Presseschau Mitteleuropa

Eine notwendige Debatte

Zum Verhältnis der Kirchen zum Staat

Im Zuge von Rücktritt und Neuwahl des Papstes wird in allen Medien ausführlich über die - katholische - Kirche berichtet. Nur wenig liest man aber über ein nach wie vor heikles Thema: die vielfältigen Verflechtungen zwischen dem deutschen Staat und den beiden öffentlich-rechtlichen Kirchen. Dabei gäbe es hierbei viel Diskussionsstoff.

Angefangen mit dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, das u.a. zu verringerten Rechten ihrer immerhin 1,3 Millionen Beschäftigten führt. Diese haben beispielsweise kein Streikrecht. Brisant ist auch die Tatsache, dass diese beiden Glaubensgemeinschaften basierend auf Regelungen aus dem 19. Jahrhundert noch immer vom Staat jährlich dreistellige Millionenbeträge erhalten. Begründet wird das mit den Enteignungen von Kirchengütern im Rahmen des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803. Allerdings regt sich Widerstand, fraktionsübergreifend ist sich der Bundestag einig, dass die Ansprüche mit einer einmaligen Zahlung endgültig abgegolten werden sollen.

Es geht aber nicht nur um finanzielle Aspekte. Karl-Heinrich Mengel verweist darauf, dass die Abhängigkeiten hier auf beiden Seiten bestehen. Denn die Kirchen müssten aufgrund dieser engen Verbindung auch Rücksichten nehmen. Insgesamt konstatiert der Autor ein »teils vordemokratisches Verhältnis« zwischen Staat und Kirchen in Deutschland. Und das ist umso problematischer, wenn man bedenkt, dass jedes Jahr etwa 300.000 Menschen aus den Kirchen austreten.

 

Mit gezinkten Karten

Wie CDU und CSU in den 70er Jahren einen geheimen Nachrichtendienst aufbauten
Mit gezinkten Karten

Eine der Grundregeln der Demokratie beruht auf der Akzeptanz einer Wahlniederlage: Die unterlegene Partei muss sich von den liebgewonnenen Honigtöpfen der Macht verabschieden. An diese Mensch-ärgere-Dich-nicht-Regel wollte sich die unterlegene CDU/CSU während der Kanzlerschaft Willy Brandts aber nicht halten. Mit Geldern der Industrie gründeten einige Spieler ihren eigenen Geheimdienst. Diese »Konservative Verschwörung« hat Stefanie Waske in umfangreichen Recherchen aufgedeckt. Die Arbeit ist jüngst als Buch erschienen, welches das Zeit-Magazin in Auszügen veröffentlicht hat. Seinen Ursprung hatte dieser Kreis bei einem Treffen im Herbst 1969 von Franz-Josef Strauß, dem vormaligen Leiter von Adenauers Kanzleramt, Hans Globke, und Karl Theodor zu Guttenberg, dem Großvater des zurückgetretenen Ministers. Für diese Operation wurden ehemalige Nachrichtendienstler rekrutiert, für die Scheinpositionen in der bayrischen Landesregierung geschaffen wurden. Der Vertraute des BND-Gründers Reinhard Gehlen, Wolfgang Langkau, wollte dafür auch auf einen Schattendienst im BND zurückgreifen. Geführt wurde die Organisation von den Bundesnachrichtendienstlern Hans Christoph von Stauffenberg und Hans Langemann, der später als Präsident der Bayrischen Verfassungsschutzes diente und dessen Rolle beim Oktoberfest-Attentat bis heute ungeklärt bleibt 1. Mit an Bord sind auch Schlüsselfiguren des späteren Spendenskandals der CDU.

  • 1. Leider wurde die Verbindung des Schattendienstes zu seinem Pendant »Le Cercle Pinay« in dem Zeit-Beitrag nicht weiter ausgeführt

Wie kritisch sind Journalisten?

Eine Untersuchung zu Elitenetzwerken

Uwe Krüger hat eine umfangreiche Studie vorgelegt, in der er die Verbindungen von einflussreichen Journalisten zu politischen Netzwerken untersucht. Jeweils eine Person der Leitmedien FAZ, Die Zeit, Die Welt und Süddeutsche Zeitung werden dabei untersucht, exemplarisch mit Blick auf die Außen- und Sicherheitspolitik. Dabei wird deutlich, wie eng diese Journalisten mit anderen Eliten verzahnt sind. Und mehr noch: Es zeigt klar, wie weit sich die Sichtweisen und Argumentationen beider Gruppen decken. Dem Idealbild von kritischer, distanzierter Darstellung genügt das kaum, wie der Autor festhält:

Ihr Bild von Bedrohungen und Konflikten war ebenso eindimensional und nicht reflexiv wie das in den offiziellen Doktrinen. Stellenweise verwendeten v.a. Kornelius und Joffe Propagandatechniken, wobei offenbleiben muss, ob sie dies bewusst oder unbewusst taten. Die Argumentation der vier Journalisten ist zusammenfassend als unkritisch bis persuasiv zu qualifizieren; Gegenargumente zum offiziellen Diskurs wurden kaum diskutiert.

