem deutlichen Rechtsruck reagierten, habe es die sozialdemokratische Labour Party versäumt, eine überzeugende Alternative zu formulieren.

Der Autor verweist auf die eigentümliche Tatsache, dass viele Wähler der UKIP zwar aus der Arbeiterschaft kommen, die Partei in ihrer Programmatik dagegen eine dezidiert unternehmerfreundliche Linie verfolgt, beispielsweise in der Sozial- und Steuerpolitik. Wichtigstes Merkmal ihrer Argumentation ist die Kombination aus Ausländerfeindlichkeit und Kritik an der Europäischen Union. Jones geht zwar nicht von einer baldigen Regierungsübernahme der UKIP aus, denn das britische Mehrheitswahlrecht bevorzugt die beiden etablierten Großparteien. Aber allein ihre Existenz könnte diese traditionellen Kräfte zu einem Kurswechsel nach rechts zwingen - erste Anzeichen dafür sieht Jones in entsprechenden Kampagnen der Konservativen.

Nicht nur fürs Gemeinwohl

Private Stiftungen und ihre Folgen

In den Jahren der Regierungen Schröder und Merkel wurde das deutsche Stiftungsrecht erheblich verändert, vor allem steuerlich zugunsten privater Stiftungen. Die Folge ist ein Boom dieser Rechtsform, mittlerweile existieren fast 20.000 davon. Zwar engagieren sich gemeinnützige Stiftungen in vielen gesellschaftlichen Bereichen, teilweise mit hohen Summen. Aber diese Wohltätigkeit ist - trotz erheblicher Steuervorteile, also letztlich unter finanzieller Beteiligung der Allgemeinheit - in keiner Weise demokratisch legimitiert oder kontrolliert. Stattdessen entscheidet der Stifter nach eigenem Gutdünken über die Verwendung der Mittel. Anders als etwa in den USA müssen Einnahmen und Ausgaben auch nicht veröffentlicht werden. Aber Stiftungen werfen noch weitere Probleme auf. Denn trotz ihrer offiziellen Gemeinnützigkeit dienen sie häufig durchaus eigennützigen Motiven. Das kann sich in politischer Einflussnahme oder auch schlicht durch die Bildung von persönlichen Netzwerken und dergleichen manifestieren. Matthias Holland-Letz fordert deshalb eine Reform des Stiftungsrechts.

Gelernte Herzensbrecher

Einblicke in die Spendenindustrie
Gelernte Herzensbrecher
Bild von Howard Lake

An vielen öffentlichen Plätzen hängen Mitleid heischende Plakate, die um Spenden werben. Gerade die Tage vor Weihnachten sind die Zeit des großen Geschäfts: Viele Menschen wollen helfen und geben am Jahresende Geld, das sie von der Steuer absetzen können. Doch nicht wenige Organisationen sind unseriös und wirtschaften in die eigene Tasche. Die zunehmende Professionalisierung hat eine Spendenindustrie entstehen lassen, deren hehre Absichten nur noch auf dem Papier stehen – dort jedoch gekonnt formuliert.

Ein Themenabend von ARTE hat diese Geschäftspraktiken unter die Lupe genommen: Längst haben viele auf Spenden angewiesene große Organisationen ihr Fundraising an professionelle Dienstleister ausgelagert, die rein wirtschaftliche Ziele verfolgen. Deren vorgebliche ethische Mindeststandards erweisen sich im Interview aber als Lippenbekenntnisse. Engagierte Journalisten werden gar mit Prozessen und Rufmordkampagnen überzogen. Weiterlesen … »

Zeitenwende in Europa?

