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Wege aus der europäischen Krise
Die aktuellen finanzpolitischen Probleme einer ganzen Reihe von Euroländern haben vielfältige Ursachen. Die „Rettungspakete“ in Form von staatlichen Krediten sind aber offensichtlich nicht in der Lage, diese Probleme dauerhaft zu lösen. Stattdessen sind sie nur ein Tropfen auf den heißen Stein und werden aus verschiedenen Gründen weitgehend wirkungslos verpuffen. Was ist in dieser Situation zu tun?
Die aktuelle Lage
Die letztlich grundlegende Ursache der Krise betrifft die unterschiedliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der einzelnen Euroländer. Das zeigt sich zum Teil in den langfristigen Wachstumsraten, aber besonders im Auseinanderklaffen der Lohnstückkosten. Letztere sind maßgeblich für die Wettbewerbsfähigkeit. Vor allem dann, wenn in einem gemeinsamen Währungsraum die Möglichkeit der Abwertung für die schwächeren Länder nicht gegeben ist. Im Zeitraum von 2001 bis 2008 stiegen die Lohnstückkosten in Deutschland um gerade einmal 5,4% und damit deutlich unter dem Durchschnitt der Euroländer; in Griechenland dagegen beträgt dieser Wert 17%, in Irland 34,6%, in Spanien 16,5% und in Italien immerhin noch 9,7%. Damit haben sich die schon vor der Einführung des Euros bestehenden Unterschiede also noch weiter verstärkt. Das Leistungsbilanzsaldo, also die Zusammenführung aller Güterströme zwischen In- und Ausland, kann Aufschluss über die konkreten Auswirkungen dieser Differenzen geben. Im Durchschnitt der Jahre 2002 bis 2009 erwirtschaftete Deutschland ein jährlichles Plus in Höhe von 4,8% des BIP, die Niederlande sogar einen Zuwachs von 6,5%. Dem stehen auf der anderen Seite notwendigerweise Defizite gegenüber: in Griechenland -9,7%, in Irland -2,8%, in Spanien –6,7% und in Italien –2%. Denn irgendwer muss ja die Waren und Dienstleistungen kaufen, die hierzulande bereitgestellt werden.
Da die schwächeren Länder aber keine entsprechenden Verkäufe tätigen konnten, mussten sie sich immer weiter im Ausland verschulden. Natürlicherweise kamen diese Gelder vor allem aus den Ländern, die durch ihre Handelsüberschüsse über reichlich Liquidität verfügen, allen voran von deutschen Banken. Irgendwann ist jedoch der Punkt erreicht, an dem private Gläubiger nicht mehr bereit sind, diesen schuldenfinanzierten Verbrauch weiter zu stützen. Es wird einfach immer wahrscheinlicher, dass die gewaltigen Kredite nicht mehr bedient werden können. Damit steigen aber die Zinsen für neue Kredite: Je riskanter das Geschäft, desto höher die „Risikoprämie“. Spätestens jetzt steigen die Schulden den Schuldnern über den Kopf. Im konkreten Fall bedeutete das, dass die reichen Länder mit staatlichen Bürgschaften oder Krediten einspringen mussten. Diese Gelder kommen aber gar nicht bei den Menschen vor Ort an. Vielmehr werden damit nur die laufenden Zinsen und Tilgungen der Bankkredite abgesichert oder bezahlt – faktisch also vormals private in staatliche Kredite umgewandelt. Schon jetzt ist der größte Teil der Kreditforderungen in staatlicher Hand; allein die Europäische Zentralbank (EZB) kaufte für knapp 80 Mrd. Euro Staatsanleihen. Ein weiteres Problem besteht darin, dass die EZB zum Teil sehr fragwürdige Sicherheiten für Kredite an die Einzelstaaten akzeptiert hat; unter Umständen muss sie daher Milliardensummen abschreiben. Die Vergabe durch die EZB ist aber für diese Länder von großer Relevanz, denn auf dem privaten Kapitalmarkt können sie kaum noch Gelder erhalten.
