Presseschau Wahlen

Seltsame Selbstmorde

Von Pressefreiheit ist in Weißrussland keine Rede

Mitte Dezember sind Präsidentschaftswahlen in Weißrussland; an der Freiheit der Wahlen gibt es Zweifel, einige Beobachter sehen in dem Präsident Alexander Lukaschenko den letzen Diktator in Europa. Birgit Gärtner erstellte auf Telepolis ein Porträt der politischen Lage des Landes, welches keinen Zweifel an der autoritären Staatsführung läßt. Interessant ist, wie die Herrschaft über das Monopol des Pressvertriebs gesichert wird; ebenso, daß das Land dem Westen auch deshalb ein Dorn im Auge ist, weil es sich lange der Privatisierungspolitik widersetzt hat.

Aufgrund der staatlichen Medienvorherrschaft sind in dem Land die Netzmedien besonderns wichtig als Oase unabhängiger Berichterstattung. Entsprechend groß war das internationale Medienecho, als einer der Initiatoren der Netzplattform Charta97 aus dem Leben schied. Laut Staatsanwaltschaft steht ein Selbstmord fest, die Zweifel daran sind jedoch überwältigend. NDR Zapp ist nach Minsk gefahren, um den Fall zu dokumentieren.

In Lulas Schatten

Zur Wahl in Brasilien
Die Kandidatin Dilma Rousseff beim Karneval <br/>Bild von Fotos da Bahia
Die Kandidatin Dilma Rousseff beim Karneval Bild von Fotos da Bahia

Im größten Land Lateinamerikas führten die Präsidentschaftswahlen anders als erwartet nicht zum sofortigen Sieg der Kandidatin der Arbeiterpartei, Dilma Roussef. Doch in der Stichwahl Ende des Monats wird sie wohl gewinnen. Das liegt vor allem an ihrem populären Vorgänger und Fürsprecher Lula da Silva.

Dieser hat die letzten acht Jahre durchaus erfolgreich regiert; einerseits wurden Sozialprogramme zugunsten der zahlreichen Armen eingeführt, andererseits boomt die Wirtschaft und die horrenden Auslandsschulden konnten abgebaut werden.

Noch immer gibt es jedoch — besonders im Nordosten des Landes — großes Elend. Frauen, Afrobrasilianer und Indigene partizipieren nur ungenügend an Wohlstand, Bildung und Macht. Auch die Landverteilung ist nach wie vor äußerst ungerecht.

In der Stagnationsfalle

Bosnien-Herzegowina bleibt ein EU-Protektorat
In Mostar sind die Spuren des Krieges noch präsent <br/>Foto von Adam Jones
In Mostar sind die Spuren des Krieges noch präsent Foto von Adam Jones

Bosnien-Herzegowina steht, sofern hier nicht gerade Krieg herrscht oder Thronfolger aus dem Leben scheiden, nicht gerade im Zentrum der internationalen Aufmerksamkeit. Nach dem Abkommen von Dayton 1995 gibt es Frieden, doch besteht das Land aus einen serbischen und einen muslimisch-kroatischen Teil. Das dadurch enstandene Vefassungskonstrukt verhindert ebenso wie Nationalismen und Korruption einen wirklichen Fortschritt. De facto bleibt das Land ein EU-Protektorat. Zu den aktuellen Parlaments- und Präsidiumswahlen sind einige Beiträge erschienen: Der Deutschlandfunk erklärt die politische Landschaft, Die Zeit porträtiert die Entstehung einer kleinen anti-nationalistische Partei während Die Presse sich  der Presselandschaft widmet.

Eindrücke und Stimmen aus dem 5-Millionen-Staat sammelt Ellen Häring auf Deutschlandradio Kultur auf einer Zugfahrt von Belgrad nach Sarajevo. Die taz zeigt einen Hoffnungsschimmer der Versöhnung aus der Stadt Foca. Christopher Ricke interviewt den Hohen Repräsentanten der Europäischen Union Valentin Inzko über seine Politik. Kritisiert wird, daß die Bosnier nicht ohne Visa in die EU reisen dürfen, wodurch Druck auf die Politiker des Landes ausgeübt wird. Das Wahlergebnis faßt die Deutsche Welle zusammen.

