Presseschau Großbritannien

Effizienz über alles!

Wissenschaft funktioniert nur, ohne einzig rentabel sein zu müssen

In einem Gastkommentar auf le bohémien plädiert Florian Sander, Mitglied des Rates der Stadt Bielefeld (FDP), für die Freiheit des Bildungsbereichs von Wirtschaftlichkeit als oberstem Grundsatz. Demnach profitiere die Gesellschaft durchaus von der Ungezwungenheit der Wissenschaft, auch nicht wirtschaftlich verwertbares zu erforschen, denn nur wissenschaftlicher Freiraum ermöglicht gute wissenschaftliche Arbeit. Die Unterwerfung des Hochschulwesens unter ständige finanzielle Zwänge und Effizienz führe außerdem zu kollektiver Verdummung und schlechter, weil eingeengter, Wissenschaft.

Hahnenkämpfe

Wie kommt man aus der Krise?

In den USA wie auch in Europa streiten sich die Wirtschaftswissenschaftler um den besten Weg aus der Rezession. Während die Neoliberalen die Notwendigkeit von ausgeglichenen Staatshaushalten und einer Korrektur der falschen Verteilung von Kapital und Arbeitskräften betonen, sehen die Keynesianer die Lösung in weiteren staatlichen Konjunkturprogrammen. Doch beide Ansätze haben ihre Tücken: mal wird eine hohe und länger anhaltende Arbeitslosenquote in Kauf genommen, mal eine extreme Staatsverschuldung.

In den USA und Großbritannien hat sich in den letzten Jahren eine übermäßig große Finanzbranche gebildet, die mit ihren fragwürdigen »Produkten« zwar satte Gewinne erwirtschaftete, aber auch destabilisierend wirkte. Und dieser Sektor, der in den USA 20% des Bruttoinlandsprodukts ausmacht, muss dringend reformiert werden. Das kann aber weder mit der geforderten Deregulierung noch mit zusätzlichen Milliarden aus Konjunkturhilfen gelingen.

Lügen haben langen Atem

Wie ein falsches Zitat Berühmtheit erlangte
"Ich glaube nur Zitaten, die ich gerade erfunden habe" <br/>Foto von cliff1066™
"Ich glaube nur Zitaten, die ich gerade erfunden habe" Foto von cliff1066™

Einer der berühmtesten Zitate in Deutschland ist Winstons Churchills Spruch »Ich glaube keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe.« Doch dieses Zitat ist leider – falsch. Dennoch wird der vorgebliche Ausspruch in zahlreichen Publikationen wiedergegeben. Bereits vor einigen Jahren hatte Werner Barke, ehemaliger Referent des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg, die Geschichte des Zitats herausgearbeitet: Offensichtlich geht es auf die Propaganda der Nazis zurück, welche Churchill gezielt als Lügner darstellten.

Auch welche verschlungenen Wege den Grundgedanken, dass Statistik – durch bzw. laut Churchill – zur Fälschung missbraucht werden könne, schließlich in die Presse der Nachkriegszeit Eingang finden ließen, von dort in Nachschlagewerke, von dort wieder in Zeitungen und Reden, das lässt sich heute noch nicht nachzeichnen.

Überliefert dagegen ist Churchills Aussage: »Man freut sich ja immer, wenn man sieht, wie ein Feind in Irrtum und Selbsttäuschung befangen ist.«

Mit Keynes gegen Keynes?

Betrachtungen zur Renaissance einer Theorie

Philip Plickert erkennt eine Wiedergeburt der Ansichten von John Maynard Keynes zum staatlichen Verhalten in der Wirtschaftskrise. Die Regierung habe demnach die Aufgabe, mittels »deficit spending« die weggebrochene private Nachfrage zu kompensieren. Und das tut sie auch in zahlreichen Ländern.