Momentan richtet sich fast die ganze Aufmerksamkeit auf Griechenland. Aber die anderen Krisenländer haben noch weit größere Schulden in ihren Büchern stehen. Nach den letzten verfügbaren Zahlen von Ende 2010 heißt das konkret: Griechenland hat 278 Mrd. Dollar Auslandsschulden, Irland 814 Mrd., Spanien 1099 Mrd. und Portugal 322 Mrd. Deutschland – als Staat und durch seine privaten Banken - hält einen Anteil von knapp 570 Mrd. Dollar dieser Forderungen. Mittlerweile dürften diese Zahlen aber noch deutlich gestiegen sein. Und ein Ende der Krise ist nicht absehbar. Die nächsten Folgen könnten so aussehen: Nicht nur die südlichen, auch die nördlichen Euroländer fallen immer tiefer in die Schuldenfalle; die Haushaltsdefizite steigen weiter, das ganze Finanzsystem, momentan ohnehin noch geschwächt durch die Finanzkrise seit 2008, wird noch mehr destabilisiert. Die Realwirtschaft wird dadurch massiv unter Druck gesetzt, eine langanhaltende Rezession wäre das Ergebnis. Übrigens auch in Deutschland. Denn zum einen fehlt die Nachfrage nach deutschen Produkten aus diesen Ländern und durch die Verwerfungen in der hiesigen Finanzbranche wird es für Unternehmen schwieriger, an Kredite für Investitionen zu kommen. Zumal die vom Staat aufgenommenen Kredite das verfügbare Geld der Privatwirtschaft entziehen.
Die politischen Folgen sind bereits in Ansätzen festzustellen: Vor allem in Spanien und Griechenland führten die harten Sparmaßnahmen der öffentlichen Hand im Verbund mit einer wirtschaftlichen Rezession und hoher Arbeitslosigkeit zu wachsender Unzufriedenheit. Insbesondere der jüngeren Generation, die sich jeglicher Perspektiven beraubt sieht. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis diese Entwicklung auch auf Portugal, Italien und Irland übergreift. Auf der anderen Seite nehmen populistische Ausflüchte zu – Angela Merkels unsägliche Bemerkungen genauso wie die Hetzkampagne der Bild gegen angeblich faule Griechen zeigen, dass sich das Klima zusehends verschärft. Es besteht jedenfalls keine Garantie, dass die sozialen und ökonomischen Verwerfungen zu einer progressiven Wende in Europa führen. Genausogut könnten Nationalismus und Rechtspopulismus Zulauf erhalten. Wird hier nicht rechtzeitig und nachhaltig gegengesteuert, drohen gefährliche Entwicklungen.
Es stellt sich also die Frage, was getan werden müsste, um diese unheilvolle Perspektive abzuwenden. Ein einfaches „weiter so“ kann es nicht geben, so viel ist klar. Strittig ist dagegen, wie umfassend die notwendigen Reformen angelegt sein müssten - und ob diese politisch durchsetzbar sind. Im Folgenden sollen einige Optionen vorgestellt werden.
Option I: Sparen und Privatisieren
Eine Wirtschaft wie die griechische durch die Rosskur einer Sparoffensive zu „heilen“, kann nicht funktionieren. Die bisherigen Bemühungen in dieser Richtung waren sogar ausgesprochen kontraproduktiv. 2011 weist das Land sehr wahrscheinlich den dritten Rückgang seines BIP in Folge auf. Das kann auch nicht verwundern, denn die Massenentlassungen, Lohnkürzungen und die Demontage der sozialen Sicherungssysteme haben die Binnennachfrage schwer getroffen. Auf diese Weise entsteht eine deflationäre Entwicklung, die das Land auf viele Jahre lähmen wird – von den verheerenden sozialen Folgen ganz zu schweigen. Dennoch wurden bereits weitere Ausgabenkürzungen von 12 Mrd. Euro angekündigt. In Spanien und anderswo sieht die Lage ähnlich aus.
Die Privatisierungen sollen zahlreiche Unternehmen betreffen, unter anderem die Eisenbahn, Häfen, Flughäfen, Glücksspiel, Telekommunikation. Man erhofft sich dadurch schnelle Einnahmen in Höhe von ca. 50 Mrd. Euro. Erste Interessenten auch aus Deutschland stehen schon bereit: Fraport möchte den Athener Flughafen kaufen, Rheinmetall den Rüstungskonzern EAS. Die Umsetzung dieser Vorhaben dürfte aber in jedem Fall ein schlechtes Geschäft für Griechenland werden. Unter dem aktuellen Druck und dank der massiven Probleme werden die Unternehmen billig verkauft werden müssen. Langfristig schadet das auch der Handlungsfähigkeit des Staates, der dann in wichtigen Bereichen der Infrastruktur und Grundversorgung keine Einflussmöglichkeiten mehr hat. Hinzu kommt, dass die Privatisierungen unter der direkten Kontrolle der EZB, des IWF und der europäischen Kommission ablaufen sollen. Ihnen würde ein Vetorecht in allen hierbei relevanten Entscheidungen eigeräumt werden. Gleichzeitig bestehen sie darauf, dass die – immerhin demokratisch gewählte - griechische Regierung außen vor bleibt. Mit Hilfe von entsprechenden Gesetzen wären diese Entscheidungen auch in Zukunft nicht mehr rückgängig zu machen. Da diese Regeln an die Vergabe neuer Kredite gekoppelt sind, kann man hier ohne weiteres von einer politischen Erpressung sprechen. Mit Demokratie oder europäischer Solidarität hat das natürlich nichts zu tun. Vielmehr würden die Filetstücke der hellenischen Wirtschaft zu Schleuderpreisen an nordeuropäische Konzerne verkauft, unrentable Teile dann schnell abgewickelt werden. Gewisse Parallelen zur Privatisierungspraxis der Treuhandanstalt in Ostdeutschland sind nicht zu übersehen.
