Neuer Kurs
Die blutigen Ereignisse um die von der israelischen Marine gestoppte Hilfsflotte für Gaza werfen auch ein Schlaglicht auf die neue Außenpolitik der Türkei, meint Rainer Rupp. Unter der AKP-Regierung Erdogans orientiere sie sich zunehmend Richtung Syrien, Iran und Rußland. Damit ist aber das traditionelle Bündnis mit den USA und Israel in Frage gestellt. Eine weitere Eskalation der türkisch-israelischen Beziehungen ist dabei nicht ausgeschlossen, wie martialische Ankündigungen beider Seiten belegen.
Die AKP nutzt diesen Konflikt geschickt, um einerseits die alten kemalistischen Eliten zu isolieren und gleichzeitig von dem gewachsenen Prestige in anderen Ländern des Nahen Ostens zu profitieren. So kann ihr Verhalten durchaus als Symbol für das gewachsene Selbstbewusstsein der Türkei als regionale Führungsmacht gewertet werden.
Dr. Strangelove reloaded
Vijay Prashad nimmt die aktuellen Ereignisse vor der Küste Palästinas zum Anlass, um über Strategien in der amerikanischen und israelischen Außenpolitik nachzudenken. Hier sieht er den Versuch, mit Hilfe von kalkulierter Unberechenbarkeit Druck aufzubauen: Traut der jeweilige Gegenspieler einem alles zu - inklusive massiver nuklearer oder konventioneller Militärschläge - dann befindet man sich automatisch in einer starken Position.
Gleichzeitig weist der Artikel auf die unterschiedlichen Maßstäbe hin, mit denen die USA das Handeln anderer Länder bemessen. Während die Opfer der israelischen Aggression lediglich bedauert würden, reagiere Hillary Clinton auf die jüngsten Vorkommnisse in Korea mit hektischer Aktivität.
Der seltsame Rücktritt
Für Irritationen und Empörung hat das Interview des Deutschlandfunk mit dem Bundespräsidenten Horst Köhler gesorgt. Dabei ist eine an wirtschaftlichen Interessen orientierte Außenpolitik der Bundesrepublik längst in zahlreichen militärischen Planungspapieren seit 1992 festgeschrieben worden, ohne daß diese — verfassungsrechtlich äußerst fragwürdige — Politik für viel Aufregung gesorgt hätte. Diesen Widerspruch zwischen öffentlicher Empörung und dem stillschweigenden Umbau der deutschen Außenpolitik arbeitet der Blog Fahrtenbuch anhand zahlreicher Dokumente heraus, darunter ein sicherheitspolitisches Planungspapier der CDU/CSU-Bundestagsfraktion von 2008: Weiterlesen … »
Auf und ab der Mächte
Immer wieder bieten aktuelle Ereignisse in Ostasien den Anlass, über das langfristige Verhältnis der beiden Großmächte USA und China nachzudenken. So wird das jüngste chinesische Flottenmanöver in Washington als Versuch interpretiert, den Einfluss Amerikas in der Region zurückzudrängen. Andererseits ist das Reich der Mitte weder finanziell noch technologisch oder politisch in der Lage, den Führungsanspruch der USA ernsthaft in Frage zu stellen.
Insofern erscheint die überaus vorsichtige Außenpolitik Chinas als sehr sinnvoll. Nur: wie lange lassen sich die Rivalitäten noch durch gemeinsame Interessen dämpfen? Jedenfalls gibt es durchaus konkrete Überlegungen in chinesischen Führungskreisen, wie Schritt für Schritt das bestehende internationale System verändert werden kann.
Lecks im Klimasumpf
Jüngst veröffentlichte Dokumente bieten Einblicke in die Verhandlungen über ein Klimaabkommen in Kopenhangen. Der Spiegel publiziert in seiner aktuellen Ausgabe ein Transkript eines Gesprächs zwischen den Staatspitzen der USA, Deutschlands, Frankreichs, Indiens und einem Vertreter Chinas. Demnach sind verbindliche Reduktionsziele an Indien und China gescheitert. Die dänische Zeitung Politiken veröffentlichte ein internes Memo des Staatministeriums von Lars Rasmussen: Bereits Anfang 2009 sei klar gewesen, daß ein bindendes Klimaabkommen nicht erstrebenswert sei, da die USA in der Finanzkrise dazu nicht bereit seien und auf eine »Symmetrie« der Zugeständnisse mit China pochen. Die Süddeutsche Zeitung faßt die Papiere zusammen, der China Observer ergänzt durch eine Einordnung. Weiterlesen … »
Ende des Mißtrauens?
Der polnische Journalist Adam Krzeminski untersucht die politischen Auswirkungen des Katyn-Absturzes der Maschine des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski. Nicht eine Fortsetzung der historischen Rolle als Opfer fremder Mächte sei der Absturz, sondern deren Ende. Die betroffene und emotionale Reaktion Russlands und die Bereitschaft seiner Führung, die Verbrechen der Besatzung dem eigenen Volk nicht weiter vorzuenthalten, habe in Polen eine Stimmung des Tauwetters erzeugt. Diese könne zu einer Aussöhnung führen, so daß Polen sein Gewicht im Westen nicht weiter gegen Rußland einsetzt; in einem solchen Prozess fiele Deutschland eine Schlüsselrolle zu. Weiterlesen … »
Symbole ohne viel Substanz
Andreas Zumach betrachtet im Freitag Obamas außenpolitisches Engagement durchaus mit Wohlwollen. Allerdings seien die Bemühungen um die atomare Deeskalation vor allem symbolischer Natur und könnten die Adressaten – Iran und Nordkorea in erster Linie – kaum beruhigen. Denn in den entscheidenden Punkten, Erstschlagsoption und Zahl der einsatzfähigen Sprengköpfe, sind die Zugeständnisse sehr bescheiden. Zudem steht die Aufrüstung des konventionellen Waffenarsenals in direktem Widerspruch zur Friedensrhetorik des Präsidenten.
Ob diese Unzulänglichkeiten nur auf den republikanischen Widerstand im Kongress zurückzuführen sind, wie der Autor suggeriert, mag bezweifelt werden. Immerhin hat Obama weder die Rüstungsausgaben reduziert noch sich in den aktuellen Kriegen nachhaltig für eine Friedenslösung eingesetzt. Ganz im Gegenteil: Er erhöhte sogar die Truppenstärke in Afghanistan.