Business as usual
Seit Jahren steht der Fußball-Weltverband FIFA im Zentrum der Kritik. Es geht um Korruption bei den fragwürdigen WM-Vergaben an Russland und Katar. Millionensummen wurden mutmaßlich an Funktionäre gezahlt, um die Weltmeisterschaft trotz inhaltlich schlechter Bewerbungen doch in diese Länder zu holen. Und mehr noch: Die FIFA hat beispielsweise gegenüber Russland zur Bedingung einer Vergabe gemacht, dass Arbeitnehmerrechte außer Kraft gesetzt werden müssen, damit die Veranstaltung termingerecht stattfinden kann. In Katar hat sich nach den massiven Vorwürfen wegen der katastrophalen Bedingungen auf den Stadionbaustellen die FIFA dazu entschlossen, in die verbale Offensive zu gehen. Die WM fördere eine bessere Menschenrechtslage, argumentieren die einen Funktionäre. Die anderen sagen lieber nichts und behaupten nur, all das gehe die FIFA schlicht nichts an.
Vollmundige Reformversprechen und ein entschlossener Kampf gegen die Korruption wurden ebenfalls angekündigt. Passiert ist darauf fast nichts, das Ergebnis der internen Untersuchungen wird geheim gehalten. Greifbare Konsequenzen für die mutmaßlichen Geldflüsse vor den Abstimmungen aus Russland und Katar wurden nicht gezogen.
Bereits vor Bekanntwerden der jüngsten Justizermittlungen wurde vom WDR ein sehenswerter Film über das »System FIFA« gedreht.
Vom Idol zum KZ-Häftling
Als er bis 1933 für den Hamburger SV spielte, war Halvorsen ein beliebter Fußballer. Und nicht nur das, ihn verband auch eine persönliche Freundschaft mit seinem Teamkollegen Fritz Harder. Gemeinsam feierten sie große sportliche Erfolge mit dem HSV. Aber schon wenige Jahre später nahmen sie ganz unterschiedliche Rollen ein. Halvorsen kam in Konflikt mit den deutschen Besatzern in Norwegen, wurde verhaftet und in ein deutsches KZ deportiert. Es war das gleiche Lager, in dem noch kurz zuvor Harder als SS-Angehöriger tätig war. Später kommandierte er ein anderes KZ, das für seine besonders schlimmen Zustände berüchtigt war. Ron Ulrich erinnert an die Biografien zweier Fußballer in dramatischer Zeit.
Gekaufter Glamour
Schon seit einiger Zeit wird intensiv über Katars neue Rolle als Ausrichter wichtiger globaler Sportevents diskutiert. Es geht um Korruption bei der Vergabe der Fußball-WM 2022 und um die Arbeitsbedingungen auf den Stadienbaustellen. Aktuell anlässlich der Handball-WM, die ebenfalls in Katar stattfindet, bekommt dieses Bild noch weitere Facetten. Der Philosoph Gunter Gebauer thematisiert dieses Retortenspektakel:
Das ganze Sportsystem in Katar ist pervers. Der moderne Sport, insbesondere der Handball, hat gar keinen Ort in Katar, weil er die Bewohner nicht interessiert. Zudem wurden diese großen Stadien gebaut - und werden noch gebaut für die Fußball-WM 2022 - und mit Zuschauern gefüllt, die für das Zuschauen bezahlt werden. Da werden ein künstliches Publikum und eine künstliche Sportbegeisterung in einer künstlichen Sportwelt geschaffen.
Offenkundig geht es bei solchen Veranstaltungen nicht mehr vorrangig um den Sport selbst. Es geht um Repräsentation und politischen Einfluss; für diese Ziele wird der Sport instrumentalisiert. Um die Werbewirkung für das katarische Herrscherhaus der Al Thanis noch zu verstärken, kommt bei der Handball-WM noch eine überaus fragwürdige Praxis hinzu. Sportjournalisten wird ein rundum-sorglos-Paket offeriert, einschließlich kostenlosem Flug und Hotelunterkunft. Insgesamt 680 Journalisten nahmen dieses Angebot an - und kein einziger von ihnen macht diese Abhängigkeit seinen Lesern gegenüber transparent.
Korruption im Schatten des Glanzes
Jens Berger hat eine lesenswerte dreiteilige Artikelreihe zur Fußball-WM verfasst. Dabei geht es aber nicht, wie allerorten üblich, um vergangene oder aktuelle sportliche Großtaten, sondern um die Strukturen im Hintergrund des Spektakels. Berger zeigt nicht nur auf, wie tief verwurzelt die Korruption im Fußballweltverband sind, sondern er fragt auch nach den Gründen. Diese liegen teilweise Jahrzehnte zurück, als Sepp Blatters Vorgänger im Amt des FIFA-Präsidenten, Joao Havelange, die Kommerzialisierung des Fußballverbands begründete.
