Presseschau Philosophie

Zwang zur Selbstoptimierung

Grenzenloses Wachstum als kulturelles Leitbild
"Das Wirtschaftswachstum bringt uns immer näher an die Funktionsgrenze des Systems."
"Das Wirtschaftswachstum bringt uns immer näher an die Funktionsgrenze des Systems." Bild von Zanthia

Als die Folgen der ausufernden Industriegesellschaft als Raubbau an Natur und Mensch in den 70er Jahren unübersehbar wurden, stellte sich erstmals einer breiten Öffentlichkeit die Frage nach den Grenzen des endlos scheinenden Wirtschaftswachstum. Trotz des erreichten Zenits der Ölförderung zählt Harald Welzer heute jedoch zu den eher wenigen Intellektuellen, welche dieses spezifische Fundament des Kapitalismus kritisieren.

Das fehlende Bewußtsein über die Grundlagen unseres modernen Lebens beruht auf der völligen Verinnerlichung und Affirmation des Wachstums – mit dieser Überlegung erweitert Welzer in zwei jüngst erschienenden Schriften in den Blättern und dem SZ-Magazin sein Forschungsgebiet von einer Wirtschafts- zu einer allgemeinen Gesellschaftskritik.  Diese leitet er aus der Entwicklungsgeschichte des Kapitalismus der vergangenen 200 Jahre ab. So gelingt eine Kulturkritik, die viele Eigenschaften des Selbst- und Weltbildes des modernen Menschen herausschält: Dem im ewigen Werden der Waren- und Selbstproduktion gefangenen Menschen der Leistungsgesellschaft. Weiterlesen … »

Werdet endlich vernünftig!

Robert Pfaller über die unvernünftige Vernunft einer Verzichtsgesellschaft

Robert Pfaller, Professor für Philosophie an der Universität für angewandte Kunst Wien, kritisiert in seinem kürzlich erschienenen Buch »Wofür es sich zu Leben lohnt« die aktive Abschaffung von Genussressourcen und einen damit sich anbahnenden Kulturverfall. Gesundheitsfanatiker propagieren eine asketische Lebensweise. An Stelle von Fleisch, Alkohol, Nikotin und Fett treten Surrogate, die zwar gesünder sein sollen, uns aber nicht befriedigen. Weiterlesen … »

Kauf mich!

Kulturkritik mit David Foster Wallace
Times Square in New York. Konsum als Lebenszweck.
Times Square in New York. Konsum als Lebenszweck. Bild von Stuck in Customs

In einem Interview von 2006 sprach der amerikanische Schriftsteller David Foster Wallace, bekannt für seinen Roman Unendlicher Spaß von 1996, über Konsumdenken, den stetig wachsenden Einfluss von Unternehmen und anderem mehr: Konsumdenken habe in Amerika und Westeuropa enorm zugenommen in den letzten Jahrzehnten und verfälsche die kulturellen Werte. Außerdem werde der stetig wachsende Einfluss von Unternehmen auf Kultur und Politik in den nächsten Jahren womöglich eine Gegenreaktion herbeiführen. Danach gefragt, ob er an moralischen Fortschritt glaube, erklärt er am Beispiel der Massentierhaltung, dass heutzutage aufgrund des technologischen Fortschritts und der Fortentwicklung der ökonomischen Logik Gräueltaten begangen werden können, die noch vor zweihundert Jahren undenkbar waren. Das wiederum verpflichte zu besonderer moralischer Achtsamkeit.

Erkenntniswert: Null

Religion im neuen Zensus
Noch immer das Leitbild unserer Gesellschaft? <br/>Foto von Peter Sieling
Noch immer das Leitbild unserer Gesellschaft? Foto von Peter Sieling

Offenbar ist für den Staat die Weltanschauung seiner Bürger nur relevant, wenn diese einer offiziell anerkannten Kirchengemeinschaft oder »sonstigen« Religion  angehören. Gänzlich unter den Tisch fallen so etwa Atheisten. Und deren Zahl beläuft sich in Deutschland immerhin auf etwa 25 Prozent, laut einer Erhebung der EU aus dem Jahr 2005.

Auf diese Weise steht das Ergebnis quasi schon vorab fest: Im wesentlichen wird die Zugehörigkeit zu einer Kirche erfasst – das hätte man aber einfacher haben können, ein Blick auf die entsprechende Statistik zur Kirchensteuer hätte genügt. Dass die Mitgliedschaft in einer Kirche aber nicht ohne weiteres mit einer (oder mehreren) Weltanschauungen gleichzusetzen ist, liegt auf der Hand: Zweifel, Bequemlichkeit, Tradition oder berufliche Gründe werden so nicht abgebildet. Verbirgt sich dahinter also eine politische Absicht? Oder gar die Angst, den erheblichen »Nicht-Glauben« in unserer Gesellschaft zu thematisieren? Weiterlesen … »

Kampf um die Theorie

Philosophie in Middlesex soll geschlossen werden
kein Titel <br/>Foto: Save Middlesex Philosophy!
kein Titel Foto: Save Middlesex Philosophy!

Am 29. April zirkulierte Prof. Peter Hallward eine Email, in der es hieß:

I regret to say that Middlesex University has just decided, rather abruptly, to close all its Philosophy programmes and to shut down our Centre for Research in Modern European Philosophy …

Das renommierte Philosophie-Departement der Middlesex University soll komplett geschlossen werden. Die Entscheidung, die als weder ökonomisch noch akademisch motiviert gilt, fiel tags zuvor. Lehrende und Studierende reagierten sofort und richteten unter anderem eine Petition ein. Nina Power, die am 8. Mai im Berliner Haus der Kulturen der Welt vorträgt, verurteilte die Entscheidung im Guardian. Weiterlesen … »

Verstand und Verständigung

Über den Ursprung von Sprache

Gesten unterscheiden Kleinkinder von Menschenaffen. In der Forschung werden verschiedene Ansätze verfolgt; dazu zählt der Versuch, Roboter zur eigenen Entwicklung einer gemeinsamen Sprache auszubilden. Dadurch sollen Rückschlüsse auf den Ursprung von Verständigung und Grammatik gezogen werden. Der Schlüssel ist jedoch das Verständnis des sozialen Miteinanders, meint der Anthropologe Michael Tomasello und widerspricht damit dem Linguisten Noam Chomsky. Robert Brammer zeigt in SWR2 Wissen die unterschiedlichen Ansätze der Forschung.

Eine neue Sprache

Elias Canettis Buch Masse und Macht

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Hannah Arendt als eine der ersten Wissenschaftlerinnen einen nicht unumstrittenen Deutungsversuch des entgrenzten Verhaltens des Menschen in der Masse unternommen. Der Schriftsteller Elias Canetti entwarf dagegen mit dem Buch »Masse und Macht« ein eher poetisches Konzept eines Blickes von innen auf das unberechenbare Verhalten moderner Gesellschaften. Dafür erfand er  ein eigenes Vokabular, welches die Eigendynamik und die Bedeutung der Masse veranschaulicht. Die Sendung Essay und Diskurs des Deutschlandfunks hat einen Deutungsversuch unternommen.

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