Option II: Institutionelle Reformen
Einige Konstruktionsfehler der Wirtschafts- und Währungsunion ließen sich verhältnismäßig leicht korrigieren. Beispielsweise die Unabhängigkeit der EZB. Die verhindert nämlich eine institutionenübergreifende Koordination der Wirtschaftspolitik, da sie an Weisungen der nationalen Regierungen genauso wenig gebunden ist wie an solche von Seiten der EU. Denkbar wäre hier eine demokratische Kontrolle durch und Rechenschaftspflicht gegenüber dem Europäischen Parlament. Hier stellt sich zwar das Problem, dass nicht alle EU-Mitglieder auch den Euro eingeführt haben. Aber das ließe sich relativ unkompliziert dadurch lösen, dass in solchen Fragen nur diejenigen Parlamentarier Mitspracherechte haben, die aus Euro-Ländern kommen.
Darüber hinaus müssten die Maastrichter Konvergenzkriterien erweitert werden. Wachstum und Beschäftigungsaufbau sollten ebenso wichtig sein wie die bisher allein maßgebliche Inflationsbekämpfung. Auch enthalten die Vorgaben der Wirtschafts- und Währungsunion sehr starre Verpflichtungen in Bezug auf Haushaltsdefizit und Schuldenstand. Die aktuelle Krise hat aber mehr als deutlich gezeigt, dass diese Regelungen nicht immer greifen können. Zumal Ungleichgewichte in der Leistungsbilanz überhaupt nicht berücksichtigt werden. Sinnvoller wären also Regularien, die den Bedürfnissen und der Leistungsfähigkeit der einzelnen Länder angepasst sind. Im Übrigen ist das Ziel eines positiven oder ausgeglichenen Haushaltes generell fraglich. Denn ein Staat hat nicht die Aufgabe, Profit zu erwirtschaften, sondern er muss seinen Bürgern eine funktionierende Infrastruktur, Rechtsschutz, Bildung, Gesundheit und soziale Sicherheit gewähren. Man könnte noch weiter gehen und sagen: Der Staat hat auch Sorgen zu tragen für eine antizyklische Konjunkturpolitik. Dann müsste er bei nachlassender privater Nachfrage stützend eingreifen. Zu diskutieren wäre jedenfalls nicht ob, sondern wie viele Schulden er machen darf. Und hier gehen die Meinungen natürlich auseinander. Wichtig ist jedoch, dass er flexibel auf Krisen reagieren kann – und dafür braucht er Spielraum bei der Kreditaufnahme.
Die Festlegung Europas auf eine neoliberale Wirtschaftspolitik, wie sie im Vertrag von Lissabon enthalten ist, müsste aufgehoben werden. Dafür wäre freilich die Zustimmung aller 27 Mitgliedstaaten erforderlich – fraglos eine hohe Hürde. Dennoch hat die Entwicklung der letzten Jahre gezeigt, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht, um eine flexible und ausreichende Antwort auf die Krise zu ermöglichen.
Option III: Ausstieg aus dem Euro
Ein Ausstieg aus dem Euro hätte für die Südeuropäer zunächst den unbestreitbaren Vorteil, die Entscheidungsgewalt über ihre nationale Währungspolitik zurückzugewinnen. Das würde mit Sicherheit eine Abwertung ihres neuen Geldes nach sich ziehen und so die eigene Wirtschaft im internationalen Vergleich wieder wettbewerbsfähiger machen. Ihre Schulden lauteten dann aber nach wie vor auf Euro – und damit würde eine Rückzahlung noch viel schwieriger werden. Über höhere Steuern könnten diese Summen kaum aufgebracht werden. Und der politische Preis wäre für ganz Europa erschreckend hoch. Denn ein Ende der Währungsunion in ihrer heutigen Form wäre das Eingeständnis, dass die europäische Einigung gescheitert ist. Sie würde die weitere Integration um Jahre zurückwerfen oder ganz zum Erliegen bringen. Der Rest-Euro hätte kaum noch international das Gewicht einer globalen Leitwährung neben dem Dollar, der ihm heute zukommt. Möglicherweise würden sich auch einige Staaten in einen neuen Protektionismus flüchten, um ihre Wirtschaft zusätzlich vor Konkurrenz zu schützen – eine Kettenreaktion, an deren Ende die ökonomische Verflechtung und der Handel bedenklich zurückgehen würden. Alles in allem also nur scheinbar eine „einfache Lösung“; in Wirklichkeit würden sich so die Probleme keineswegs beheben lassen, sondern sogar verschärft werden.