Neue Runde im Worthülsenweitwurf

Wann gerinnt die Kritik an der Politik Israels zum Antisemitismus?

Als alter Kniff aus der Trickkiste der Öffentlichkeitsarbeit gilt die Top 10 - Liste. Die Platzierung des Verlegers Jakob Augsteins unter die zehn schlimmsten Antisemiten dieser Welt durch das Simon-Wiesenthal-Zentrum in Los Angeles hat zweifelsfrei für Aufmerksamkeit gesorgt. Um diesen Preis hat das Zentrum jedoch seinen Ruf als ernstzunehmende Instanz bei der Beurteilung des Judenhasses verspielt, indem die Jury den allseits anerkannten Deutschen Meister im Worthülsenschleudern, Henryk Broder, zum Gutachter bestellte. 1 Dieser Helfer ist nicht ausschließlich für seine feinen und differenzierenden Töne bekannt: Denn wer Antisemit ist, bestimmen immer noch Broders Identitätsneurosen.

  • 1. Das Zentrum selbst bezeichnet den mit wüsten Beleidigungen um sich werfenden Berufsprovokateur Broder allen Ernstes als »weltweit respektierte[n] Wortarbeiter«.

»Wir können auch anders«

Ein Fall in Bayern deutet auf einen eingeschränkten Rechtsstaat

Rechtlosigkeit, Polizeiwillkür und illegale Absprachen zwischen Behörden vermuten die meisten Menschen hierzulande in weit entfernten Staaten. Doch auch Deutschland ist weit weniger ein Rechtsstaat als im Selbstbild gedacht. Besonders krass zeigt dies ein Fall in Bayern: Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung soll ein Polizeibeamter versucht haben, einen Zeuge mit der Pistole am Kopf zu einer Aussage zu erpressen. Als der Schrotthändler nicht seine Beteiligung am Verdunkeln eines Mordes zugeben wollte, schickte ihm der Staatsanwalt eine Kontrolle auf seinen Schrottplatz, mit der Wahl zu kooperieren oder eine horrende Strafe für falsche Lagerung zu zahlen. Der Staatsanwalt würdigte den Angeklagten in seinem Plädoyer als »Abschaum der Menschheit« herab. Weiterlesen … »

Herrschaftsinstrument Verfassungsschutz

Der Geheimdienst wurde in Thüringen zur Unterwanderung parlamentarischer Parteien eingesetzt
Trinkaus: Der Verfassungsschutz lässt Nazis linke Ästhetik übernehmen
Trinkaus: Der Verfassungsschutz lässt Nazis linke Ästhetik übernehmen Bild von Indymedia

Ein Panorama der Absonderlichkeiten erblickt der Betrachter im Kaleidoskop des NSU-Skandals. Dieser Komplex erweitert sich mittlerweile über die Frage einer Mordserie und der Verstrickung von Behörden hinaus. Gerade als die Innenminister ein neues NPD-Parteiverbotsverfahren beabsichtigen, erschüttert eine Meldung die skandalerprobte Öffentlichkeit. Durch einen MDR-Bericht wird aufgedeckt, mit welchen Methoden der »Verfassungsschutz« arbeitet: Der Erfurter NPD-Chef Kai-Uwe Trinkaus wurde vom Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz als V-Person »Ares« geführt. Mit ausdrücklicher Billigung der Behörde schleuste er ein Mitglied seiner Partei als Spitzel bei der Fraktion der Linkspartei in Thüringen und bei den Jusos ein. Die NPD agiert somit als verlängerter Arm des Verfassungsschutzes beim Ausspionieren von Parlamentariern. Weiterlesen … »

Gelernte Herzensbrecher

Einblicke in die Spendenindustrie
Gelernte Herzensbrecher
Bild von Howard Lake

An vielen öffentlichen Plätzen hängen Mitleid heischende Plakate, die um Spenden werben. Gerade die Tage vor Weihnachten sind die Zeit des großen Geschäfts: Viele Menschen wollen helfen und geben am Jahresende Geld, das sie von der Steuer absetzen können. Doch nicht wenige Organisationen sind unseriös und wirtschaften in die eigene Tasche. Die zunehmende Professionalisierung hat eine Spendenindustrie entstehen lassen, deren hehre Absichten nur noch auf dem Papier stehen – dort jedoch gekonnt formuliert.

Ein Themenabend von ARTE hat diese Geschäftspraktiken unter die Lupe genommen: Längst haben viele auf Spenden angewiesene große Organisationen ihr Fundraising an professionelle Dienstleister ausgelagert, die rein wirtschaftliche Ziele verfolgen. Deren vorgebliche ethische Mindeststandards erweisen sich im Interview aber als Lippenbekenntnisse. Engagierte Journalisten werden gar mit Prozessen und Rufmordkampagnen überzogen. Weiterlesen … »

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