François Hollande wird französischer Staatspräsident in einem konservativ geprägten Europa
Siegesfeier in Paris
Siegesfeier in Paris Bild von rsepulveda

Frankreich hat gewählt, François Hollande ist neuer französischer Staatspräsident. Trotz seiner Ankündigung, die europäische Sparpolitik in Frage zu stellen und Reiche stärker zu besteuern, gilt er nicht gerade als ein Revolutionär. Philip Stephens sieht ihn in der Financial Times gar als »moderaten Konservativen«, da er »das Modell der sozialen Marktwirtschaft aus dem Nachkriegseuropa zurückfordert«. Der Autor bezweifelt, daß Hollande sich gegen das Dogma der Sparpolitik durchsetzen kann:

Ob links oder rechts, ob mit oder ohne Euro, die Eliten an der Macht huldigen dem Altar der Sparpolitik. Regierungen dürfen sich hier ein bisschen schräg stellen, dort angedeutete Akzente setzen. Doch niemand wagt es, den Katechismus der Haushaltsdisziplin in Frage zu stellen.

Dem setzt Javier Valenzuela in El País entgegen, daß es Zeiten gebe, in denen schon gesunder Menschenverstand revolutionär anmute. Denn Hollande stemme sich gegen den wirtschaftspolitischen Selbstmord Europas, von der Sparpolitik verursacht. Diese sei das Resultat einer falschen Diagnose. Die Wachstumsschwäche Europas sei vielmehr das eigentliche Problem und nicht die Verschuldung. Weiterlesen … »

Byzantinische Ränkespiele in Rom

Indiskretionen im Vatikan zeugen von harten Machtkämpfen
Byzantinische Ränkespiele in Rom
Bild von Michal Osmenda

Wer hätte das gedacht: Die verfeindeten Fraktionen im Vatikan nutzen die Öffentlichkeit, um durch geleakte Papiere ihre Streitigkeiten auszutragen. So landete bei der italienischen Zeitung Il Fatto Quotidiano ein Papier vom 30.12.2011, in dem der sizilianische Kardinal vom sicheren Tod des Papstes in diesem Jahr munkelt: »Der Heilige Vater befasse sich im Geheimen mit der Frage seiner Nachfolge«, für die er den Mailänder Kardinal Angelo Scola vorgesehen habe. Zwar ist das Papier authentisch, doch der Inhalt mag zu einem Intrigenspiel gehören, das sich gegen den Sekretär des Papstes Tarcisio Bertone richtet. Souverän spürt Jörg Bremer für die FAZ den komplexen Machtverhältnissen im Kleinstaat Vatikan nach. Dazu bietet Stefan von Kempis vom Vatikanradio im Deutschlandfunk einige Grundlektionen der Welt rund um den Petersdom. Weiterlesen … »

Arbeit an der Macht

Der Staatsumbau in Ungarn unter Victor Orban

Der Philosophieprofessor und Vorsitzende der Linken Grünen Partei in Ungarn Gáspár Miklós Tamás beschreibt in der Le Monde diplomatique die Situation in Ungarn. Die Regierung des Viktor Orbán betreibe den Abbau des Wohlfahrtstaates – und setzt somit die Entwicklung nach dem Umbruch 1989 fort. In einem Klima der Unsicherheit sehnen sich die Ungarn zunehmend nach dem »autoritären Wohlfahrtsstaat« zurück. Dieser habe durchaus eine ländliche und rückständige Gesellschaft modernisiert, jedoch um den Preis von Heuchelei und Zensur.

Die Orbán-Regierung strebt einen neuen Nationalismus an. Mit einer Flut von Gesetzen soll die erreichte Macht zementiert werden. So wurden allein am 23.12.2011 307 Gesetze verabschiedet. Diese führen dazu, daß der Staatsumbau nicht mehr umfassend vom Verfassungsgericht eingeschränkt werden kann. Der Regierung ermöglichen sie eine weitgehende Umbesetzung von Verwaltungsposten. Victor Orban will eine auf Arbeit aufbauende Gesellschaft: De facto bedeutet dies den Arbeitszwang für Arbeitslose mit Löhnen unter dem Existenzminimum. Für den Erhalt staatlicher Transferleistungen dürfen sie keine Arbeit mehr ablehnen.

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