Option IV: Neuausrichtung des europäischen Wirtschaftssystems
Wenn die eingangs dargestellte Ursache der Probleme richtig ist, kann nur eine weitgehende Abkehr von der bisherigen Wirtschaftspolitik langfristig Erfolg haben. Das würde aber bedeuten, dass auch die exportstarken Länder wie die Niederlande und Deutschland neue Wege gehen müssen. Statt auf einen gnadenlosen Wettbewerb zu setzen und so das Gleichgewicht zwischen den Ländern zu untergraben, würde das bedeuten: Eine großzügige Lohnpolitik, die dann zu einer entsprechend steigenden Binnennachfrage führen würde. Damit könnte der Einbruch der Exporte kompensiert werden. Vor allem aber würde so die fatale Entwicklung, dass hierzulande zwar die Produktivität und die Gewinne aus Kapitalvermögen gewaltig zunahmen, die Löhne aber bestenfalls stagnierten, wirksam umgekehrt werden. Begleitend müssten die Sozialsystemausgebaut werden, um auch Teilhabe und Kaufkraft der Erwerbslosen zu verbessern. Massive staatliche Investitionen in lange vernachlässigte Bereiche wie die Bildung und eine konsequente Förderung erneuerbarer Energien wären ebenfalls denkbare Bestandteile eines solchen Konzepts. Dadurch könnten auch die gerade neu entstehenden Wachstumsmärkte erschlossen werden. Zumal so eine wirkliche Energiewende nachhaltiger gestaltet würde – und nicht zu mehr Importen von fossilen Brennstoffen führen würde.
In den Krisenländern des Südens müsste ebenfalls eine Neuausrichtung erfolgen. Denkbare Säulen wären dabei der Tourismus und die Nahrungsmittelerzeugung, aber auch eine gezielte Förderung von Hochtechnologie. Damit könnte man einerseits bereits starke Branchen weiter ausbauen und durch zukunfsträchtige Sparten ergänzen.
All das wird aber kurz- und mittelfristig gewaltige Summen an Kapital erfordern. Das instabile und spekulative Finanzsystem hat in der Vergangenheit gezeigt, dass es zu solchen Maßnahmen nicht in der Lage ist. Hier fehlt einerseits der lange Atem, andererseits der politische Wille, solche tiefgreifenden Strukturreformen mitzutragen. Die Konsequenz kann also nur lauten: Ausbau eines demokratisch kontrollierten öffentlich-rechtlichen Finanzsektors, Ende der massiven Subventionierung privatkapitalistisch orientierter Banken. Diese Banken im öffentlichen Eigentum müssten klare Vorgaben für ihre Geschäftspolitik erhalten. Ein mögliches Vorbild wäre hier die jahrzehntelang erfolgreiche Arbeit der deutschen Landesbanken – bis sie in der jüngsten Vergangenheit das Geschäftsmodell der Privatbanken kopierten und damit gescheitert sind.
In dieser Richtung funktionsfähige Konzepte zu erarbeiten und durchzusetzen, darf aber nicht nur der Politik überlassen werden. Hier ist steter und entschlossener Druck „von unten“ erforderlich. In Spanien und anderswo hat sich ja gezeigt, dass der Wille zu Veränderungen durchaus vorhanden ist. Was bisher fehlt, sind wirksame Organisationen und klare Vorstellungen. Es bleibt also noch viel zu tun.
Kommentare
Hey Axel… also ich finde
Hey Axel…
also ich finde deinen Text sehr gelungen, ab da wo er losgeht. Dennoch sehe ich an der Sache ein Problem: Du - wie auch fast alle anderen die sich derzeit zu dem Thema äußern - verwechseln die Auswirkung mit der Ursache. Die Ursache der Krise sind nicht die von dir aufgezeichneten Strukturen im Euroraum, sondern die Strukturen im Euroraum sind lediglich der Grund warum die Weltwirtschaftskrise zuerst hier im großen und nicht mehr durch Bilanztricks aufhaltbarem Maße durchschlägt.
Wir hatten kurz nach der Subprimekrise schon mal einen weltweiten Einbruch der durch massive Maßnahmen abgefedert wurde. Dadurch wurde der Schneeball weltweiter Verwerfungen aber nur noch größer und nun ist das Pulver verschossen.