Allerdings meint der Autor, nun sei es Zeit zum Umdenken, um die Staatsschulden nicht übermäßig in die Höhe zu treiben. Dabei beruft er sich auf einige wenig bekannte späte Texte des Ökonomen. Weiterlesen … »

Konzepte von Gestern

Ein Rückblick auf den »Dritten Weg«
"Aus dem 'Sprungbrett in die Eigenverantwortung' von Schröder und Blair, ist das löchrige Schlauchboot mit dem Namen 'Hartz IV' geworden." <br/>Foto von Dolores Luxedo
"Aus dem 'Sprungbrett in die Eigenverantwortung' von Schröder und Blair, ist das löchrige Schlauchboot mit dem Namen 'Hartz IV' geworden." Foto von Dolores Luxedo

Fast vergessen ist der »Dritte Weg«, für den der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder und der britische Premier Tony Blair einst plädierten: Eine Neujustierung der Sozialdemokratie jenseits von links und rechts schwebte ihnen vor. Einer der Vordenker, Anthony Giddens, blickt in der englischen Wochenzeitschrift New Statesman auf diesen gescheiterten Versuch zurück. Kritisch geht Rudolf Walther im Freitag mit New Labour, der Neuen Mitte und Giddens ins Gericht: Die Marktfixierung habe die Finanzkrise mit vorbereitet, der militärische Interventionismus der Sozialdemokratie geschadet und unklar sei die politische Zielsetzung gewesen:

Schwammigkeit im Begrifflichen zeichnete schon das Schröder-Blair-Papier aus, das sich nach elf Jahren stellenweise wie eine Kabarettnummer liest. Hier wurde gleich im zweiten Absatz »das Dogma von Links und Rechts« beerdigt, so als ob es keine krassen sozialen Interessenkonflikte mehr gäbe.

Einer muss anfangen

Eine Steuer gegen die Spekulation

Der Bremer Ökonom Rudolf Hickel plädiert für die Einführung einer alle Finanzprodukte umfassenden Finanztransaktionssteuer. Sie soll die »relative Entkoppelung der Finanzmärkte von der Produktionswirtschaft« wenigstens teilweise rückgängig machen. So könnten falsche Preisbildungen durch irrationale Spekulation verhindert und die Krisenanfälligkeit des gesamten Wirtschaftssystems verringert werden.

Das häufig vorgebrachte Argument, eine solche Steuer ließe sich nur im internationalen Rahmen einführen, kann den Autor nicht überzeugen. Tatsächlich existiert mit der britischen »stamp duty« bereits eine nationale Steuer auf Finanzgeschäfte. Und mit einer begrenzten Einführung könne politischer Druck auf andere Länder ausgeübt werden. Weiterlesen … »

Schatten in der Dunkelkammer

Die Hedge Fonds fürchten um ihre Pfründe
Proteste im Finanzdistrikt bei der G20 2009 <br/>Foto von Subterranean Tourist Board
Proteste im Finanzdistrikt bei der G20 2009 Foto von Subterranean Tourist Board

Die City of London ist der Ort, an dem viele Hedge Fonds ihre Einlagen handeln, während ihr Sitz in Steueroasen ist. Bisher sind Regulierungen und Transparenzgebote an deren Widerstand und Einfluß gescheitert. Doch die Vorhaben der Regierungen auf dem Kontinent in Paris und Berlin lassen die Fonds befürchten, ihr »Agieren im Dunkeln« könne ein Ende haben, wie die Financial Times Deutschland berichtet. Der Londoner Finanzmarkt hat bisher einen bedeutenden Anteil des Bruttoinlandsprodukts und somit der Steuern in Großbritannien erwirtschaftet. Diesen Hebel wollen sie einsetzen, um in London Druck auszuüben.

Die größte Bedrohung für Londons Finanzzentrum ist nicht die Krise selbst, es ist die Welle der Regulierung, die als Antwort darauf von allen Seiten auf uns zurollt.

–  Anthony Browne, Leiter der Abteilung für wirtschaftliche Entwicklung des Londoner Bürgermeisters Boris Johnson

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