Medium Der Spiegel

Konfusionen und Interessen

Zu den Ergebnissen des EU-Gipfels
Konfusionen und Interessen
Bild von europeanpeoplesparty

Die Kommentatoren beschäftigten sich aus zwei Gründen mit den jüngsten Entscheidungen: Zum einen wegen der beschlossenen Fiskalunion, zum anderen wegen des Neins der Briten. Die neuen Regeln werden dabei weitgehend positiv bewertet, etwa von Spiegel Online – die FTD dagegen glaubt, sie seien zwar richtig, aber nicht nachhaltig genug. Die FAZ weist darauf hin, dass sie weitaus gravierender sein werden, als bislang bekundet – denn die Finanzpolitik habe entscheidende Bedeutung.

Großbritanniens Sonderpolitik wird dagegen eher skeptisch aufgenommen. Der Tenor lautet herbei, das Land wäre zwar grundsätzlich willkommen in der EU, nicht aber mit seiner permanenten Blockadehaltung. Nur in Teilen wird darauf verwiesen, Camerons Haltung sei der Londoner Finanzbranche geschuldet. Und das, obwohl selbst Außenminister William Hague explizit darauf verwiesen hat, wie die Tagesschau zitiert. Die junge Welt erklärt das britische Unbehagen so: Die Banken der Londoner City würden penibel auf ihre unregulierte Sonderrolle achten, die Industrie dagegen habe jenseits des Kanals schon lange ihre Bedeutung verloren. Deshalb könne man auf den europäischen Absatzmarkt für deren Produkte eher verzichten als auf die liberale Politik gegenüber der Finanzbranche. Weiterlesen … »

Weltbild als Konsumprodukt?

Ein ganz anderer Blick

Es ist ein durchaus interessantes Experiment: Indonesische Ethnologiestudenten erforschen deutsche Weltbilder. Begonnen hat alles mit ein paar Klischees, etwa dem, dass Deutsche säkularisiert, logisch und Religiösem wenig aufgeschlossen seien. In Gesprächen und Feldstudien wurde das überprüft, organisiert im Rahmen einer deutsch-indonesischen Forschungspartnerschaft. Gegenstand der Studien waren Esoteriker, Veganer, und – etwas überraschend – auch die grüne Jugend. Das Resultat war differenziert. Manches wurde bestätigt, anderes aber auch nicht.

Besonders verblüffend die Erkenntnis, dass Veganismus oder auch Umweltschutz hierzulande durchaus religionsähnlichen Status haben können. Jedenfalls dann, wenn man den Religionsbegriff weit genug auslegt. Und: manche Weltbilder haben durchaus eine Konsumfunktion:

»Neue Religionen sind für sie wie ein Kleid, das sie sich zulegen und es ausmustern, wenn es nicht mehr gefällt«, sagt sie. Außerdem würden sich ihre Forschungssubjekte passiv verhalten: »Sie lesen nur Bücher und hören, was ihr Guru sagt.«

Operieren an der Black Box

Die Lage im Reaktorkomplex Fukushima
Im Turbinengebäude von Reaktor I
Im Turbinengebäude von Reaktor I Bild von Tepco

Vor einigen Wochen gab der Betreiber des Unglücks-Reaktors bekannt, die Temperatur sei in allen Reaktoren unter dem Siedepunkt. Damit wurde der Eindruck erzeugt, die Kontrolle der Reaktoren sei in greifbarer Nähe. Doch einmal mehr erweisen sich die Fortschritte als trügerisch. Denn der Nachweis des kurzlebigen Gases Xenon läßt sich nur auf weiterhin ablaufende  Kernspaltungsprozesse im Block 2 zurückführen. Die Techniker wissen nicht, wohin sich der geschmolzene Kern durchgefressen hat und operieren an einer Black Box.