Das weltweite Finanz- und damit Wirtschaftssystem ist seit 2007 unaufhaltsam zum Scheitern verurteilt. Wir sehen seitdem nur eine Verzögerung des Zusammenbruchs. Euroland trifft es aufgrund der von dir dargestellten Architekturen früher als andere, aber wie du dieser Tage siehst melden sich nun auch die USA mit desaströsen Arbeitsmarktzahlen und einem Abkühlen der Wirtschaft zurück. Ich empfehle dir folgenden Artikel: http://www.manager-magazin.de/politik/weltwirtschaft/0,2828,765706,00.html
Die Antwort kann meiner Meinung nach nur in der resoluten Abkehr des neoliberalen Wirtschaftssystems und der Neuarchitektur des Weltfinanzsystems liegen. Ich möchte aber betonen, dass auch ich nicht weiß wie dies im einzelnen auszusehen hat.
Es ist aber verkürzt und wird der Sache nicht gerecht, das was wir sehen nicht als fundamentale Systemkrise zu begreifen. Wir leben nun einmal in einer globalisierten Welt, also müssen Probleme auch global gedacht werden, nicht regional.
VG
Florian
lieber florian, im grunde
lieber florian,
im grunde teilen wir doch alle deine generalkritik, aber in der jetzigen situation geht es doch vielmehr darum, einen stein ins rollen zu bekommen bzw. erste schritte in die richtige richtgung zu machen. an so einem punkt - denke ich - ist es manchmal kontraproduktiv alles immer gleich nur global oder nur im sinne einer umfassenden und kompletten umwälzung zu sehen. daraus kann nämlich auch schnell eine handlungsblockade bzw. verantwortungsverschiebung an die jeweils anderen akteure sich einstellen. gerade auf der globalen ebene sehen wir ja, dass die machtrelevanten nationalen akteure gemäß dem motto agieren, wer sich zuerst bewegt, hat verloren. dies blockiert eben - neben den nationalen interessen - eine international-gemeinsame veränderungsbereitschaft. diesen ‘patt’ wird irgendwann vermutlich ein akteur nur dann durchbrechen, wenn ihn die innere not bzw. widersprüche förmlich dazu zwingen. genau eine solche situation scheint sich gerade in europa anzubahnen. so scheint es mir wahrscheinlicher, dass sich hier europa bewegen muss und dadurch eventuell andere regionale machtzentren ‘animiert’ ebenfalls solche veränderungen zu initiieren, anstatt dass die internationale weltgemeinschaft solche impulse in europa in die gänge bringt. irgendjemand muss immer ‘den ersten stein werfen’ und im vergleich zu anderen relevanten machtzentren (usa) sind in europa aufgrund seiner gesellschafts-politischer strukturen dinge bzw. veränderungen zumindest vorstellbar… in diesem sinne ein ‘kleiner’ schritt für europa, ein großer schritt für die menschheit.
lg jakob
dem stimme ich voll zu.
dem stimme ich voll zu. derzeit scheint mir das auch das wahrscheinlichste szenario zu sein. die gefahr der handlungsblockade sehe ich derweil nicht mehr. die leute sind ja längst auf der straße - europaweit!
es ist aber auch wichtig, dass sie sich klar machen WARUM sie auf der straße sind: wegen einem gescheiterten wirtschaftssystem.
…erst in zweiter instanz gilt es dann die politische korruption etc zu geißeln. das grundübel beginnt mit dem wirtschaften. wenn man dieses grundübel nicht frühzeitig klar benennt besteht die gefahr dass die wütende masse instrumentalisiert wird.
lg
florian
Schäuble in der Schuldenfalle
Neben denhier genannten Fehlern krankt die Griechenland-“Hilfe“ an drei Grundübeln, die auf deutsche Initiativen zurückgehen: 1. die Beteiligung des IWF, der nach seinen starren Regeln zusätzliche Garantiern von GR fordert; 2. der deutsche Glaube an die Märkte, die in Wahrheit gegen GR wetten; 3. das deutsche Dogma der unabhängigen Zentralbank, was derzeit zu einem Kleinkrieg zwischen Berlin und Frankfurt führt. Detailliert habe ich dies auf meinem Blog erklärt, siehe http://lostineurope.posterous.com/schauble-in-der-selbst-gemachten-schuldenfall
Das Hellas-Syndrom der Kanzlerin
Ob Angela Merkel dabei an die griechische Geschichte denkt mit all seinen ‘Helden’ und Kämpfern, die schon Troja vernichtet haben, wage ich zu bezweifeln, aber Ausschließen kann man in diesen Tagen ja fast gar nichts mehr. Hier wird einfach mal gigantisch Stimmung gemacht und finsterste Ecken der Hölle beschworen, aber sind diese Horror-Szenarien wirklich zu erwarten? Wirtschafts- und Finanzexperten gibt es ja zuhauf und jeder dieser Auguren macht ein anderes Fass auf, um zu loben oder zu tadeln.