Neben den Problemen aktuell in Brasilien thematisiert die Reihe auch die fragwürdige WM-Vergabe an Katar, insbesondere auch die Rolle, die zahlungskräftige und -willige Mitglieder des katarischen Establishments dabei spielten. Insgesamt ein absolut lesenswerter Kontrapunkt zu vielen anderen journalistischen Arbeiten, die oft nur an der Oberfläche kratzen.
Der Rubel rollt
Ob man den Gesamtumsatz aller 18 Bundesligaclubs - gut zwei Milliarden Euro - betrachtet, oder einzelne Posten wie Fernsehgelder, Ticketing und Merchandising: Die Bundesliga legt Jahr für Jahr ordentlich zu. Zugleich steigen auch die Ausgaben, etwa für Spielergehälter um gut fünf Prozent im Vergleich zur Vorsaison, oder für die Ablösesummen. Damit steht die Liga finanziell auf Rang zwei in Europa, nur noch hinter der englischen Premier League. Und der Abstand schrumpft auch hier.
Die voranschreitende Kommerzialisierung wäre undenkbar ohne die parallel zunehmende Berichterstattung in den Medien. Der Fußball als familienkompatible Unterhaltungsware hat längst das Image des Proletensports abgelegt, das ihm noch vor 20 Jahren anhaftete. Das Fernsehen an erster Stelle diktiert die Wahrnehmung des Produkts Bundesliga, immer wichtiger wird neben dem eigentlichen Sport das »drumherum« an Talkshows, Homestories und dergleichen mehr. Von kritischer Distanz ist kaum die Rede, schon gar nicht bei einem Sender wie Sky, der hunderte von Millionen Euro jährlich in die Senderechte investiert.
Von Scheichs und Scheinen
Niels Kadritzke gibt einen lesenswerten Überblick zur Lage im Profifußball. Dabei werden auch strukturelle Veränderungen deutlich. Bis vor wenigen Jahren waren es vor allem schwerreiche Mäzene wie Roman Abramowitsch, diverse Ölscheichs oder Massimo Moratti, die sich für dreistellige Millionenbeträge Spieler, Erfolge und damit Prestige kauften. Daneben gibt es nun den Typ Investor, der auf einen finanziellen Rückfluss hofft, so etwa die Glazer-Familie im Fall von Manchester United.
Das große Geld kommt immer weniger von den Zuschauern im Stadion, wichtiger sind mittlerweile Fernsehgelder, Werbeeinnahmen und Marketing. Die zunehmende Attraktivität des europäischen Clubfußballs besonders in Asien führt dazu, dass auch dortige Geldgeber Mannschaften kaufen. Die lauthals beklagte Söldnermentalität der Profis hat letztlich aber auch die Ursache, und darin unterscheidet sich Kadritzkes Analyse von anderen, dass die Fans das Geschehen weitgehend kritiklos hinnehmen. Jedenfalls so lange, wie »ihr« Verein Stars kauft und Investoren anlockt. Die Kommerzialisierung droht allerdings mittelfristig den sportlichen Wettbewerb zu verzerren, die Ligen bringen immer häufiger dieselben Titelträger hervor. Interessant auch ein Detail am Rande: Sowohl die Eintrittskarten wie auch die Spielergehälter stiegen in den vergangenen zwanzig Jahren weitaus stärker als die Durchschnittseinkommen. Je mehr die Fans bezahlen, desto größer wird die Kluft zwischen ihnen und dem Sportspektakel.
Sonnenkönig im Fußballreich
Im jüngsten Korruptionsfall beim Fußball-Weltverband FIFA ist sie wieder zu beobachten, die selbstherrliche Amtsauffassung des Präsidenten Sepp Blatter. Schon viele Skandale hat er überstanden, manchen lästigen Konkurrenten ausgebootet. Zuletzt den Gegenkandidaten Mohamed Bin Hamam, der nach lancierten Bestechungsgerüchten erst gar nicht zur Wahl antrat. Seine Macht gründet sich dabei auf das erfolgreiche Geschäftsgebaren des Verbandes. Früher finanziell oft in arger Bedrängnis, hat Blatter die FIFA zu einem hochprofitablen Konzern umgebaut. Damit kauft er sich vor allem die Zustimmung der kleinen, von diesen Geldern abhängigen Landesverbände. Aber selbst die mächtigen nationalen Organisationen wie der größte von ihnen, der deutsche DFB, tanzen nach Blatters Pfeife.
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