»Minimalbeschreibung eines Bürgerrechtlers«
Joachim Gauck ist neuer Bundespräsident. Die urspünglich taktische Aufstellung des Pastors und späteren Verwalters der MfS-Akten durch die Oppostion 2010 hat sich durch das Votum der FDP 2012 verselbstständigt. Der Schritt ins Rampenlicht hat zugleich die Frage losgetreten, wie die Rolle Gaucks in der DDR zu bewerten ist. Zugleich steht er aufgrund von Äußerungen zur Einwanderung und der deutschen Vergangenheit in der Kritik. So greift Andreas Strippel die Bezeichnung Gaucks in vielen Medien als Bürgerrechtler oder gar als Freiheitskämpfer an. Dies sei nach den Aussagen damals Oppositioneller nicht richtig, denn er habe sich in der Friedensbewegung nicht eingebracht. Er sei zwar Gegner des »autoritären Polizeistaat[es] DDR« gewesen, dies mache ihn aber noch nicht zu einen Streiter für Freiheit. Vielmehr sei sein Freiheitsbegriff eindimensional und unscharf:
Weder ist Gauck ein Befürworter eines liberalen Individualismus, noch profiliert er sich als Kritiker autoritärer Tendenzen in der westlichen Demokratie.
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Ein Springer auf dem Schachbrett des Kalten Krieges
Regine Igel hat in zahlreichen Beiträgen geholfen, ein wenig Licht in die Wirren des Kalten Krieges zu werfen. Ihr letzter Mosaikstein ist eine dreiteilige Reihe auf Telepolis, die dem obskuren Anwalt Horst Mahler gilt, der in zahlreichen politischen Gruppen von rechts- nach linksaußen und zurück aktiv war. Igel sammelt Indizien für eine informelle Mitarbeit Mahlers für die Stasi aus diversen Akten zusammen, um diese in einen schlüssigen Kontext zu stellen. Sie vermutet in Mahler einen zentralen Agenten in Westberlin, der den Einfluß des ostdeutschen Nachrichtendienstes in der Außerparlamentarischen Opposition (APO) sichern sollte. Dabei erscheint Mahler als einer der Architekten der Roten Armee Fraktion. Sollte sich dieses Bild bestätigen, müsste die Geschichtsschreibung nicht unwesentlich korrigiert werden: Die Anschläge der RAF wären somit weniger ein Resultat der Radikalisierung der Studentenbewegung als vielmehr ein Produkt der Nachrichtendienste. Pikant ist dabei die enge Verbindung Mahlers zum Verfassungsschutzspitzel Peter Urbach, möglicherweise ein Doppelagent.
Im Auge des Terrors
Regine Igel untersucht in einer dreiteiligen Serie auf Telepolis die Verbindungen des internationalen Linksterrorismus zur Staatssicherheit der DDR. Diese Verbindung von Terror und Nachrichtendiensten sei seit Mitte der 90er Jahre in der Zeitgeschichtsschreibung in den Hintergrund getreten – zu delikat sei das Thema. Die Autorin geht Hinweisen der Zusammenarbeit deutscher, japanischer und arabischer Linksterroristen nach. Die Recherche in der Stasi-Unterlagenbehörde gestalte sich auch durch die geschickte Verdunklungsstrategie des Dienstes schwierig, zumal auch Stasi-intern Teile der eigenen Arbeit verschleiert wurden. Auch westliche Nachrichtendienste haben kein Interesse, daß ihre Praktiken durch die Akten sichtbar werden. Dazu gehört auch die äußerst umstrittene Rolle von Verena Becker und ihrer Schwester Annelie. Weiterlesen … »
Über Bande
Akten bleiben auf unabsehbare Zeit unter Verschluß, Behörden schweigen eisern: Der Terrorismus in der Bundesrepublik des Kalten Krieges läßt weiterhin große weiße Flecken auf den Karten der Forschung. Immer wieder kommen neue Details ans Tageslicht, welche die Frage nach Wissen und Einfluß der Nachrichtendienste aufwerfen. Die Rolle zweier Schlüsselfiguren wird auf Telepolis untersucht: Peter Urbach versorgte als Spitzel und Agent Provocateur des Verfassungsschutzes die Studentenbewegung mit Waffen und Bomben und spielte eine »antreibende Rolle in der Eskalierung«. Regine Igel sucht in den Akten des MfS nach Hinweisen zu einer möglichen Tätigkeit Urbachs als Doppelagent für die Staatssicherheit. Daneben führen Spuren von dem Dutschke-Attentäter Josef Bachmann zu rechtsextremen Kreisen, die Verbindungen zu Nachrichtendiensten hatten. In einem weiteren Beitrag spürt Udo Schulze der Terrorlegende Carlos nach, der ein Netz in der Bundesrepublik unterhielt, über das das BKA informiert gewesen sein soll.