Griechenland ist pleite, weil das Land bei Einführung des Euro schlicht und ergreifend gelogen hat und jetzt sind diese sogenannten Experten sich nur in einem einig, dass sie sich niemals werden einigen können, denn so sehr sie die Tatsachen auch drehen und wenden, heraus kommt immer wieder nur ein neues Desaster. Das Wichtigste steht aber hier: http://freies-in-wort-und-schrift.info/2011/06/11/das-hellas-syndrom-der-kanzlerin/
Danke für den gut zu lesenden
Danke für den gut zu lesenden Artikel. Bin leider fachlich längst nicht soweit ihn beurteilen zu können, aber aus dem Bauch heraus habe ich vielen Argumenten zugestimmt. :-)
Ist es im Grunde nicht unser auf dem Zins basierenden Geldsystem
dessen Schneeballeffekt nun ins Leere läuft. Ich sehe mehrere Dinge, die zu ändern sind:
1. Mit Geld darf nicht verdient werden, es darf nur als Schmiermittel im Fluss sein. Damit gehört es zudem nicht in private Hände
2. Unsere Ökonomie folgt dem falschen Leitbild. Wir müssen wieder weg von der krankmachenden Konkurrenz hin zur menschwürdigen und auf Dauer auch effektiveren Kooperation.
3. Die Klasse der repräsentativen Politiker führt zu korruptiven Netzwerken mit der Ökonomie, d.h. es braucht mehr direkte Demokratie, so dass ein Mehr an Kontrolle durch die Bürger gegeben ist, so wie es das Grundgesetz formuliert
4. Die Menschen brauchen eine Grundsicherung ohne Wenn und aber, um aus dieser Sicherung ohne Angst ihren sinnvollen Beitrag an der Gemeinschaft zu finden. Damit dreht sich auch das Verhältnis von Arbietgeber und -nehmer zu einem gesünderen um. Es werden immer weniger Produkte produziert, die nicht gebraucht werden oder einen zweifelhaften, gesellschaftlichen Wert haben. So wird auch Arbeit entlohnt, die derzeit ohne Entgeld geleistet wird. Und das sind 2/3 aller Tätigkeiten in unserem Land.
Option V, die Insolvenz
Option V, die Insolvenz Griechenlands und damit ein Verlust für die Zocker bei den französischen und deutschen Banken sowie denen an der wallstreet (mit Credit Default Swaps (CDS)) aber auch Verluste für die EZB und z.B. den deutschen Steuerzahler (per Schuldenerhöhung) durch die Rettungsaktionen vom Frühjahr 2010, wurde im Artikel vergessen.
Das was jetzt gemacht wird ist doch nur ein Hinauszögern der griechischen Staatspleite mit Übertragung der Risiken auf diejenigen Länder (Völker) in Europa, welche noch nicht so hoch verschuldet sind und noch drauf packen können.
Mittelfristig sind Europa und die USA bereits pleite, weil hoch verschuldet und uns der Zins und Zinseszins Effekt umbringen wird und seit Jahren von der FED US Schuldverschreibungungen (bonds) aufgekauft werden, genauso wie 2010 die EZB Griechenlandpapiere kaufte. Das ist der Anfang vom Ende. Game over Super(Raubtier)kapitalismus.
Ein Umdenken ist angesagt, z.B. ein Zins- und Spekulationsverbot wie in muslimischen Ländern.
Der Antrieb immer mehr Geld anzuhäufen und rumzuzocken mit Geld (Erzübel der Banken), was der Wirtschaft und dem Staat fehlt, bzw. nur von Zinsen zu leben wäre weg, kleinere Brötchen würden gebacken, es würde vielmehr investiert (wegen der Gewinne daraus) als gehortet und sinnlos (und ohne Arbeit) gezockt.
Ja und Nein
Natürlich kann man sich auch über eine Insolvenz Gedanken machen. Dann steht man aber auch vor dem Problem, wer diese letztlich bezahlt, wie sie ganz richtig schreiben. Mittlerweile ist ja ein Großteil der Staatsanleihen an die europäischen Staaten weitergereicht worden (und die griechischen Banken halten auch noch erhebliche Summen). Hinzu käme, dass dann die Kreditwürdigkeit der anderen Krisenländer sinken würde. Und ob eine Pleite von Spanien oder Italien noch zu verkraften wäre, steht in den Sternen.
