Magazin Beitrag

Was stört die EU-Kommission an Ungarns Rechtsregierung?

In der ungarischen Opposition gibt es unterschiedliche Auffassungen zum Eingriff der EU
Viktor Orban während der Debatte im Europäischen Parlament
Viktor Orban während der Debatte im Europäischen Parlament Bild von European Parliament

Lange Zeit konnte Ungarns Rechtsregierung augenscheinlich schalten und walten, wie sie wollte. Mit einer komfortablen Mehrheit im Rücken machte sie sich an den konservativen Staatsumbau. Die Proteste im Innern waren überschaubar und Kritik vom Ausland schien die Rechtskonservativen in ihrer Bunkermentalität nur zu bestärken. Doch seit sich in Ungarn die Folgen der Wirtschaftskrise bemerkbar machen und das Land dringend neue Kredite braucht, kann Ministerpräsident Viktor Orban die Kritik aus dem Ausland nicht mehr ignorieren.

Jetzt hat die EU-Kommission rechtliche Schritte gegen die ungarische Regierung eingeleitet. Gleich auf drei Feldern sieht sie das EU-Recht verletzt: bei der Unabhängigkeit der Notenbank, beim Pensionseintrittsalter von Richtern und bei der Unabhängigkeit des Datenschutzes.

Politische Beobachter gehen davon aus, dass Orban am ehesten bei der Bankreform zu Kompromissen gezwungen und bereit dafür ist. Er hat auch schon angedeutet, das Bankgesetz im Sinne der EU zu verändern. Am schwersten dürfte es der Regierung vor allem bei der Justizreform, einem Kernstück des Staatsumbaus, fallen, den Brüsseler Kritikern nachzugeben. Schließlich muss die Regierung dem eigenen Anhang gegenüber fürchten, das Gesicht zu verlieren, wenn sie einerseits gegen ausländische Einmischung polemisiert und Oppositionelle als Handlager des Auslands diffamiert, um dann selbst Brüsseler Vorgaben zu erfüllen.

Zumal mit der Jobbik-Bewegung eine rechte Opposition in Ungarn bereitsteht, die bereits Demonstrationen und Aktionen gegen die EU organisiert und Vergleiche zwischen Moskau vor 1989 und Brüssel zieht. Diese rechtspopulistischen Kräfte könnten von einer Schwächung des Orban-Regimes profitieren.

Weder Orban noch EU

Wesentlich schwieriger noch ist es für die liberale und linke ungarische Opposition, sich gegen die EU-Vorgaben zu positionieren. Von den liberalen Kräften wird das Vorgehen Brüssels weitgehend begrüßt. Dort wurde schon länger ein Eingreifen gefordert. Manche Liberale wünschen sich noch stärkeren Druck aus den USA. Der ungarische Philosoph und Linksoppositionelle Gáspár Miklós Tamás warnt allerdings in einem Beitrag, erschienen in der liberalen ungarischen Zeitung hvg davor, im Kampf gegen Orban auf die EU zu setzen. Tamás warnt:

Das in der Vergangenheit schon so oft enttäuschte ungarische Volk könnte in der “Causa Demokratie” nur das i-Tüpfelchen auf dem von den westlichen Mächten verordneten Sparmaßnahmenkatalog sehen. Letztere scheinen sich eher um Finanzstabilität zu sorgen. Wenn der Schutz der demokratischen Institutionen zwangsläufig mit einer Verarmung des ungarischen Volkes einhergeht, ist es nicht verwunderlich, dass sich die Bürger nicht für eine Wiederherstellung der liberalen Demokratie begeistern, die ihnen mehr Armut bringt.

Die Stichhaltigkeit seiner Argumente kann man an der EU-Kritik am ungarischen Bankengesetz deutlich machen. Die EU-Kommission wirft der ungarischen Regierung Verstöße gegen Artikel 130 des EU-Vertrags vor, der die Unabhängigkeit der nationalen Zentralbanken vorschreibt, sowie gegen Artikel 127, der bei Gesetzesänderungen Konsultationen mit der Europäischen Zentralbank (EZB) verlangt.

Im Detail bemängelt die Kommission, dass der Finanzminister direkt an den Sitzungen des geldpolitischen Rats teilnehmen kann, was der Regierung die Möglichkeit geben könnte, die Notenbank von innen zu beeinflussen. Auch müsse die Bank der Regierung vorab ihre Tagesordnung vorlegen, was vertrauliche Erörterungen behindere. Die Bezahlung des Notenbankpräsidenten werde schon jetzt, statt erst zur nächsten Amtszeit, verändert, was die Gefahr berge, dass auf diese Weise politischer Druck auf ihn ausgeübt werde. Problematisch sei auch, dass der Präsident und die Mitglieder des geldpolitischen Rats auf Ungarn und dessen Interessen vereidigt würden, obwohl der Präsident auch Mitglied des Erweiterten Rats der EZB sei.

Diese Kritik ist auch in dem Sinne zu lesen, dass die EU-Kommission die unabhängige Finanzpolitik eines Landes begrenzen oder gar verhindern will. Jede Regierung, mag sie auch durch Wahlen von der Bevölkerung legitimiert sein, die eine Banken- und Fiskalpolitik einschlägt, die nicht mit den Interessen der EU-Kernländer harmoniert, könnte sanktioniert werden.

Es ist nicht der von EU-Kommissionspräsident Barroso beschworene ominöse Geist der EU, der hier verletzt wird, sondern es sind Interessen von mächtigen Ländern in der EU, die hier tangiert werden. Die EU-Kommission hat nicht protestiert, als der griechischen Bevölkerung im Dezember vergangenen Jahres das Recht genommen wurde, über das Krisenprogramm abzustimmen. Dem griechischen Ministerpräsidenten Papandreous kostete der in populistischer Absicht gestartete Demokratieversuch das Amt.

Wenn Ungarns Liberale jetzt hoffen, dass auch Orban durch Druck aus Brüssel sein Amt verliert, stehen auch nicht Fragen zur Demokratie, sondern wirtschaftliche Interessen im Mittelpunkt. Anders als die Liberalen positioniert sich die kleine, aber in Großbetrieben verankerte Ungarische Kommunistische Arbeiterpartei in einer aktuellen Erklärung gegen Urban, EU und IWF.