Ein Archipel der Clans

Die Wahlen auf den Philippinen und Hoffnung auf Wandel
Neues Klima in Manila? <br/>Foto von neilalderney123
Neues Klima in Manila? Foto von neilalderney123

Die Macht auf den Philippinen teilen sich einige einflußreiche Familien. Daran ändern auch die jüngsten Präsidentschafts-, Senats- und Gouverneurswahlen nichts, bei denen Benigno Aquino zum neuen Präsideten gewählt wurde. Seine Vorgängerin Gloria Macapagal-Arroyo wird jedoch für über tausend Morde gegen Oppositionelle verantwortlich gemacht. Ihre Macht basierte auf mehreren einflußreichen lokalen Clans, die teilweise über eigene paramilitärische Einheiten verfügen. Sie wiederum nehmen Einfluß auf den Ausgang von Wahlen, indem sie einen fairen Wahlkampf nicht zulassen. Diese Oligarchie festigt das krasse soziale Gefälle. So kann von einer echten Demokratie keine Rede sein.

Auf den neuen Präsidenten werden Hoffnungen gesetzt, daß zumindest das dunkle Kapitel der politischen Morde des vergangenen Jahrzehnts beendet und sogar aufgearbeit wird. Bisher ist von einer Aufklärung allerdings wenig zu sehen.

Die Macht des Nichtstuns

Das Phänomen Nichtwähler
Anti-Wahlkampf in Berlin 2009 <br/>Foto von Schockwellenreiter
Anti-Wahlkampf in Berlin 2009 Foto von Schockwellenreiter

Nur etwas weniger als 60 Prozent der Wahlberechtigten sind bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen zur Wahl gegangen: Beide großen Parteien, CDU und SPD, vereinen gemeinsam so viele Stimmen auf sich wie die Zahl der Nichtwähler. Bisher gibt es wenig aussagekräftige Forschung dazu, wie Deutschlandfunk Hintergrund herausfindet; vor allem junge und arme Menschen bleiben den Wahlurnen fern. Die Politik habe das Phänomen in seinen Wahlkampf einbezogen:

Wir haben ja auch bei der letzten Bundestagswahl erlebt, dass die Nichtwähler schon in die Strategie einkalkuliert werden, also der berühmte Wahlkampf von Frau Merkel der Union zielt auf eine so genannte asymmetrische Demobilisierung: Ich schläfere die Wähler ein, und wenn ich mehr Wähler der SPD einschläfere als meine, dann werde ich die Wahl gewinnen, und so war's dann auch.

Doch bei dieser Wahl verlor die CDU, denn »330.000 CDU-Wähler sind zu Hause geblieben«.

Weichenstellung am oberen Nil

Die Wahl im Sudan verdeutlicht die Probleme des Landes
Jeep der UNO im Südsudan <br/>Foto von sidelife
Jeep der UNO im Südsudan Foto von sidelife

Marc Engelhard berichtet in der taz über eine neue Oppositiongruppe bei den Wahlen im Sudan. Girifna besteht aus jungen Leuten, die sich mit den Verhältnissen in ihrem Land nicht weiter abfinden möchten. Im Gegensatz zu den etablierteren Oppostionsgruppen entstehe hier eine »zivilgesellschaftliche Opposition«, welche moderne Kommunikationstechniken nutze und Repression und Einschüchterung durch die Regierung ausgesetzt sei. Die meisten Oppositionparteien wollen die Wahl boykottieren, obwohl die Stimmzettel bereits gedruckt sind. DRadio Wissen verdeutlicht das Wahlchaos; die Wahlen sind durch ein kompliziertes Wahlsystem und die hohe Analphabetenquote erschwert. Insbesondere der Süden, wo ein Referendum über die Sezession im Raum steht, ist durch den langen Bürgerkrieg äußerst unterentwickelt.

Gewinner und Verlierer

Im Irak ist trotz Stabilisierung keine Aussöhnung erkennbar
Sicherheitsmaßnahmen bei den Wahlen
Sicherheitsmaßnahmen bei den Wahlen

Trotz des fortschreitenden Aufstands wurde es in den vergangenen Jahren in der Berichterstattung der Medien recht still um den Irak. Nun sind zu den Parlamentswahlen einige exzellente Dossiers erschienen. Die Wahlen seien durch eine neues Reglement in der Wahl der Kandidaten offener, jedoch habe eine »Gerechtigkeitskommission« nach fragwürdigen Kriterien 500 Kandidaten ausgeschlossen, so der Deutschlandfunk. Nir Rosen erkennt darin in der Le Monde diplomatique keine Bereitschaft zur Aussöhnung, denn die Schiiten hätten auf ganzer Linie gewonnen. Sie seien nicht bereit, die Macht zu teilen. Der amerikanische Journalist zählt in dieser kurzen Chronologie der jüngsten irakischen Geschichte die strategischen Fehler der Besatzungsmacht auf und verdeutlicht, wie diese den inneren Konflikt des Landes verschärften. Weiterlesen … »

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