Mit der Riba (dem islamischen Zinsverbot) ist es aber so eine Sache: die wird durch »kreative Anlagemöglichkeiten« größtenteils umgangen. Dass aber die übermäßige Spekulation mindestens eingedämmt werden müsste, ist offensichtlich. Und die Möglichkeiten dazu werden im Artikel kurz angedeutet. Dazu gehören der Umbau des Bankwesens, ein Verbot bzw. strenge (!) Regulierung der Finanzmärkte als wichtigste Elemente. Ein rigides Zinsverbot wäre wohl gleichbedeutend mit dem Ende des kapitalistischen Systems überhaupt. Das kann man natürlich diskutieren – dass es in absehbarer Zeit realistisch ist, glaube ich allerdings nicht.
Links
gut angefangen aber dann die Marktwirtschaft als Übel zu identifizieren und sozialistische Maßnahmen zu diktieren ist grober Unfug.
Notwendig ist:
-Erhebung und Anhebung von zusätzlichen Vermögenssteuern
-und viel wichtiger: Abbau bestehender Vermögen
Die Fehlkonstruktion des Geldsystems
Gehen wir rein der Logik nach. Nominell beginnt die Zinsskala bei 0 Prozent. Und das ist, wie wir sehen werden schon die Ursache dafür, dass ein Währungsraum nach ca. 70 bis 140 Jahren kollabiert. Aber nun der Reihe nach. 0% Zins für das Halten von Liquidität bedeutet, jede Ausleihe oder Investition von überschüssiger Liquidität (=Ersparnisse, = Gewinne) muss mehr Zins bzw. einen Kapitalertrag einbringen, sonst lohnt es sich nicht, sich von der Liquidität zu trennen. Liquidität hat einfach Vorteile gegenüber längeren Verpflichtungen, mal ganz abgesehen vom Risiko. Also auch einem 100%-ig sicherem Schuldner wie die Notenbank würde man das Geld nicht für 0% ausleihen und auf Liquidität verzichten. D.h. Ersparnisse (= überschüssige Einnahmen) können immer nur gegen einen positiven Nominalzins wieder in den Wirtschaftskreislauf gelangen. Sonst werden sie gehortet. Wenn nun alle Überschüsse gehortet werden, geht die Summe der Einkommen zurück, schrumpft die Nachfrage, es ist immer weniger Geld im Umlauf usw. Es entsteht eine deflationäre Abwärtsspirale. Je mehr die Nachfrage zurückgeht sinken die Preise. Damit lohnt es sich immer mehr Geld zu horten, da die Kaufkraft des Geldes steigt. Investitionen verlieren gänzlich an Attraktivität, wenn der Verkaufserlös für die Produkte stetig sinkt bzw. der Absatz schrumpft. Ein Teufelskreis der rasch zu einer Katastrophe mit Massenerwerbslosigkeit und wirtschaftlichem beinahe Stillstand führt. Es besteht also ein gesellschaftliches Interesse daran, dass das Horten von Ersparnisse unterlassen wird. Dies bedingt aber die Entrichtung eines nominellen Zinses von im Schnitt etwa mind. 2% an die Sparer. 2% Zins bedeutet eine nominelle Verdoppelung des Vermögens alle 35 Jahren. Wir können hier also festhalten: beginnt die Zinsskala bei null, bedingt dies, dass Ersparnisse nominell exponentiell wachsen können müssen damit eine Deflation ausbleibt. Exponentielles Vermögenswachstum ist also Voraussetzung, dass immer genügend investiert und nicht zuviel gehortet wird. Wie lässt sich dies aber finanzieren? Wenn die Wirtschaft nicht wächst aber immer mehr Vermögenseträge bezahlt werden müssen um ein Vermögenswachstum zu finanzieren, müssen die anderen Einkommen, d.h. die Erwerbseinkommen entsprechend schrumpfen. Das wäre kein Problem, wenn für alle der Verlust bei den Erwerbseinkommen durch die wachsenden Vermögenseinkommen kompensiert würden. Je ungleicher die Vermögensverteilung, desto weniger ist dies aber der Fall. Netto profitiert in Deutschland etwa nur 10% von Vermögenseinkommen, 90% zahlen mehr an die Vermögenseinkommen als sie selbst davon profitieren. Wohin schrumpfende Erwerbseinkommen führen zeigt die Situation in Griechenland. Also muss die Wirtschaft, d.h. der zu verteilende Kuchen stets wachsen: damit lassen sich immer mehr Vermögenserträge finanzieren ohne dass die Erwerbseinkommen schrumpfen müssen. Wenn nun aber eine Wirtschaft jährlich um 2% wachsen können muss, bedeutet dies eine Verdoppelung von Produktion und Konsum alle 35 Jahren. Dies muss sein nicht etwa weil der Güterbedarf sich entsprechend entwickeln würde, sondern nur und einzig wegen der Folgen einer Zinsskala, welche bei null beginnt! Eine Verdoppelung von Produktion und Konsum alle 35 Jahren bedeutet eine Vervierfachung nach 70 Jahren und nach 140 Jahren ein Wachstum um das 16-Fache. Nach weiteren 35 Jahren müssten Konsum und Produktion sich erneut verdoppeln auf das 32-Fache des Konsums vor 175 Jahren. Es ist wohl leicht einzusehen, dass irgend wann eine Grenze erreicht wird, wo erzwungenes Wachstum immer mehr zur Qual für Mensch & Natur wird. Fazit: Ein Wirtschaftsssystem, welches ohne exponentielles (!) Wachstum nicht funktionieren kann, ist zum Wachstum bis zum ökologischen, sozialen und/oder ökonomichen Kollaps programmiert.
