Presseschau Beitrag

Angeleiteter Terror

Verstrickungen von Geheimdiensten in terroristische Strukturen haben in Deutschland eine lange Geschichte

Da die Ermittlungen zur atemberaubenden Anschlagserie der Gruppe namens Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) noch laufen und dabei ständig neue Aspekte an Licht kommen, fällt eine Einordnung bislang schwer. Die Zeit führt in ihrer aktuellen Ausgabe einige handfeste Indizien für eine Verwicklung von Behörden in den Fall an: Dabei sticht besonders der vormalige Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes Helmut Roewer hervor, dem rechtsradikale Positionen nachgesagt werden. Den Einstieg in die radikale rechte Szene fanden einige der NSU-Mitglieder allerdings im Thüringer Heimatschutz, der von einem V-Mann eben dieses lokalen Verfassungsschutzes (VS) aufgebaut wurde. Daß der VS – entgegen seinem Auftrag zur Beobachtung staatsfeindlicher Gruppierungen – gezielt terroristische Strukturen aufgebaut und gefördert hat, daran erinnert auch Eren Güvercin auf Telepolis anhand einiger islamistischer Gruppen: So wurde die berühmt-berüchtigte Sauerland-Gruppe von einem Hassprediger instruiert, der auf der Gehaltsliste der Geheimdienstler stand.

Dieses Prinzip, nur in der Tendenz gewaltbereite Strukturen gezielt zu radikalisieren, wurde auch im extremen rechten Spektrum angewandt. Laut einem Beitrag des Deutschlandfunks war eine Münchener »Schutzgruppe«, die einen Anschlag auf das jüdische Gemeindehaus plante, ebenso unterwandert. Daß diese aufflog und es zu einem Prozeß kam, war nicht dem Bemühen der VSler zu verdanken, sondern dem Kommissar Zufall. Ebenso zur Sprache kommt der schlimmste Anschlag in der bundesdeutschen Geschichte, dem Münchener Oktoberfest-Attentat, an dem ein Mitglied der Wehrsportgruppe Hoffmann beteiligt war: Schnell wurde hier die Hypothese vom frustrierten Einzeltäter konstruiert, der bei dem Anschlag starb. Der Fall ist bis heute nicht aufgeklärt, Zeugen wurden nicht befragt, Beweismittel vernichtet.