Dagegen hat eine internationale Studie ergeben, daß die Menge an ausgetretenem Caesium 137 der doppelten Menge als bislang angenommen entspricht – in etwa 40 Prozent der Menge, die von dem lang strahlenden Stoff in Tschernobyl ausgetreten ist. Eine genauere Bewertung der nuklearen Katastrophe ist somit noch nicht absehbar. Weiterlesen … »

Angst vor dem Monopol

Amazon macht auch Verlagen Konkurrenz

Der größte Buchhändler der Welt begann bereits 2009 damit, selbst Bücher herauszubringen. Auch gestützt auf seinen firmeneigenen E-Book-Reader Kindle soll dieses Geschäft offenbar deutlich ausgeweitet werden. Zuletzt gelang die Verpflichtung einiger bekannter Autoren, weitere sollen folgen. Für einige Autoren mag das durchaus verlockend sein; finanziell, aber auch, weil sie schon allein aus Kostengründen mehr inhaltliche Freiheiten haben als in einem klassischen Verlag. Das Lektorat fällt hier nämlich weniger gründlich aus. Weiterlesen … »

Unklare Wut

Die weltweiten Proteste gegen die Finanzmärkte

In 78 Ländern und über 900 Städten gehen Menschen heute auf die Straße. Sie eint die Empörung über die Macht und den Egoismus der Finanzbranche. Darüber hinaus ist immer wieder zu hören, im Zentrum der Politik sollten die Interessen der großen Mehrheit stehen, nicht jene der »oberen Zehntausend«.

Zu diesem Zweck werden Demonstrationen, Platzbesetzungen und ähnliches veranstaltet. Wie viele sich an den Protesten letztlich direkt beteiligen, ist noch nicht ganz absehbar. Es werden voraussichtlich allein in Deutschland mehrere Tausend sein. Weiterlesen … »

Dokumentation des Leidens

Der UNO-Bericht zu Folterungen in afghanischen Gefängnissen
Gefängnis in Kandahar
Gefängnis in Kandahar Bild von The Rachel Maddow Show

Im Auftrag des Sicherheitsrats haben UNO-Mitarbeiter seit Oktober 2010 knapp 400 Häftlinge in afghanischen Gefängnissen befragt – ohne die Anwesenheit von Wärtern und in ihrer jeweiligen Muttersprache. Dabei kamen Betroffene aus zahlreichen Provinzen zu Wort, aus insgesamt 47 Anstalten der Nationalpolizei, des Geheimdienstes und anderer Behörden. Fast alle der zufällig ausgewählten Inhaftierten werden beschuldigt, in unterschiedlicher Form an Aufständen gegen die Regierung teilgenommen zu haben, einige »gewöhnlicher« Delikte; ein nicht geringer Teil weiß überhaupt nicht, warum er verhaftet wurde. Die Ergebnisse sind insgesamt erschreckend: Fast die Hälfte von ihnen wurde gefoltert. Weiterlesen … »

»Sie machen, was sie wollen«

Ein schweizer Rohstoffkonzern im Zwielicht
Schachtanlage in Mopani/Sambia
Schachtanlage in Mopani/Sambia

Glencore ist zwar nur wenigen ein Begriff, aber dennoch ist das umsatzstärkste Unternehmen der Schweiz ein zentraler Akteur im weltweiten Rohstoffgeschäft. Metalle und Erdöl werden abgebaut und gehandelt, genauso wie Lebensmittel. Wie das im Detail aussieht,  hat jetzt eine NGO genauer untersucht und darüber ein Buch veröffentlicht: »Rohstoff – Das gefährlichste Geschäft der Schweiz«.

In Sambia beispielsweise betreibt Glencore eine Kupfermine. Und obwohl der Weltmarktpreis des Metalls aktuell auf Rekordniveau steht, zahlt die Firma dort kaum Steuern. Grund ist die kreative Buchführung: Mit Hilfe von Zweigstellen in Bermuda und den Jungferninseln, zwei einschlägig bekannten Steueroasen, werden die Gewinne künstlich heruntergerechnet bzw. in eben diese Niedrigsteuerländer transferiert. Das Produktionsland geht dabei weitgehend leer aus.

Das ist übrigens nicht nur im Fall Glencore so; Schätzungen zufolge verlieren Entwicklungsländer etwa 300 Milliarden Dollar an Steuern jährlich durch solche Praktiken. Zum Vergleich: die weltweite Entwicklungshilfe summiert sich auf ca. 130 Milliarden Dollar.

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