Die Ursache des Wachstumszwang ist letztlich eine Zinskala welche bei null beginnt. Diese kann beseitigt werden, in dem eine Zinsskala eingeführt wird, welche z.B. bei –6%/Jahr beginnt, wobei die Notenbank diesen Wert je nach Konjunktur festlegen kann. D.h. die Tauschmittel werden physisch bzw. untrennbar mit einer Liquiditätsabgabe (LA) von 6%/Jahr belastet, wobei die Abgabe auf Giralgeld anteilsmässig täglich fällig wird, auf Bargeld alle Monate. Geldhorten kostet demnach 6%/Jahr. Nun kann und soll der Markt spielen: Sparer suchen nach bestmöglichen Investitionen und Kreditnehmer. Sie haben einen Anreiz, Geld möglichst rasch auszuleihen oder zu investieren ohne, dass sich dabei unbedingt eine exponentielle Vermögensvermehrung ergeben muss. Eine Investition zu netto 0% Rendite (d.h. zuzüglich Risikobeteiligung) kann je nach Konjunktur attraktiv sein. Zieht die Konjunktur an, wird mehr Geld nachgefragt als gespart, werden wie heute positive Zinssätze und Kapitalerträge erreicht. Wächst die Wirtschaft nicht, werden sich die Zinssätze netto für langfristige Anlagen um 0% einpendeln. Reine Konsumkredite werden wie heute entsprechend dem Risiko deutlich teurer sein, d.h. mehr Konsum auf Pump wird es nicht geben. Gegenüber der heutigen Situation ändert sich „nur“, dass die Zinsskala sich um ein paar %-Punkte nach unten verschiebt und die Zinssätze gegen unten viel rascher auf die konjunkturelle Entwicklung reagieren können. Allmählich werden auch die Renditen von Realkapital sinken. Ein weiterer Vorteil einer täglichen LA auf Giralgeld wird die Verteuerung kurzfristiger Transaktionen sein gegenüber langfristigen Anlagen. Eine Transaktionssteuer würde nicht mehr nötig. Eine Volumenzunahme kurzfristiger Spekulationsgeschäfte wie heute wird es nicht mehr geben. Die Notenbank kann endlich eine Preisstabilität durchsetzen, welche diesen Namen verdient, ohne eine Deflation zu riskieren. Sie soll die Geldmenge so knapp wie möglich halten, dass keine Inflation entstehen kann, d.h. viel knapper als dies heute der Fall ist. Die LA verhindert wirkungsvoll eine Deflation. Schrumpft die Wirtschaft, kann die Notenbank die Geldmenge ebenfalls reduzieren. Bei schrumpfender Wirtschaft wird die Kreditnachfrage und werden lukrative Investitionsmöglichkeiten zurückgehen. Sparen wird rasch an Attraktivität verlieren, da meist nur noch mit Verlust möglich. Entsprechend wird mehr konsumiert werden, da Geldhorten als Option wegfällt. Ebenfalls wird nicht so rasch desinvestiert und restrukturiert werden um noch mehr Gewinne (=Einnahmenüberschüsse = Ersparnisse) zu generieren, welche ja nur kosten würden. Unternehmen, welche schon nur den Werterhalt der Investitionen sicherstellen können, werden ihre Daseinsberechtigung haben. Somit sorgt das Geldsystem von selbst für genügend antizyklisches Verhalten ohne, dass sich der Staat einzumischen braucht.
Wie hier gezeigt ist zu hoffen, dass sich immer mehr Menschen und Ökonomen mit dem Thema der Nullzinsgrenze und deren Folgen auseinandersetzen und die auf Silvio Gesell beruhende Idee einer LA auf deren geldtheoretischen und geldpolitischen Berechtigung prüfen. Rein aus logischen Gründen macht eine Zinsskala, welche bei null beginnt, keinen Sinn, im Gegenteil, dies verursacht mit der Zeit immer mehr katastrophale Zustände.